Berlin.

Dem Staat entgleitet zunehmend die Kontrolle über das Glücksspiel. Über das Internet drängen immer mehr Anbieter auf den Markt. Sie sind in Deutschland nicht zugelassen, entziehen sich aber faktisch der Regulierung, weil sie ihren Firmensitz auf Inselstaaten wie Malta haben, die Glücksspiellizenzen verkaufen. Sie werden in Deutschland de facto geduldet und dürfen sogar Werbung machen, sodass viele Spieler vermutlich nicht durchschauen, wer legal und wer womöglich illegal operiert. Legal, illegal, egal?

Den traditionellen Casinos, Spielhallen, Lotterien und den Sportwetten macht die Konkurrenz immer mehr zu schaffen. Sie kommt nach einer Studie des Handelsblatt-Research-Instituts auf Bruttospieleerträge von 2,3 Milliarden Euro im Jahr. Das ist die Höhe der Einsätze abzüglich der an die Spieler ausgezahlten Gewinne. Hinzu kommt der Schwarzmarkt. Das sind die Anbieter ohne Lizenz, die noch einmal 1,5 Milliarden Euro „erwirtschaften“ sollen.

Wirtschaftlich hat Glücksspiel eine hohe Bedeutung

Der regulierte Markt, zu dem die staatlichen Lottogesellschaften gehören, ist immer noch ungleich größer. Er kommt jährlich auf Erträge in Höhe von 10,4 Milliarden Euro. Trotzdem macht sich Unruhe breit: Der illegale Markt wird schneller, auch eröffnet die Digitalisierung ungeahnte Möglichkeiten.

Politisch hat das Glücksspiel einen hohen Igitt-Faktor. Spielsucht und ihre gesellschaftlichen Folgen sind ein Riesenproblem. Wirtschaftlich ist die Branche bedeutsamer, als viele Bürger vermuten. 75 Prozent der Deutschen haben schon einmal an einem kommerziellen Glücksspiel teilgenommen, ein Viertel der Bundesbürger sogar regelmäßig. Im regulären Bereich setzte die Branche in Deutschland 2014 etwa 35 Milliarden Euro um – mehr als die Pharmaindustrie und immerhin ein Viertel des Inlandsgeschäfts der Autohersteller. Die Unternehmen beschäftigen fast 200.000 Menschen, vor allem in den Spielhallen und in den Lotto-Annahmestellen. Auch sind die Anbieter aus dem Werbemarkt nicht mehr wegzudenken, am auffälligsten bei den Sportwetten.

Der Markt für Sportwetten entwickelte sich in einer rechtlichen Grauzone. Die Regulierung und ihr Vollzug seien „in Deutschland lückenhaft“, heißt es in der Studie. Auf den Bund und besonders die Länder wächst der Druck, entweder den Glücksspielmarkt stärker zu öffnen oder strenger zu regeln, aber dann auch illegale Anbieter zurückzudrängen, zum Beispiel mit der konsequenten Sperrung von Online-Seiten. Würden die nicht-regulierten Anbieter „weder verfolgt“ noch „in den regulierten Markt überführt“, würden sie sich „außerhalb der gewünschten Qualitätsanforderungen der deutschen Regulierung bewegen.“ Im Klartext: Dann hätte der Gesetzgeber keinen Einfluss darauf. Bis Mitte der 90er-Jahre war der Staat der einzige Anbieter von Glücksspielen. Unter dem Deckmantel der Suchtprävention unterhielt er ein Monopol und bestimmte, wer Glücksspiele anbieten konnte.

Der Fiskus kassiert jährlich Steuern und Abgaben von 5,3 Milliarden Euro, die großteils für wohltätige Zwecke und zur Förderung des Allgemeinwohls verwendet werden. Die höchsten Einnahmen (2015: 1,466 Milliarden Euro) werden durch die Lotteriesteuer generiert. Hinzu kommen 243 Millionen Euro an Sportwettsteuer, die – jetzt wird es paradox – vor allem von Anbietern kassiert wird, die in Deutschland gar keine Lizenz haben. Die Sportwettsteuer von fünf Prozent des Spieleinsatzes ist für Sportwetten in Deutschland zu entrichten, egal wo der Anbieter sitzt.

Zum regulierten Markt werden alle Angebote gezählt, die mit einer deutschen Glücksspielkonzession operieren: Dazu zählen Geldgewinnspielgeräte wie sie in Spielhallen und Gaststätten zu finden sind, staatliche Lotterien und Casinospiele in Spielbanken, Soziallotterien sowie die Sparlotterien der Sparkassen/Volks- und Raiffeisenbanken. Auch die Klassenlotterien der gemeinsamen Klassenlotterie der Länder (GKL), Sportwetten des Deutschen Lotto- und Totoblocks sowie Pferdewetten der Rennvereine und gewerblichen Buchmacher gehören dazu.