Hamburg. Wirtschaftssenator Horch hält im Doppelinterview mit seinem Kieler Kollegen Meyer das Urteil für wegweisend bei großen Verkehrsprojekten

Schleswig-Holstein und Hamburg haben zurzeit einige gemeinsame Baustellen: Zu Lande ist das wörtlich zu nehmen mit dem Ausbau der A 7. Im übertragenen Sinne sind es in der Luft die zu spät in der Nacht landenden Jets am Flughafen und der Ärger von Anwohnern und am Wasser die schlechter laufenden Geschäfte im Hafen. Das Abendblatt sprach mit den beiden Wirtschaftsressortchefs der Länder, Senator Frank Horch (parteilos) und Minister Reinhard Meyer (SPD), im Hamburger Rathaus über die Probleme.

Experten fürchten angesichts des stagnierenden Welthandels und immer größerer Containerschiffe, dass Hamburgs Hafen zum Regionalhafen schrumpfen könnte. Wie wollen Sie eine derartige Entwicklung verhindern?

Frank Horch: Hamburg ist kein Regionalhafen, sondern Deutschlands Tor zur Welt. Und das wird der Hafen bleiben. Ich leugne die Schwierigkeiten, mit denen wir derzeit zu kämpfen haben, nicht. Viele Probleme wie beispielsweise die Krise in Russland oder das abgeschwächte Wirtschaftswachstum in China können wir aber nicht beeinflussen. Wir konzentrieren uns auf die Weiterentwicklung von Hamburgs Hafen als Universalhafen, der für eine der wirtschaftlich am stärksten wachsenden Wirtschaftsregionen Europas unverzichtbar ist. Im Übrigen halte ich nicht viel vom reinen Zählen von Containern.

Reicht das?

Horch: Daneben halte ich eine stärkere Ansiedlung von verarbeitender Indus­trie und von Wissenschaftseinrichtungen für zukunftsweisend. 3-D-Drucker zum Beispiel werden schon in naher Zukunft die Herstellung von Ersatzteilen oder einzelnen Bauteilen in der Nähe von Einsatzorten der Maschinen möglich machen. Warum also soll das nicht in einem Werk im Hamburger Hafen geschehen? Oder nehmen Sie die Entwicklung von Prototypen von Windkraftanlagen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein Entwicklungszentrum zum Beispiel von Siemens im Bereich unseres Hafens entsteht. Der Weg zu den Hamburger Hochschulen ist nicht weit.

Brunsbüttel würde gern ein Terminal bauen, an dem Flüssiggas(LNG)-Tanker entladen werden – ein Testfall für eine gute Zusammenarbeit norddeutscher Häfen?

Reinhard Meyer: Wir glauben, dass jeder Hafen seine Stärken einbringen sollte. Brunsbüttel ist für ein LNG-Terminal bestens geeignet und erfährt dabei auch Unterstützung aus Hamburg. Der entscheidende Punkt ist aber, dass Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam gute Bedingungen für die Ansiedlung von Unternehmen schaffen müssen. Für viele Unternehmen aus der Metropolregion ist Hamburgs Hafen unverzichtbar. Er ist auch der größte Arbeitgeber in Schleswig-Holstein. Es gibt aber auch Hamburger Unternehmen, die expandieren wollen und in der Hansestadt keine Fläche finden. Diesen Unternehmen können wir Gewerbeflächen bieten. Es geht darum, Hamburg und Schleswig-Holstein als gemeinsamen Wirtschaftsraum zu betrachten.

Warum hat Schleswig-Holstein Hamburg dann so lange hängen lassen, als es um die Umlagerung von Schlick in der Nordsee ging und setzt jetzt enge Grenzwerte?

Meyer: Eine Kooperation ist gut, wenn sie auch in schwierigen Zeiten funktioniert. Wir hatten eine schwierige Ausgangssituation, haben hart verhandelt und am Ende eine vernünftige Lösung gefunden. Hamburg kann seinen Hafenschlick wieder in der Nordsee umlagern und zahlt dafür einen akzeptablen Preis.

Horch: Harte Verhandlungen über ein umweltverträgliches Verfahren sind für mich kein Problem. Wir halten die geforderten Grenzwerte ein und dokumentieren diese. Ich habe dafür Verständnis, dass Schleswig-Holstein Naturschutzinteressen berücksichtigt.

Im Dezember entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die erneute Elbvertiefung. Was passiert, wenn sie nicht kommt?

Horch: Ich bin sehr optimistisch, dass das Gericht grünes Licht für die Vertiefung geben wird. Es gibt jetzt eigentlich nichts mehr, was wir nicht getan haben, um die Natur und die Deiche zu schützen. Diese Maßnahmen sind aus unserer Sicht mehr als ausreichend. Letztlich wird in Leipzig mit der Elbvertiefung auch über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands entschieden.

Ist es wirklich so dramatisch?

Horch: Der Hamburger Hafen und seine Zukunftsfähigkeit sind von übergeordneter Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft. Für ein Gericht ist das eine hohe Verantwortung, denn damit wird auch ein Weg gewiesen, ob große Infrastrukturprojekte überhaupt noch umgesetzt werden können.

Kommen wir zu einem anderen Hafen, dem Flughafen. Zuletzt haben sich die Klagen über zunehmenden Lärm gehäuft.

Meyer: Die Zahl der Flugzeuge, die nach 23 Uhr landeten, hat zuletzt deutlich zugenommen, und den Ärger der Anwohner sowohl in Hamburg als auch in Schleswig-Holstein kann ich nachvollziehen. Darüber muss der Flughafen mit den Fluglinien reden. Es betrifft vor allem Airlines, deren Maschinen planmäßig zwischen 22 und 23 Uhr landen sollten, sich dann aber verspäteten. In Ausnahmefällen geht das in Ordnung, aber es darf nicht zur Regel werden.

Horch: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Zahl der Verspätungen zu minimieren. Zum einen wirken wir auf die Fluggesellschaften ein, ihre internen Abläufe zu überprüfen. Zum anderen wollen wir, dass Fluggesellschaften sich an unserer Pünktlichkeitsoffensive beteiligen und so ein eigenes Interesse entwickeln, pünktlich zu sein.

Wie verhält es sich mit Strafzahlungen für verspätet gelandete Maschinen?

Horch: Es werden schon jetzt deutlich erhöhte Entgelte für verspätete Maschinen erhoben und ich schließe nicht aus, dass diese – natürlich mit Augenmaß – noch erhöht werden. Ebenso sind die Gebührensätze für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen erhöht worden und Verstöße gegen die Betriebszeiten werden verstärkt verfolgt. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen: Die Konkurrenz unter den Flughäfen ist hart. Unsere Maßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass Airlines abwandern.

Meyer: Für uns ist es wichtig, dass auch der Flughafen alles unternimmt, die Lärmbelästigung so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört, mit den Anwohnern und den Bürgerinitiativen im Gespräch zu bleiben. Dazu gehört sicher, die Preise für Landungen nach 23 Uhr weiter zu erhöhen. Notwendig ist aber auch die Kompromissbereitschaft der Anwohner. Vorschläge der einen Bürgerinitiative dürfen nicht zulasten von Anwohnern in anderen Gebieten gehen.

Wäre es nicht sinnvoll, die früheren Pläne, in Kaltenkirchen einen neuen Flughafen zu errichten, wieder aufleben zu lassen?

Horch: Die Idee, in Kaltenkirchen einen Flughafen zu bauen, ist tot – auch wenn der Hamburger Flughafen die dort vor Jahrzehnten gekauften Flächen erst einmal behalten wird. Wir setzen darauf, Hamburg zu einem europäischen Flughafen mit moderatem Wachstum weiterzuentwickeln. Zu einer Abdeckung von Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung auf der einen Seite gehört aber sicherlich auch, auf der anderen Seite mit den betroffenen Anwohnern über Lärmschutz zu sprechen. Was nicht geht, sind Maßnahmen, die die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Flughafens gefährden. Ein Verzicht auf Kurzstreckenflüge, beispielsweise zu dem wichtigsten deutschen Drehkreuz nach Frankfurt/Main, das geht nicht.

Meyer: Ich wünsche mir, dass wir für die Zukunft eine Kooperation zwischen dem Flughafen in Hamburg und Lübeck nicht ausschließen. Möglicherweise lässt sich der Hamburger Flughafen in Spitzenzeiten dadurch entlasten, dass einige Jets Lübeck anfliegen. Spätestens wenn die A 20 mit der A 7 verbunden ist, wird eine rasche Busverbindung zwischen beiden Flughäfen möglich.

Auf der Autobahn 7 wird zwischen dem nördlichen Ausgang des Elbtunnels und dem Kreuz Bordesholm derzeit an vielen Stellen gebaut. Es gab große Sorgen angesichts des Sommerreiseverkehrs. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?

Horch: Ich bin sehr zufrieden. Zum einen haben Hamburg und Schleswig-Holstein bei Planung und Durchführung der Bauarbeiten eng zusammengearbeitet. Zum anderen nutzen wir Erfahrungen früherer Großbaustellen. So wird sichergestellt, dass fast immer sechs Fahrspuren zur Verfügung stehen. Zudem sind die Spuren breiter, was die Sicherheit für die Autofahrer erhöht. Inzwischen kommen Anfragen aus anderen Bundesländern, die von unseren Erfahrungen profitieren wollen. Dass es auch Staus gibt, lässt sich nicht vermeiden. Immerhin sind im Durchschnitt am Tag bis zu 150.000 Fahrzeuge auf Teilen der Strecke unterwegs.

Werden die Bauarbeiten wie geplant Ende 2018 fertig?

Meyer: Ich gehe davon aus, dass Via Solutions Nord, das ist das Konsortium, das die Bauarbeiten durchführt, rechtzeitig fertig sein wird. Was richtig ist: Das Unternehmen hat bei der Sanierung von Brückenbauwerken Planung und Umsetzung unterschätzt. Das ist inzwischen geklärt. Zudem ist klar: Wenn Via Solutions Nord später fertig wird, muss das Unternehmen eine Strafe in erheblicher Höhe bezahlen. Die Motivation, pünktlich fertig zu werden, ist deutlich zu spüren.

Auch in Hamburgs Innenstadt wird an fast jeder Ecke gebaut. Täuscht das Gefühl oder wird auf Hamburgs Straßen so viel gebaut wie lange nicht?

Horch: Ihr Gefühl täuscht nicht, wir haben eine angespannte Situation. Hamburg gibt derzeit pro Jahr rund 70 Millionen Euro für die Erneuerung und Instandhaltung seiner Straßen aus. Das ist notwendig, weil in den vergangenen Jahrzehnten die Verkehrsinfrastruktur vernachlässigt wurde. Allerdings machen die Straßenplaner einen guten Job. Für die Vielzahl der notwendigen Bauarbeiten läuft der Verkehr in Hamburg zufriedenstellend.