Hamburg. Wie Firmen und Behörden in der Hansestadt mit dem Griff zur Zigarette in der Dienstzeit umgehen. Große Abendblatt-Umfrage.

Muss ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit offiziell unterbrechen, wenn er in der Firma mal eben schnell eine Zigarette rauchen geht, muss er ausstempeln, wenn es im Betrieb ein System zur Arbeitszeiterfassung gibt? Es ist eine Frage, auf die Abendblattleser ganz unterschiedliche Antworten haben. Die Diskussion entzündet sich an einer vor einiger Zeit beim Luftfahrtunternehmen Lufthansa-Technik eingeführten Regelung.

Stempeln für den Glimmstengel

Mitarbeiter müssen dort jetzt fürs Rauchen ausstempeln. Es ist eines der Zugeständnisse, das die Beschäftigten machten, damit der Bereich Triebwerksüberholung in der Hamburger Luftwerft bleibt und nicht verlagert wird. Aus Sicht einiger Leser ist eine solche Raucherregelung eine pure Selbstverständlichkeit, andere sehen darin eine nicht nachvollziehbare Anweisung. Wir wollten wissen, wie es große Hamburger Unternehmen und Behörden mit den Rauchern und der Arbeitszeit halten.

In der Holsten-Brauerei gelten strenge Regeln. Die Mitarbeiter in der Produktion dürfen nur während der regulären 30-Minuten-Pause, von der es eine pro Acht-Stunden-Schicht gibt, zum Glimmstängel greifen. Bei Beschäftigten in der Verwaltung gelten solche Einschränkungen nicht. „Die Raucherpausen dürfen aber auch hier den Arbeitsprozess nicht beeinträchtigen“, sagt der Sprecher der Muttergesellschaft Carlsberg, Christoph Boneberg. Auf dem Betriebsgelände gibt es mehrere Kabinen mit speziellen Abzügen, in die sich die Beschäftigten zum Rauchen zurückziehen können.

Hubwagen in der Produktions-Halle der Jungheinrich AG
Hubwagen in der Produktions-Halle der Jungheinrich AG © dpa | Malte Christians/Archiv

Rauchen, so viel er will

Beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich wird für die etwa 550 Beschäftigten in der Wandsbeker Unternehmenszentrale seit gut eineinhalb Jahren eine neue Regelung angewandt: Rauchpausen sind keine Arbeitszeit. Wer den Arbeitsplatz verlässt, um die beheizte Raucherkabine am Hintereingang zu nutzen, muss ausstempeln. Eingeführt wurde dieser Grundsatz mit dem Umzug in die neue Zentrale am Friedrich-Ebert-Damm Ende 2015. Dies sei zwischen Unternehmensführung und Betriebsrat vereinbart worden, sagte ein Sprecher. „Man wollte vermeiden, Vorgaben zu Zahl und Dauer von Rauchpausen zu machen. Jetzt kann jeder so viel rauchen, wie er will.“ Aber als Arbeitszeit gilt das eben nicht. Beschwerden über die Regelung seien nicht bekannt, sagte der Unternehmenssprecher.

Strenge Vorschriften

Die Traditionsreederei Hapag-Lloyd unterscheidet zwischen den Mitarbeitern auf See und an Land. „An Bord gibt es gesetzliche Einschränkungen beim Rauchen. Beispielsweise ist es im Maschinenraum verboten, ebenso an Deck“, sagte eine Unternehmenssprecherin. Ansonsten gelte die Regel, dass Nichtraucher vor qualmenden Kollegen zu schützen sind. „Das wird also individuell durchs Bordmanagement geregelt“, so die Sprecherin. Das letzte Wort habe der Kapitän. Für die Hapag-Lloyd-Mitarbeiter an Land sind die Regeln sehr viel strenger: „Wer hier rauchen will, loggt sich aus, damit die Pause nicht von der Arbeitszeit abgeht“, so die Sprecherin. Es gibt also eine Arbeitszeiterfassung, die Mitarbeiter müssen sich ausstempeln.

Beim Handelskonzern Otto gilt grundsätzlich die Vertrauensarbeitszeit, Stempelkarten oder andere Kontrollmechanismen wurden schon vor vielen Jahren abgeschafft. Die Gebäude auf dem Gelände in Bramfeld sind rauchfreie Zonen, rauchende Mitarbeiter müssen vor die Tür in einen der Unterstände in der Nähe der Gebäude.

Etwas anders sieht es bei Ottos Logistik-Tochter Hermes aus. Im Hamburger Retourenbetrieb von Hermes Fulfilment, wo beispielsweise zurückgegebene Kleider oder Schuhe gesichtet und erneut versandfertig gemacht werden, gibt es für die Mitarbeiter bestimmte Ziele, die sie pro Tag erreichen müssen. Sind die Vorgaben erfüllt oder liegt der Mitarbeiter im Laufe des Tages über dem Soll, kann er nach eigenem Ermessen eine Pause, etwa zum Rauchen, einlegen. Dieses System wendet Hermes auch in den zentralen Logistikbetrieben der Gruppe an.

Rauchen auf der Dachterrasse

Der Windkraftanlagen-Hersteller Senvion vertraut auf die Eigenverantwortung der Raucher unter den gut 550 Beschäftigten in der Unternehmenszentrale in der City Nord. Geraucht wird dort vor der Tür oder auf der Dachterrasse. Für die tariflich Beschäftigten gibt es zwar eine Arbeitszeiterfassung, aber für eine Rauchpause müssen die Mitarbeiter die Arbeitszeit nicht unterbrechen, sagt Unternehmenssprecher Immo von Fallois. „Wir gehen davon aus, dass diese Pausen freiwillig nachgearbeitet werden. Wir kontrollieren keine Pausen und vertrauen auf unsere Mitarbeiter.“ Und im besten Falle könne Senvion von solchen Unterbrechungen sogar profitieren. „Womöglich hat ja ein Mitarbeiter beim Rauchen eine gute Idee, oder Kollegen unterhalten sich in der gemeinsamen Rauchpause darüber, wie sich ein Problem lösen lässt.“

Ähnlich verhält es sich bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Mitarbeiter, die draußen an den Schiffen arbeiten, schickt man für eine Rauchpause nicht extra zum Ausstempeln an einem meist weit entfernten Gerät. Und da alle Mitarbeiter gleich behandelt werden, gibt es auch keine strengeren Regeln in der Verwaltung. „Es gibt aber spezielle Raucherzonen, die die Mitarbeiter aufsuchen müssen“, sagte ein HHLA-Sprecher.

Beim Kupferhersteller Aurubis gilt in der Verwaltung und der Produktion am Hamburger Stammsitz auf der Peute die Vorgabe: Außerhalb von Gebäuden darf geraucht werden, es gibt zudem wettergeschützte Raucherzonen auf dem Gelände. „Mitarbeiter müssen nicht ausstempeln, wenn sie ihren Arbeitsplatz zum Rauchen verlassen“, sagte eine Unternehmenssprecherin.

Deutschlands größte Sparkasse, die Haspa, setzt Vertrauen in ihre rauchenden Mitarbeiter. „Raucherpausen zählen nicht zur Arbeitszeit, das muss natürlich berücksichtigt werden“, sagt Haspa­-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Bei der Sparkasse mit rund 5000 Mitarbeitern gibt es Vertrauensarbeitszeit. „Das bietet den Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität – auch für Raucherpausen“, sagt von Carlsburg.

Am Flughafen Hamburg gibt es eine Betriebsvereinbarung, die das Rauchen erlaubt – unter der Prämisse, dass nicht gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wird und sich niemand gestört fühlt. Es gibt zwar für viele eine Arbeitszeiterfassung, aber keinen Zwang zum Ausstempeln beim Rauchen.

Auch Beiersdorf verzichtet auf ein Abmelden oder Ausstempeln. Unterschiede zwischen Verwaltung, Forschung und Produktion macht der Nivea-Hersteller nicht. Die Mitarbeiter des Produktionszentrums dürfen in der Pause zur Zigarette greifen. Laut Tarifvertrag gibt es bei einer 37,5-Stunden-Woche eine halbe Stunde Pause pro Schicht. An den einzelnen Standorten gelten individuelle, zu den Arbeitsabläufen passende Regelungen.

Beim Flugzeugbauer Airbus herrscht in allen Gebäuden und an neuralgischen Punkten wie dem Vorfeld der Start- und Landebahn Rauchverbot. Zur genauen Regelung in der Produktion will sich Airbus nicht äußern. Um Nichtraucher zu schützen, gibt es auf dem Gelände „Raucherinseln“. Der größte Industriebetrieb Hamburgs mit 12.500 Beschäftigten auf Finkenwerder bietet seit 2008 Seminare zur Rauchentwöhnung – außerhalb der Arbeitszeit – mit finanzieller Unterstützung des Unternehmens an. „Fast zwei Drittel der Teilnehmer haben langfristig mit dem Rauchen aufgehört“, sagte ein Sprecher.

Solche Kurse bietet auch Hamburgs größter Arbeitgeber an. Bei Asklepios sind alle Kliniken grundsätzlich rauchfreie Zonen, und es gibt „Raucher-Pavillons“ für Patienten, Besucher und Mitarbeiter. Ausstempeln fürs Rauchen müssen die Mitarbeiter nicht, ohnehin gebe es in vielen Asklepios-Einrichtungen nicht die Pflicht, ein- oder auszustempeln, sagte ein Firmensprecher.

Ebenfalls keine einheitliche Vorgabe gibt es für Hamburgs Beamte. „Das regelt jede Behörde oder Dienststelle mit ihrem jeweiligen Personalrat“, sagte eine Sprecherin des Personalamtes. „Eine übergeordnete Regel für Hamburgs Behörden gibt es nicht.“ Tatsächlich wird das unterschiedlich gehandhabt: In der Umweltbehörde gelte seit Einführung der Arbeitszeiterfassung vor einigen Jahren der Grundsatz: Wer rauchen geht, muss ausstempeln, sagte ein Behördensprecher. Vor dem Behördengebäude in Wilhelmsburg stehen zwei Raucherhäuschen. Der Weg dorthin führt am Zeiterfassungssystem vorbei.

Die Wirtschaftsbehörde setzt eher auf das Konzept Vertrauensarbeitszeit. In der Dienstzeitvereinbarung heißt es zwar unmissverständlich: „Dienststelle und Personalrat weisen darauf hin, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz verlassen, um zu rauchen, ihre Arbeit unterbrechen. Eine solche Arbeitsunterbrechung ist keine Dienstzeit, da während der Raucherpause keine Arbeit geleistet wird.“ Einen weiteren Regelungsbedarf sehe die Leitung nicht, sagte eine Behördensprecherin. „In der Praxis basiert das alles auf wechselseitigem Vertrauen. Es gibt keine Ambitionen, daran etwas zu ändern, weil es gut funktioniert.“

Und wie sieht die Rechtslage aus? „Generell gibt es vom Arbeitsrecht keinen Anspruch für Arbeitnehmer auf bezahlte Raucherpausen“, sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Lars Kohnen. Ob der Arbeitgeber das Rauchen zulässt oder nicht, sei seine individuelle Entscheidung. Erlaubt er den Beschäftigten aber den Griff zur Zigarette, muss er für den Schutz der Nichtraucher sorgen, also etwa spezielle Räume oder Raucherinseln einrichten. Die Zeit für das Rauchen muss er grundsätzlich nicht bezahlen – der Arbeitnehmer muss sie nacharbeiten.