Hamburg. Billigfluglinie streicht wegen verfehlter Urlaubsplanung 2000 Verbindungen – auch Hamburg betroffen

Am vergangenen Donnerstag glänzte Michael O’Leary noch mit positiven Nachrichten. Am Hamburger Flughafen präsentierte der Ryan­air-Chef fünf neue Ziele ab dem Sommerflugplan 2018 und nutzte seinen Auftritt zu Spitzen gegen Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der die insolvente Air Berlin zumindest in Teilen übernehmen möchte. Gestern erläuterte der Ire in der Zentrale in Dublin weniger gute Nachrichten. Am Freitagabend hatte der Billigflieger per Pressemitteilung verkündet, in den nächsten sechs Wochen bis zu zwei Prozent seiner täglich gut 2500 Flüge zu streichen, insgesamt rund 2000. Binnen weniger Stunden setzte die Firma die Ankündigung um, strich für die nächsten Tage Strecken – und verunsicherte so die Passagiere. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.


Warum gibt es die Flugstreichungen?

Ryanair gab als Begründung an, dass die Pünktlichkeit der Maschinen in den vergangenen zwei Wochen von 90 auf weniger als 80 Prozent gesunken sei. Das sei ein für Ryanair und seine Kunden „inakzeptabler Wert“, wie es hieß. Schuld daran seien Kapazitätsprobleme und Streiks bei der Flugsicherung, schlechtes Wetter – sowie eine Verschiebung der Urlaube bei Piloten und Flugbegleitern. Man müsse den Urlaubsanspruch für ein ganzes Jahr innerhalb von neun Monaten bis Ende Dezember gewähren, sagte O’Leary. Hintergrund: Die irische Luftfahrtbehörde hatte das Unternehmen gezwungen, das Urlaubsjahr von April bis März auf ein Kalenderjahr umzustellen. „Das ist ein Schlamassel, den wir selbst zu verantworten haben“, sagte O’Leary. Zuvor hatte die Zeitung „Irish Independent“ berichtet, dass seit Jahresbeginn mehr als 140 Piloten zum Konkurrenten Norwegian Air wechselten. „Einen Engpass an Piloten haben wir nicht“, stellte O’Leary klar.

In der Szene werden weitere Gründe vermutet. Erstens drängen die Iren auf große Flughäfen wie Frankfurt und Madrid. Das Einhalten von nur 25 Minuten Standzeit am Boden für den Ein- und Ausstieg der Passagiere, das Ent- und Beladen der Koffer, Auftanken etc. sei an diesen Drehkreuzen extrem schwierig. „Verspätungen kann Ryanair über den Tag nicht mehr aufholen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Zweitens werde das Geschäft der schnell wachsenden Iren, die nun auch Anschlussflüge anbieten, immer komplexer. Das könnte Probleme verursachen. Drittens wäre es möglich, dass sich die Iren für die Einstellung des Flugbetriebs bei Air Berlin wappnen. Offiziell streicht Ryanair Flüge, um mehr Standby-Maschinen parat zu haben, falls sich Verspätungen im Tagesgeschäft aufbauen. Schellenberg vermutet, dass sich die Iren Kapazitäten aufbauen, um sofort reagieren zu können, wenn Air Berlin dauerhaft am Boden bleiben muss. „Dann werden Airlines gesucht, die die Passagiere aufsaugen können“, sagt Schellenberg. Ryan­air könnte in die Slots springen und sie sich dauerhaft sichern. Wenn sie einen kompletten (Winter- oder Sommer-)Flugplan zu mindestens 80 Prozent bedienen, erhalten sie die Rechte auf die Strecke auch in den Folgeperioden wieder. Ryanair hätte mit dem Schachzug seine Marktmacht in Deutschland ausgebaut.

Darf Ryanair die Flüge absagen?
Über ihren Flugplan entscheiden die Airlines. So kommt es häufiger zu kurzfristigen Ausfällen zum Beispiel wegen technischer Probleme. Das Vorgehen von Ryanair mit geplanten Streichungen bei einer Vorlaufzeit von ein bis zwei Tagen kritisiert Schellenberg: „Das ist für Urlauber und Geschäftsreisende eine absolute Frechheit.“ Eigentlich darf Ryanair nicht so vorgehen, sagt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg. Mit der Buchung sei ein Vertrag geschlossen worden, an den sich Ryanair halten müsse.

Welche Rechte haben Kunden?
Zunächst einmal muss Ryanair versuchen, betroffene Kunden unter vergleichbaren Bedingungen an den Zielort zu bringen, sagt Rehberg. Das könne statt eines Direkt- auch eine Umsteigeverbindung sein. Gelingt dies nicht, muss der Ticketpreis erstattet werden. Die Reiserechtsexpertin sieht die Iren sogar in der Pflicht, den Fluggästen eine Entschädigung zu zahlen, wenn ein Ersatzflug bei einer anderen Fluglinie teurer ist als der ursprünglich gezahlte Preis. „Wenn das Unternehmen den Flugausfall verschuldet hat, muss es den Passagieren den Mehrpreis erstatten“, sagt Rehberg. Allerdings ist das Einfordern der Ansprüche schwierig und eventuell mit einer langwierigen juristischen Auseinandersetzung verbunden. Wenn weniger als zwei Wochen zwischen Ankündigung des Flugausfalls und Antritt der Reise liegen, besteht zudem Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach der EU-Verordnung. Für Flüge innerhalb der Gemeinschaft bis zu 1500 Kilometer Länge sind dies immerhin 250 Euro, bei längeren innergemeinschaftlichen Flügen 450 Euro. Ryanair kündigte gestern an, diese Kompensationen zahlen zu wollen. Auch die EU-Kommission wies auf die Passagierrechte hin. Werden Kunden weniger als sieben Tage vorher unterrichtet, dürfe der Ersatzflug nicht mehr als eine Stunde früher abgehen und maximal zwei Stunden später ankommen als die ursprünglich gebuchte Verbindung. Am besten haben es übrigens Kunden, die eine Pauschalreise gebucht haben: Der Reiseveranstalter muss für einen Ersatzflug sorgen.


Wie stark ist Hamburg betroffen?

Am gestrigen Montag fiel vom Helmut-Schmidt-Flughafen ein Hin- und Rückflug nach Manchester aus. Heute und morgen ist laut Ryanair-Homepage keine Hamburg-Verbindung betroffen. Die weiteren Flugstreichungen wollte das Unternehmen gestern Abend auf seiner Webseite veröffentlichen.