Hamburg. Aufwendige Reparatur des Flugzeug-Oldtimers steht kurz vor dem Abschluss. Monteure arbeiteten insgesamt rund 20.000 Stunden
Die Vorfreude steht Uwe Wendt ins Gesicht geschrieben, wenn er von seiner blechernen Liebe erzählt. „Der Sound der Sternmotoren ist einmalig“, sagt der Chefpilot der Flugzeuglegende „Tante Ju“ mit funkelnden Augen. Auf das Geräusch musste der 49-Jährige aber lange verzichten. Seit September 2015 steht die Junkers Ju 52/3m in einer Halle von Lufthansa Technik in Groß Borstel. Die alte Dame hatte Rücken. Ein Mittelholm im Flügel war gebrochen. Das zog eine aufwendige Reparatur nach sich. Nun soll der Oldtimer aber bald wieder fit sein. Wendt: „Wir machen Ende April die Testflüge.“
Für einen Ausflug ins Freie reichte es für „Tante Ju“ an ihrem 81. Geburtstag am gestrigen Donnerstag nicht. Das geplante Herausrollen aus der Halle musste verschoben werden. Auch wenn man im Vergleich zu ihrem Feiertag vor einem Jahr eine deutliche Verbesserung der Patientin feststellen konnte: Die Motoren sind nicht mehr auf Ständern platziert, sondern wieder am Flieger angebaut. Die Flügel liegen nicht mehr auf Holzpaletten, sondern sind am Rumpf montiert. Und Letzterer ist nicht mehr aufgebockt, sondern hat wieder Räder unter dem Bauch und steht auf dem eigenen Fahrwerk. Doch einige Restarbeiten stehen aus. „Es ist nicht so einfach, bei einem 80-jährigen Flugzeug in die Skelettstruktur einzugreifen und es an der Wirbelsäule zu operieren“, sagte Werner Knorr, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa Berlin Stiftung (DLBS), in deren Besitz die „Ju“ ist. Rund 20.000 Arbeitsstunden steckten Werkstattleiter Thomas Grütjen und seine Kollegen in den Flieger. Im Sommer 2016 stand „Tante Ju“ schon vor ihrem Comeback. Doch bei einem wichtigen Ersatzteil wurden Haarrisse festgestellt. Die DLBS entschied sich für eine umfassende Sanierung. „Nun ist es ein fast runderneuertes Flugzeug“, sagt Knorr bei einer Feierstunde im Beisein von Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sowie den Ex-Vorstandschefs Jürgen Weber (Lufthansa) und August Wilhelm Henningsen (Lufthansa Technik).
Das Erneuerte fällt auf. Neben den Holmen wurde in den Flügeln der Unterbau und die Außenbeplankung erneuert. Weite Teile der Unterseiten sind im Gegensatz zum üblichen silber-schwarzen Look tarnfarbengrün. Die Monteure mussten die Bleche mit Wellenschliff aus Aluminium, die am Rumpf doppelt so dick sind wie an der Flügelspitze, selbst fertigen. Selbst das Werkzeug dafür war eine Eigenkonstruktion. Die Kosten stiegen in den siebenstelligen Bereich, sagt Grütjen. Weggeworfen wurde nichts. Selbst für kaputte Teile gibt es Verwendung, sie werden in Kisten gepackt und sind museumsreif. „Sämtliche Teile sind Denkmalgut“, sagt Grütjen. Schließlich hat „Tante Ju“ 2015 vom Denkmalschutzamt den bisher in der Luftfahrt einmaligen Status als „bewegliches Denkmal“ erhalten.
Das 18,90 Meter lange Flugzeug hat eine bewegte Geschichte. In frühen Jahren flog sie für Lufthansa, in Norwegen landete sie mit Schwimmern statt Rädern auf den Fjorden und sie brachte Mensch und Material zu Ölbohrcamps ins Amazonasgebiet. Anfang der 80er-Jahre entdeckten Lufthansa-Piloten die verfallene Propellermaschine in Florida. Der Konzern kaufte sie zurück, brachte sie 1984 nach Deutschland. In Hamburg schenkten ihr Mechaniker der Lufthansa Technik in einer zweijährigen Verjüngungskur ein zweites Leben – und jetzt sozusagen ein drittes.
Für Flugsaison in Hamburg sind Tickets fast ausverkauft
In den nächsten Wochen müssen die Monteure jetzt noch die letzten Arbeiten machen, beispielsweise Kabelbäume zu den Motoren legen, die Propeller fertig installieren und Elektrik und Elektronik überprüfen. Dann muss getestet werden, ob die neue Software mit der alten Technik harmoniert. Etwa 1500 Arbeitsstunden brauchen die acht Monteure noch, schätzt Grütjen. Selbst am Wochenende soll gearbeitet werden, damit Chefpilot Wendt und seine Kollegen am Monatsende nach langer Pause wieder abheben können.
Mindestens fünf Testflüge à 30 bis 60 Minuten wird es geben. Funktioniert die Technik, beginnen die regelmäßig notwendigen Schulungen für die insgesamt 23 Piloten. „Die ,Tante Ju‘ zu fliegen, ist unser Hobby, zwei bis drei Tage pro Monat machen wir das“, sagt Wendt, der normalerweise für Lufthansa einen Airbus A340 zu fernen Zielen wie Shanghai und Bangkok steuert. Die „Ju“ mache aber mehr Spaß. „Das ist etwas fürs Herz. Wir werden überall mit einem Lächeln empfangen.“
Mitte Mai fliegt die Maschine in die Niederlande. Dort erhalten die grünen Flügel ihre typische Lackierung. Die Saison startet Anfang Juni mit einem Flug von Fuhlsbüttel nach Dessau, in die Geburtsstadt der Maschine. In Hamburg gibt es die ersten Rundflüge ab dem 15. Juni. Die schlechte Nachricht: Bis auf einen Streckenflug nach Hannover Mitte Oktober für 219 Euro sind alle 16 Passagierplätze an Bord für rund 40 Trips ausverkauft. Wer kein Ticket hat, muss also auf die Zukunft hoffen. Zwar hat „Tante Ju“ in ihren 31 Jahren im Dienste der DLBS schon mehr als 300.000 Fluggäste befördert, ihr Ende als fliegendes Denkmal soll aber in weiter Ferne sein, sagt Knorr: „Unsere ,Ju‘ ist jetzt wieder so fit – die wird auch ihren 100. Geburtstag noch fliegend erreichen.“