Berlin. Deutschlands zweitgrößte Airline Air Berlin ist zahlungsunfähig. Wir beantworten, was das für Fluggäste und Beschäftigte bedeutet.

Jahrelang hat sich Air Berlin mit tiefroten Zahlen und Hilfe aus Abu Dhabi durch den Luftraum geschleppt. Allein für 2016 waren es 782 Millionen Euro Verlust, 2017 drohte ebenfalls schlecht zu laufen. Am Dienstag meldete die hoch verschuldete Fluggesellschaft jetzt Insolvenz an – mitten in der Urlaubszeit. Die Bundesregierung sichert den Flugbetrieb mit einem Überbrückungskredit. Ein Konkurrent will das Kartellamt einschalten.

Was ist geschehen?

Seit Jahren fliegt Air Berlin nur mit Unterstützung des Großaktionärs Etihad aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Noch im April hatte Etihad für weitere 18 Monate Hilfe zugesichert. Vergangenen Mittwoch blieb dann eine vereinbarte Kreditrate von 50 Millionen Euro aus, am Freitagabend erklärten die Scheichs, nichts mehr zahlen zu wollen. Ohne das Geld ist Air Berlin zahlungsunfähig. Am Dienstag meldete die Fluggesellschaft deshalb Insolvenz an.

Wie geht es weiter?

Air Berlin hat eine Insolvenz in Eigenregie beantragt. Gemeinsam mit dem vorläufigen Sachverwalter Lucas Flö­ther aus Halle will das Unternehmen die begonnene Restrukturierung weiterführen – ohne die drückende Last der 1,2 Milliarden Euro Schulden. Die Bundesregierung stellt kurzfristig einen Übergangskredit von 150 Millionen Euro über die staatliche Entwicklungsbank KfW bereit. Damit kann Air Berlin den Flugbetrieb erst einmal aufrechterhalten und an der Zukunft arbeiten. Getilgt werden kann der Kredit aus Sicht der Bundesregierung aus den Erlösen für den Verkauf von Slots – Start- und Landerechten Air Berlins.

Was bedeutet die Insolvenz für die Air-Berlin-Kunden?

Dank des Überbrückungskredits geht der Flugbetrieb, auch beim Partnerunternehmen Niki, weiter – zumindest definitiv für die nächsten drei Monate. Von Air Berlin kommen beruhigende Töne. Die Flugpläne blieben weiterhin gültig, Tickets behielten ihre Gültigkeit, Flüge seien auch weiterhin buchbar. Die Berliner Verbraucherschutzzentrale hält das für glaubwürdig. „Der Kredit der Bundesregierung stellt sicher, dass geschlossene Verträge erfüllt werden“, sagt Reiserechtsberaterin Eva Klaar. Es sei ein Vorteil, dass das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ablaufe. Flüge zu buchen, die weiter als drei Monate in der Zukunft liegen, empfiehlt die Verbraucherschutzzentrale nicht.

Bund sichert Air-Berlin-Flugbetrieb mit Kredit

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    Welche Rechte haben Fluggäste bei der Insolvenz einer Airline?

    Wer über einen Reiseveranstalter mit Air Berlin fliegt, ist über diesen im Fall einer Insolvenz versichert. Wer direkt bei der Fluggesellschaft bucht, seinen Flug aber wegen Insolvenz nicht antreten kann, darf im Rahmen des Insolvenzverfahrens sein Geld zurückfordern. Die Chancen dafür gelten als gering, weil der Fluggast oft das „letzte Glied in der Kette“ ist und zunächst andere Gläubiger aus der Konkursmasse bedient werden. Für die Kunden bleibt dann meist nur ­wenig. Die SPD hatte deshalb gefordert, es müsse für Fluggesellschaften eine verpflichtende Insolvenzabsicherung zum Schutz der Kunden geben. Bislang bieten nur wenige Unternehmen einen freiwilligen Versicherungsschutz an. Eine Möglichkeit ist, dass insolvente Airlines andere Gesellschaften mit der Beförderung ihrer Kunden beauftragen.

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    Warum kommt die Insolvenz jetzt?

    Über den Zeitpunkt sind Experten überrascht. Viele hatten erwartet, das Air Berlin noch mindestens bis Jahresende durchhält. Etihad begründet das Aus mit den schlechten Leistungen des Unternehmens: Das Geschäft Air Berlins habe sich „rapide verschlechtert, was dazu führte, dass entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt werden konnten“. In diesem Zustand befindet sich Air Berlin allerdings schon länger. Die Araber haben aber in den vergangenen Monaten ihre Strategie geändert. Die Fluggesellschaft, hinter der der Staat steht, will nicht mehr so viel Geld verbrennen wie in den vergangenen Jahren. In Italien verweigerte Etihad im Frühjahr weitere Hilfe für Alitalia, sodass die Gesellschaft pleiteging. Zudem hat Etihad sich im Frühjahr vom langjährigen Chef James Hogan getrennt, der für das defizitäre europäische Abenteuer verantwortlich war. Ein Nachfolger ist bisher noch nicht gefunden.

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      Was passiert jetzt mit Air Berlin?

      Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) rechnet mit der Zerschlagung des Unternehmens. Allein ist es jedenfalls nicht überlebensfähig. Großes Interesse an den noch 75 Flugzeugen von Air Berlin hat Lufthansa, die für die Billigflugtochter Eurowings bereits 38 andere Air-Berlin-Maschinen samt Besatzung und Piloten gemietet, teilweise sogar die Leasingverträge übernommen hat. Eurowings will unter anderem das Geschäft mit Fernflügen schnell ausbauen – diesen Plan verfolgte auch Air Berlin, vor allem von Düsseldorf aus. Der Flughafen dort ist wiederum für Lufthansa wegen des großen Einzugsbereichs (Ruhrgebiet, Münster) sehr interessant.

      Ebenfalls Interesse an Teilen von Air Berlin hat offenbar der britische Billigflieger Easyjet. An den Gesprächen beteiligt ist auch der Reisekonzern TUI mit seiner Tochter TUIfly. Letztere hat 14 Boeing-Jets samt Personal an Niki vermietet. Umgekehrt schickt der TUI-Konzern einen Teil seiner Kunden in Flugzeugen des Air-Berlin-Konzerns auf Reisen. Ob Lufthansa tatsächlich zugreifen kann, ist noch unklar. Unter anderem das Kartellamt müsste in bestimmten Fällen zustimmen.

      Womit müssen die Mitarbeiter rechnen?

      Das Unternehmen beschäftigt insgesamt rund 8000 Mitarbeiter. Wegen der Entwicklungen der vergangenen Wochen und Monate haben aber etliche Kollegen das Unternehmen bereits verlassen – offizielle Zahlen muss Air Berlin bald vorlegen. Je nachdem, welche Teile des Unternehmens in Zukunft von einer anderen Gesellschaft übernommen werden, hätten wohl Piloten, Kabinenpersonal und gut ausgebildete Techniker die besten Chancen auf neue Jobs. Lufthansa hat bereits Interesse an Personal angemeldet. Schwieriger wird es bei Mitarbeitern aus Verwaltung oder Flugplanung – sie würden Synergieeffekten wohl am ehesten zum Opfer fallen.

      Berlins Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) geht davon aus, dass zumindest ein Teil der Arbeitsplätze in Gefahr ist. Offiziell arbeiten am Standort Berlin rund 2500 Mitarbeiter von Air Berlin. Verdi fordert Air Berlin auf, möglichst schnell alle Zahlen, Daten und Fakten auf den Tisch zu legen und eng mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten, um so viel Schaden wie möglich von der Belegschaft abzuwenden.

      Was sagt die Konkurrenz?

      Ryanair, Europas größte Fluggesellschaft nach Passagieren, geht gegen die Staatshilfen für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin vor und legt Beschwerde bei den Kartellbehörden ein. Der Insolvenzantrag sei mit dem Ziel arrangiert worden, dass die Deutsche Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen könne, erklärte Ryanair am Dienstagabend. Dies verstoße gegen deutsche und EU-Wettbewerbsregeln. Zudem erwartet Ryanair, dass Fliegen teurer wird, wenn ein Konkurrent wegfällt. „Deutsche Reisende und Besucher Deutschlands werden wegen des Lufthansa-Monopols unter höheren Preisen leiden.“

      Welche Folgen könnte eine Pleite von Air Berlin für den neuen Berliner Flughafen haben?

      Darüber kann nur spekuliert werden. Wahr ist, dass Air Berlin als wichtigster Nutzer des künftigen Hauptstadtflughafens galt und dort ein Drehkreuz etablieren sollte. Der Wegfall würde den Flughafen also treffen. Lufthansa hat bisher eher wenig Interesse, am BER groß zu expandieren. Und so könnten sich die Billigflieger Ryanair und Easyjet über mögliche freie Plätze freuen – was zwar die Passagiere freut, weil die Fluggesellschaften die Kosten drücken und entsprechend billig fliegen, den Flughafen aber nicht so sehr begeistert, weil die Passagiere eher als preisbewusst gelten und möglicherweise nicht so viel Geld am Flughafen ausgeben wie etwa ein Lufthansa-Kunde. Unklar sind die Folgen der Air-Berlin-Pleite allerdings auch, weil noch immer nicht bekannt ist, wann der neue Hauptstadtflughafen überhaupt in Betrieb geht.

      Bleibt der Name Air Berlin erhalten?

      Kaum. „Ich rechne damit, dass der Name bald nicht nur vom Kurszettel, sondern auch vom Himmel verschwinden wird“, sagte Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Lufthansa habe kein Interesse, eine weitere Marke unter dem Konzerndach fliegen zu lassen. Und verkaufen lasse sich der Name nur schwer, weil er inzwischen schwer belastet sei. Nach den Problemen mit dem Bodenpersonal in diesem Jahr sei das einst gute Image des Namens verschwunden. Air Berlin hatte im Frühjahr den Bodenabfertiger in Berlin gewechselt, der mit der neuen Aufgabe überfordert war. Es kam zu Verzögerungen von mehr als einer Stunde. Zudem hatte das Unternehmen die Einsatzplanung nicht im Griff, zahlreiche Flüge mussten storniert werden, unter anderem im Reisegeschäft rund um Ostern und Pfingsten.