Brüssel. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan soll in wenigen Tagen besiegelt werden, nur wenige Dokumente sind veröffentlicht.

Zum Abschluss muss die Chefin persönlich ran: Seit Freitag versucht EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in Tokio das Freihandelsabkommen mit Japan unter Dach und Fach zu bringen. Die Stimmung ist zuversichtlich. „Das jahrelang vermisste Momentum scheint endlich gegeben“, sagt Bernd Lange (SPD), Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament, dieser Redaktion.

„Ich gehe von einem eindeutigen Signal in den kommenden Tagen aus.“ Zu gern würden die Europäer, Angela Merkel an der Spitze, dem protektionistischen US-Präsidenten Donald Trump auf dem G20-Gipfel in Hamburg zeigen, wie Freihandel geht.

Beim Hamburger Spitzentreffen der Industrie- und Schwellenländer will die Bundeskanzlerin gegenüber dem Kollegen aus Washington klare Kante ziehen: kein Rückfall in Protektionismus und rein bilaterale Deals. Das ist grundsätzlich auch die Auffassung der Exportnation Japan und soll sich in einer gemeinsamen Erklärung zum Abschluss der Gespräche niederschlagen. Der Informationsdienst Politico zitiert aus dem Entwurf, wo „Japan und die EU sich auf eine regelbasierte internationale Ordnung, Multilateralismus, liberale Werte, freien und fairen Handel verpflichten“.

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    Strafzölle auf Stahlimporte

    Trump gilt hingegen auf diesem Gebiet als schwerhörig. Er ist aus dem TPP Freihandelsabkommen mit elf pazifischen Ländern ausgestiegen und hat das TTIP-Großprojekt mit Europa umstandslos eingemottet. Stattdessen droht er mit Strafzöllen auf Stahlimporte. Da wäre eine Übereinkunft mit Japan aus Sicht der Kanzlerin ein besonders eindrucksvoller Schritt in die richtige Richtung. Nicht nur bei Autos gehören die EU und Nippon zu den wichtigsten Akteuren auf den Weltmärkten. Zusammen kommen sie auf ein Drittel des globalen Austauschs von Waren und Dienstleistungen.

    Nach Brüsseler Schätzungen könnte die angestrebte Übereinkunft die EU-Ausfuhren nach Japan um bis zu 30 Prozent steigern. Doch die seit 2013 laufenden Verhandlungen gestalten sich bis zuletzt schwierig. Schon im vergangenen Dezember hieß es, man stehe kurz vor dem Abschluss. Da steht man immer noch. Vor allem in den Kapiteln öffentliche Aufträge und Agrarprodukte kommen Europäer und Japaner nicht auf einen Nenner. Kommissionschef Jean-Claude Juncker: „Das hakt noch an einigen Stellen.“

    Politische Einigung

    Die Entsendung von Malmström, die von ihrem Agrar-Kollegen Phil Hogan begleitet wird, soll helfen, den Knoten zu zerschlagen, wenigstens in Form einer vorläufigen Grundsatzverständigung. Die könnte Japans Regierungschef Shinzo Abe mit den EU-Oberen Juncker und Donald Tusk am Vorabend des Hamburger Gipfels publikumswirksam unterzeichnen. Das Kleingedruckte soll später nachgeliefert werden. Parlamentarier Lange warnt: „Politische Einigung bedeutet keine endgültige Einigung auf einen Vertragstext.

    Und da kann schon noch der Hase im Pfeffer liegen.“ Wie viel Brisanz im inoffiziell JEFTA (Japan EU Free Trade Agreement) genannten Abkommen steckt, zeigte sich vor einer Woche. Greenpeace veröffentlichte über 200 Seiten Auszüge aus verschiedenen Verhandlungskapiteln. Man dokumentiere „das Versagen der EU, in ihrer Handelspolitik hohe Umweltstandards zu wahren“. Kritiker bemängelten auch einen viel zu schwachen Verbraucherschutz, weil das in Europa maßgebliche Vorsorgeprinzip nicht abgesichert sei. Außerdem enthalte der Vertrag keine hinreichenden Vorkehrungen gegen den Handel mit illegal geschlagenen Hölzern oder zum Schutz der Wale.

    Gegenmodell zu Trump

    Japan ist weltgrößter Holzimporteur und eines von drei Ländern, das noch Walfang praktiziert. Ein weiterer Stein des Anstoßes ist erneut das Thema Investorenschutz, das schon bei TTIP und CETA die Gemüter erhitzt hatte. Traditionelle Freihandelsabkommen sehen private Schiedsverfahren vor, bei denen die Konzerne gute Aussichten haben, Schadenersatz wegen angeblich unfairer Schmälerung ihrer Gewinnchancen durch Umwelt- oder Sozialgesetze geltend zu machen.

    Mit den Kanadiern hatte sich die EU stattdessen auf einen öffentlich tagenden Gerichtshof verständigt. Das gilt seither als Modell, stößt aber in Tokio auf Widerstand. „Die EU-Kommission macht in der Handelspolitik so weiter, als hätte es die Proteste gegen TTIP und CETA nie gegeben“, wetterte der Grünen-Europaabgeordnete Seven Giegold. „Doch das europäische Gegenmodell zu Trump kann keine Handelspolitik sein, bei der soziale und ökologische Standards weiter unter die Räder kommen!“

    Billigung durch EU

    Was Giegold und andere zusätzlich erbost, ist der Umstand, dass auch dieser Vertrag unter dem Mantel der Geheimhaltung Gestalt annimmt. Nur ein Bruchteil der Verhandlungsdokumente ist veröffentlicht. Die von Malmström anlässlich der TTIP-Proteste gelobte Transparenz sei „ein Witz“, schimpfte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Offenkundig müsse „die Zivilgesellschaft bei jedem aufs Neue um die banalsten Informationen betteln“.

    Malmström lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen: „Das ist sämtlich unbegründet – ein Sturm im Wasserglas!“ Die europäischen Standards seien nicht verhandelbar und würden im definitiven Text verankert, ebenso die Absage an den illegalen Holzschlag. Walfang sei hingegen schlicht kein Thema für Handelsvereinbarungen. Die Geheimhaltung von Verhandlungsergebnissen schließlich liege am Veto der Japaner, die Nichtveröffentlichung des EU-Mandats an der Weigerung zahlreicher EU-Regierungen. Was immer Malmström und ihre japanischen Kontrahenten im Geheimen aushandeln, braucht am Ende jedenfalls die Billigung durch die EU-Volksvertretung.