Hamburg. Allerdings suchen auch noch 4900 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Zahl der Arbeitslosen sinkt weiter

Drei Monate vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind in Hamburg noch 5000 Lehrstellen frei. Das sind sieben Prozent mehr als vor einem Jahr. Für Kaufleute im Einzelhandel gibt es noch 850 freie Ausbildungsplätze, 600 für Verkäufer, 180 für Kaufleute im Groß- und Außenhandel, 1140 für Friseure und 130 für Elektriker Gleichzeitig suchen aber noch knapp 4900 Hamburger nach einem Ausbildungsplatz. Ihre Chancen stehen gut. „Über alle Branchen, für jeden Schulabschluss und für jeden Ausbildungsberuf gibt es noch freie Lehrstellen“, sagt Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur Hamburg. Schulabgänger können sich bei der Arbeitsagentur melden und werden dort auch beraten. Fock weiß: Je solider die Ausbildung, desto geringer ist auch die Gefahr, arbeitslos zu werden.

Denn auch die Arbeitsmarktzahlen, die Fock dieses Mal bei der Stadtreinigung Hamburg – gleichzeitig zur Zwischenbilanz bei der Ausbildungssituation – vorstellte, sprechen dafür, dass zumindest Fachkräfte gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. „Allein im ­April haben 6400 Hamburger ihre Arbeitslosigkeit beendet“, sagt Fock. Das zeige, wie dynamisch der Arbeitsmarkt sei. Die Zahl der Jobsuchenden ist im April weiter zurückgegangen und sinkt damit den dritten Monat in Folge. In der Hansestadt waren im April 70.658 Männer und Frauen arbeitslos gemeldet. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Rückgang von 1,8 Prozent. Es ist der niedrigste Aprilwert seit dem Jahr 1993. „Ich rechne damit, dass im Monat Mai die Marke von 70.000 unterschritten wird“, sagt Fock. Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei sieben Prozent. In Hamburg entstehen immer mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Innerhalb eines Jahres nahm ihre Zahl um 19.200 auf 946.200 zu. Die neuen Stellen entstanden vor allem in den Branchen Handel, Dienstleistungen, Gastronomie, in Schulen und Heimen.

Ihre 20 Lehrstellen mit Ausbildungsbeginn im August hat die Stadtreinigung fast komplett vergeben. „Nur ein Koch fehlt uns noch“, sagt Rüdiger Siechau, Geschäftsführer der Stadtreinigung Hamburg. „Wir konnten aus 500 Bewerbungen auswählen, weil wir ein attraktiver Arbeitgeber sind.“ Insgesamt werden sieben verschiedene Berufe angeboten. Das reicht von der Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft bis zum Fachinformatiker.

Justin Grabhöfer und Leon Henning machen eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Jeden Tag durchlaufen etwa 25 eigene Fahrzeuge die große Kfz-Werkstatt. „Es ist mein Wunschberuf“, sagt Grabhöfer. Der Anstoß kam von seinem Vater, der auch bei der Stadtreinigung arbeitet. „Mir gefällt vor allem die handwerkliche Arbeit“, sagt Grabhöfer, der im zweiten Lehrjahr ist. Auch Henning sieht das ähnlich. „Ich interessiere mich für die großen Motoren.“

Doch auch Menschen ohne solide Ausbildung sollen bei der Stadtreinigung, die Chance auf einen Arbeitsplatz bekommen. Denn nicht für jede Tätigkeit bei der Stadtreinigung benötigt man eine Ausbildung. „Wir werden noch in diesem Jahr 440 neue Stellen schaffen“, kündigt Siechau an. 350 Arbeitsplätze sollen im gewerblichen Bereich entstehen, für die keine Ausbildung erforderlich ist. Es geht um das Säubern von Straßen und Grünanlagen. „Dazu ist viel Handarbeit erforderlich“, sagt Siechau. „Wir arbeiten bei der Auswahl der Bewerber mit dem Jobcenter zusammen.“ Vor allem Langzeitarbeitslose sollen eine Chance bekommen.

Von den noch rund 5000 freien Ausbildungsplätzen sind 1500 in der Lehrstellenbörse der Handelskammer Hamburg und 1200 in der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer erfasst. Die meisten Betriebe müssen große Anstrengungen unternehmen, um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. „Die Unternehmen machen inzwischen mehr Kompromisse bei der Bewerberauswahl“, sagt André Mücke, Vizepräses der Handelskammer. So rücken Mängel der Schulabgänger zum Beispiel bei Orthografie oder den höheren Rechenfertigkeiten etwas in den Hintergrund. Um die Defizite auszugleichen, helfen die Ausbildungsbetriebe mit speziellen Unterstützungsprogrammen.

Die Handwerkskammer beklagt, dass die komfortable Lehrstellenlage bei den Bewerbern dazu führe, keine Alternativberufe mehr zu beachten. „Lieber warten sie ein ganzes Jahr, um sich dann erneut zu bewerben“, sagt Oliver Thieß von der Handelskammer. „Wer etwa Kfz-Mechatroniker für Pkw werden möchte, der zieht die andere Spezialisierung Nutzfahrzeuge gar nicht in Erwägung.“ Bei den sehr gefragten Berufen Kfz-Mechatroniker und Tischler wird das Handwerk überrannt. Aber für die Ausbildung zum Elektroniker sind noch 100 Lehrstellen unbesetzt. Das Handwerk fordert, dass die Berufsorientierung vor allem an den Gymnasien verbessert wird. „Es muss eine Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung geben“, sagt Thieß.

Auch bundesweit zeigt der Arbeitsmarkt eine deutliche Belebung. Die Zahl der Arbeitslosen sank im April auf 2,569 Millionen. Das sind 175.000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote beträgt 5,8 Prozent. „Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt setzt sich damit fort“, sagt der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. Die Nachfrage der Betriebe nach neuen Mitarbeitern nehme weiter zu.