Papenburg. Auf der Meyer Werft in Papenburg lässt die Reederei Aida ein neues Schiff bauen. Es soll komplett mit Flüssigerdgas betrieben werden
Gedeckte Tische mit Champagnergläsern in einer riesengroßen Halle auf der Meyer Werft in Papenburg. Mittendrin der Firmenpatriarch Bernard Meyer vor einem Schild mit der Aufschrift „S. 696 – Schiffbau, Nummer 696“. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als ein „neues Zeitalter der Kreuzschifffahrt“, wie Meyer verspricht. „Hören wir auf über Designs und Pläne zu diskutieren, fangen wir an zu brennen“, ruft er. Mit seinem Sohn Tim und dem Geschäftsführer von Deutschlands größter Kreuzfahrtreederei Aida, Felix Eichhorn, drückt Meyer dann einen Knopf, und ein Laserbrenner startet Funken stiebend damit, ein sechs Meter langes Stahlblech für einen Maschinenraum zuzuschneiden. So beginnt der Bau des weltweit ersten Kreuzfahrtschiffs, das komplett mit umweltfreundlichem Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden soll.
Fast auf den Tag genau zehn Jahre nachdem das erste bei Meyer gebaute Kreuzfahrtschiff, die „AIDAdiva“, die Werft verlassen hat, wird nun ein neues Schiff für Aida gebaut. Das zeigt ein Stück weit Kontinuität.
Der Baustart symbolisiert aber auch etwas völlig Neues: Denn eigentlich war Aida für die deutschen Werften schon verloren. Die asiatische Konkurrenz hat sich Mitte des vergangenen Jahrzehnts mit Niedrigpreisen angeschickt, den Deutschen die letzte Nische im Spezialschiffbau wegzunehmen: die großen Kreuzfahrtschiffe, die mit innovativer Technik und elegantem Innendesign besondere Herausforderungen darstellen. Nicht wenige befürchteten damals den Ausverkauf deutscher, maritimer Technologie, als Aida bekannt gab, die jüngsten beiden Schiffe seiner Flotte, die „AIDAprima“ und die im Juni ihren Betrieb aufnehmende baugleiche „AIDAperla“ auf der japanischen Werft Mitsubishi bauen zu lassen. Nur Meyer blieb damals ruhig. Zum einen weil die Orderbücher in Papenburg noch immer gut gefüllt waren. Zum anderen wusste Meyer, dass sich die asiatische Konkurrenz mit dem Auftrag sehr viel vorgenommen hatte.
Er behielt recht. Die Konkurrenz patzte. Mitsubishi hatte sich mit der komplizierten Konstruktion der beiden großen Schiffe übernommen. Mehrfach musste die Auslieferung verschoben werden. Gleich dreimal kam es in der Bauphase der „AIDAprima“ zu Bränden auf dem Schiff. Letztlich machte Mitsubishi mit den beiden Kreuzfahrtschiffen 1,4 Milliarden Euro Verlust. Seitdem setzt Aida wieder auf deutsche Wertarbeit. Das neue Projekt ist aber auch kein normaler Auftrag, sondern der Startschuss für eine größere Partnerschaft, die die Reederei mit der Papenburger Werft eingegangen ist. Ein zweites baugleiches Schiff soll 2021 folgen. Fünf weitere Schiffe mit LNG-Antrieb hat der US-Mutterkonzern von Aida, Carnival, für die Tochterunternehmen P&O und Costa Crociere geordert. Für Meyer ist das ein Riesenauftrag.
„Das ist eine große Herausforderung für uns, aber auch eine Freude“, sagt Werft-Chef Bernard Meyer. „Wir wollen mit den Schiffen der Branche etwas Neues, Besonderes zeigen.“ Zugleich sichere der Auftrag Tausende Arbeitsplätze, nicht nur an der Ems, auch bei der zu Meyer gehörenden Neptun-Werft in Warnemünde und bei der 2014 übernommenen STX-Werft im finnischen Turku, sagt er.
Denn der Bau der sieben Schiffe, die jeweils 2500 Kabinen haben werden und bis zu 6000 Passagiere befördern können, ist ein gemeinsamer Kraftakt. Die Stahlbleche der Aida-Schiffe werden in Papenburg zugeschnitten, dann nach Warnemünde transportiert. Dort entstehen zwei jeweils 120 Meter lange Mittelsektionen mit den komplett fertig gebauten Maschinenräumen. Bereits eingebaut sind die LNG-Motoren von Caterpillar – gefertigt in Kiel, zusammengebaut in Rostock und vertrieben über das Marketing in Hamburg. Die Mittelteile schwimmen dann nach Papenburg, wo die Schiffe gebaut werden.
Ähnlich läuft die Arbeitsteilung mit der Meyer-Werft in Turku. „Wir sind kein Konzern, wir sind immer noch ein mittelständisches Familienunternehmen, aber wir sind internationaler geworden“, sagt Tim Meyer, Geschäftsführer der Werft. Auch Aida profitiert von der Zusammenarbeit. Die Reederei verfolgt ein neues Konzept namens „Green Shipping“. Damit will Aida der Branche in Sachen Umweltfreundlichkeit eine Nasenlänge voraus sein.
Kreuzfahrten sind nämlich nicht nur erholsame Reiseerlebnisse, sondern wegen der hohen Emissionen auch umweltbelastend. Der Einsatz von Liquefied Natural Gas (LNG) als Brennstoff ersetzt die Verbrennung von Schweröl und ist deutlich umweltschonender. Die Kohlendioxid-Emissionen fallen um bis zu 25 Prozent geringer aus, Schwefeloxide und Feinstaub sowie Stickoxide werden um bis zu 100 Prozent gesenkt.
Doch wegen hoher Anfangsinvestitionen und einer fehlenden Infrastruktur zur LNG-Versorgung in den Häfen, kommt die neue Antriebsart nicht richtig in Schwung. Weltweit sind gerade einmal 80 LNG-Schiffe in Fahrt. Kreuzfahrer sind nicht darunter. „Es gibt großen Widerstand bei den Reedereien gegen LNG“, sagt Meyer, während sich der Laser durch den Stahl frisst. Umso dankbarer sei er Aida für den mutigen Schritt. „Wenn die anderen Reedereien sehen, dass sich Aida mit LNG in Häfen versorgen lassen und damit 14 Tage oder noch länger auf See auskommen kann, werden sie ihre Zurückhaltung vielleicht überwinden“, glaubt Meyer.
„LNG ist für uns der Antrieb der Zukunft“, ergänzt Aida-Präsident Eichhorn. „Mit dem Baustart des weltweit ersten LNG-Kreuzfahrtschiffes setzen wir nicht nur in Sachen Umweltfreundlichkeit neue Maßstäbe für die Zukunft. Wir eröffnen unseren Gästen zukünftig ganz neue Erlebniswelten.“ Damit meinte er nicht nur die 15 Restaurants und 23 Bars, die das neue Schiff haben wird. Kurios ist, dass man sich bereits für Reisen mit dem neuen Schiff vormerken lassen kann, obgleich es noch keinen Namen hat. So bleibt es erst mal bei S.696.