Hamburg. Discounter eröffnet Pop-up-Store für zehn Tage auf Hamburgs Edelmeile. 49,99 Euro für einen Kaschmirpulli
Lidl verkauft seine neue Damenbekleidungs-Kollektion an Hamburgs Edel-Meile Neuer Wall in der Nachbarschaft von Jil Sander, Hermès und Ermenegildo Zegna – jedenfalls für zehn Tage. Der Discounter eröffnet dort an diesem Donnerstag einen Pop-up-Store mit einer Verkaufsfläche von 200 Quadratmetern.
Draußen sucht man ein Lidl-Logo vergebens, drinnen findet es sich in dezentem Schwarz-Weiß und nicht im gewohnten Blau-Gelb-Rot. Angeboten werden dort insgesamt 44 verschiedene Teile, darunter die neu eingeführte Modelinie „Esmara Premium“. Die Preise der Kleidungsstücke und Accessoires unterscheiden sich allerdings deutlich von denen in den umliegenden Geschäften und passen schon eher zum Image eines Discounters: Die Spanne reicht von 5,99 Euro für einen Schal bis 49,99 Euro für einen Kaschmir-Pullover.
Mit der kurzfristigen Präsenz am Neuen Wall wolle man „Aufmerksamkeit erregen“ und auch neue Käuferkreise ansprechen, sagt Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland. „Die meisten der Menschen, die hier unterwegs sind, sind zwar ohnehin schon unsere Kunden, aber nicht unbedingt, wenn es um Bekleidung geht.“
Vom 19. September an ist die neue Premium-Kollektion in allen 3200 Lidl-Filialen in Deutschland erhältlich, im Online-Shop schon am 11. September. Angeboten werden unter anderem Pullover, Shirts, ein Kleid, Blazer und Stiefeletten. Den Stil beschreibt Bock als „skandinavisch-puristisch“. Es seien „Stücke, die man auch mit solchen von Prada oder Gucci kombinieren kann.“
Die Auswahl des Standorts für den Pop-up-Store fiel nach den Worten des Lidl-Managers nicht schwer: „Die Leute hier haben Geld und Stil. Außerdem wäre es schwer, woanders in Deutschland eine vergleichbare Ballung von Exklusivmarken zu finden.“
Lidl wie auch der Rivale Aldi sind im Bekleidungsgeschäft keine Neulinge. Mit Textilumsätzen von jeweils mehr als einer Milliarde Euro gehören beide nach Schätzungen des Fachblatts „Textilwirtschaft“ zu den Top Ten des deutschen Textilhandels. Die neue Premium-Kollektion, die noch um Stücke für Männer ergänzt werden soll, dürfte laut Bock einen zweistelligen Millionenbetrag beisteuern.
Auch der große Discounter-Konkurrent hat einen Versuch gestartet, sich im Bekleidungssektor etwas vom Billigheimer-Image zu lösen: Aldi Süd nahm im April eine von der Designerin Jette Joop entworfene Bekleidungslinie ins Programm, hier reichte die Preisspanne von acht bis 20 Euro.
Lidl schmücke sich zwar nicht mit einem bekannten Designernamen, der Pop-up-Store aber sei eine gelungene PR-Aktion, findet Peter Pirck, Gesellschafter der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg: „Lidl-Mode am Neuen Wall - auf den ersten Blick passt das nicht, und gerade darum redet man darüber.“ Lidl sei auch gut beraten, sich auf länger tragbare „Basic-Kleidungsstücke“ zu konzentrieren und nicht zu sehr auf junge Leute als Kunden zu setzen: „Bei ihnen ist H&M eine wahnsinnig starke Marke, die ganz nah an den aktuellen Trends ist. Da können andere kaum mithalten.“ Insgesamt könne das Premium-Konzept von Lidl durchaus funktionieren, entscheidend dafür werde die modische Attraktivität und die Qualität der Ware sein.
Zwar hatte Greenpeace erst 2014 Giftstoffe in Kleidung von Lidl und anderen Günstig-Anbietern nachgewiesen und Sozialstandards in der Produktion angeprangert, später aber Fortschritte bei Lidl gelobt. Inzwischen engagiere sich das Unternehmen im Rahmen verschiedener Initiativen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Produktionsland Bangladesch, so Bock.
Der aktuelle Vorstoß im Bekleidungssektor ist Teil einer größer angelegten Strategie der Discounter, ihr Image zu verbessern, denn sie haben zuletzt Marktanteile an die klassischen Supermärkte verloren. „Die Ansprüche der Kunden an das Einkaufserlebnis sind höher geworden“, erklärt Pirck. „Es wäre schwierig, heute mit einem Aldi-Laden, wie er vor 20 Jahren aussah, erfolgreich zu sein.“
Dabei habe sich das Image von Lidl zuletzt deutlich gewandelt, so Bock: „Wir werden jetzt positiver wahrgenommen.“ Die zehntätige Präsenz am Neuen Wall allein dürfte aber kaum dazu führen, Lidl als neue Premium-Marke zu etablieren. Das weiß auch Bock: „Ein Wandel im Kopf der Konsumenten dauert länger.“
Der Shop mit der Adresse Neuer Wall 41 ist bis zum 17. September von 10 bis 19 Uhr geöffnet, am Sonnabend bis 18 Uhr