Hamburg. Hamburger Firma A3M beliefert Reiseveranstalter mit Informationen über Tsunamis, Epidemien und Anschläge

In Deutschland ist alles im grünen Bereich, Kasachstan in Gelb ist mittelgefährlich, Libyen wurde mit der Alarmfarbe Rot markiert. Auf der Karte des Hamburger Unternehmens A3M können Kunden auf einen Blick die Risiken in Ländern einschätzen – sei es für Urlaubs- oder Geschäftsreisen. „Zu unseren Kunden gehören alle großen Reisekonzerne wie TUI, FTI und Rewe Touristik“, sagt Eigentümer und Geschäftsführer Tom Dillon.

Wenn eine Situation eskaliert, entscheiden die Krisenmanager der Touristikfirmen, ob sie die Urlauber ausfliegen. Sie bekommen angezeigt, was im Zielgebiet passiert ist und welche Hotels vom Ereignis betroffen sind. Über das A3M-System Global Monitoring können sie auf die Buchungsdaten zugreifen und direkt den Kunden anrufen oder eine SMS schicken.

Nach dem Tsunami 2004 wurde die Firma gegründet

Bei der Informationsbeschaffung arbeitet die Firma mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Dessen Reisehinweise werden ebenso verarbeitet wie die Meldungen von Nachrichtenagenturen und Einträge aus den Sozialen Medien. „Unsere Dienstleistung besteht darin, dass wir täglich bis zu 60 Daten bekommen, die wir ins System einpflegen“, sagt General Manager und Mitgesellschafter Marcel Brandt, 39. Dafür sitzen in der Redaktion in Tübingen zehn festangestellte Mitarbeiter, die jeden Tag 24 Stunden lang die Weltlage im Blick haben.

Zwei Professoren gründeten A3M in der Universitätsstadt als Folge des Tsunamis im Indischen Ozean 2004 mit rund 230.000 Toten. „Sie haben sich gefragt, wie kann es sein, dass acht Stunden nach dem Erdbeben im Zeitalter von Handy und SMS so eine Welle Tausende Menschen töten kann“, sagt Dillon. Daher baute die Firma ein Frühwarnsystem für Tsunamis auf.

Der Ire, der Mitte der 80er-Jahre nach Hamburg kam und jahrzehntelang technische Lösungen für die Reisebranche entwickelte, übernahm 2008 das Unternehmen. „Es gibt viel mehr Ereignisse als Tsunamis, die einen Urlaub beeinflussen“, sagt der 59-Jährige und weitete das Angebot aus auf heute rund 40 Kategorien – ob Hitzewelle, Schneesturm, Dürre, Hochwasser, Streik, Epidemie, Piratenüberfall, Terroranschlag, Explosion oder nuklearer Zwischenfall.

Als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull im Frühjahr 2010 ausbrach, eine Riesenaschewolke ausstieß und der Flugverkehr in Europa tagelang beeinträchtigt war, zeigte sich das Informationsloch der Touristikkonzerne. „Das hat die Reisewelt auf den Kopf gestellt, die waren richtig lahmgelegt“, sagt Dillon. In enger Abstimmung mit TUI aus Hannover wurde das heutige System erarbeitet. Dillon: „Wir sind einzigartig, in der Reisebranche gibt es kein Unternehmen, das so etwas anbietet.“

Immer wichtiger wurden für A3M zuletzt die Geschäftsreisenden. In der Kartei stehen rund 50 Firmen, deren Mitarbeiter bei Auslandsaufenthalten ständig über die Sicherheitslage informiert werden. „Wir haben einen Kunden, der seit Jahren in Bagdad ist. Der muss wissen, wo ganz genau es zu welchen Zwischenfällen kam. Wir können das leisten“, sagt Brandt. Manchmal gehe es aber auch nur um richtige Verhaltensweisen. „In welches Taxi kann ich einsteigen, wo kann ich Geld abheben.“

Bezieher des Dienstes kommen aus der Auto- oder der Zuliefererbranche und der Industrie – auch aus dem Ausland. Nennen darf A3M Kärcher (Reinigungsgeräte) und Uvex (Helme). Die Kunden erhalten über einen eigenen Zugang die für sie gefilterten Daten. Dafür zahlen sie zwischen 100 und mehreren Tausend Euro im Monat. „Die Aufmerksamkeit für das Thema ist stark gestiegen, die Zahl der Kunden wächst als Folge davon auch“, so Dillon. Den Umsatz möchte er nicht nennen, nur dass er im „ordentlichen Millionenbereich“ liegt. Auch unterm Strich sehe es gut aus. „Aufs Jahr gesehen machen wir Gewinn.“ Allerdings sei in der Anfangszeit viel Geld in die technische Entwicklung gesteckt worden. Bis die eingespielt seien, dauere es noch ein paar Jahre.

Der Standort Hamburg soll ausgebaut werden

Ab Juni soll es eine App geben, die auf Privatleute zielt. Wer zum Beispiel auf einer zweiwöchigen Reise über aktuelle Ereignisse per SMS informiert werden möchte, zahlt dafür 3,90 Euro. Das Jahresabo könnte bei 25 bis 30 Euro liegen. Über das GPS-Signal des Handys erfährt die Redaktion in Tübingen, wo sich der Reisende befindet.

Der Standort Hamburg soll ausgebaut werden. Bisher sitzen fünf der 25 Mitarbeiter am Alten Fischmarkt (Altstadt) und sorgen für Vertrieb und Administration. Gesucht werden Informatiker und Social-Media-Experten. Auch der Aufbau einer zweiten Redaktion hier sei möglich. Dillon überlegt, den Service zu erweitern – wenn Touristen und Geschäftsleute bereit sind, mehr Daten preiszugeben. Zum Beispiel könnten Blutgruppen und Allergien erfasst werden, um im Notfall schnell handeln zu können. Dillon: „Die Platzhalter dafür sind im System vorhanden.“