Hamburg. Zinsen für Immobilienfinanzierungen sinken auf Rekordtief. Aber Neugeschäft läuft nicht mehr so gut

Immobilien bleiben bei Deutschen stark gefragt. Trotz ständig steigender Preise wollen immer mehr Bürger in die eigenen vier Wände investieren. „Der Entschluss für Wohneigentum wird vor allem im Alter zwischen 25 und 45 Jahren getroffen“, sagt Dieter Jurgeit, Vorstandsvorsitzender der PSD Bank Nord. Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts wollen in dieser Altersgruppe 47 Prozent eine Immobilie kaufen oder ein eigenes Haus bauen. Genügend neue Kunden für die Banken. Vor allem die Zinsentwicklung spricht für den Immobilienerwerb. Denn die eigenen vier Wände können inzwischen für weniger als ein Prozent Zinsen finanziert werden. Zumindest wenn die Kunden einen großen Anteil Eigenkapital mitbringen.

Bei einem Objekt, das mit den Erwerbsnebenkosten rund 455.000 Euro kostet und einem Eigenkapital von 160.000 Euro beträgt der Zinssatz bei zehnjähriger Zinsbindung bei den günstigsten Baugeldvermittlern wie Dr. Klein oder Interhyp 0,92 Prozent und bei der Postbank 0,95 Prozent. Knapp 300.000 Euro Kredit können so mit einer monatlichen Rate von rund 960 Euro (bei drei Prozent Tilgung) finanziert werden. „Baugeld ist damit so günstig wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik“, sagt Michiel Goris, Vorstandsvorsitzender der Interhyp AG, Deutschlands größtem Vermittler privater Baufinanzierungen.

Mit Baufinanzierungen verdienen Banken noch Geld

Wer in diese Finanzierung nur 100.000 Euro Eigenkapital einbringen kann, zahlt nur geringfügig höhere Zinsen. Bei einem Zinssatz von 1,12 Prozent kosten 355.000 Euro Kredit bei gleicher Tilgungsleistung monatlich rund 1200 Euro. Auch das ist kaum mehr als viele in Hamburg für die Miete ausgeben. Allerdings ist die Spannweite der Zinssätze sehr groß. Während der Zins bei der HypoVereinsbank 1,14 Prozent beträgt, nimmt die Deutsche Bank 1,64 Prozent.

Umso überraschender ist es, dass das Geschäft mit dem Baugeld bei den Banken nicht mehr so rundläuft, wie eine Umfrage des Abendblatts bei sieben regionalen und überregionalen Banken zeigt. Die Zuwachsraten bleiben deutlich hinter den Steigerungsraten des ersten Halbjahres 2015 zurück. Erste Institute melden einen Rückgang von bis zu acht Prozent bei neu vergebenen Immobilienkrediten. Während sich die Banken vor einem Jahr noch mit Steigerungsraten von rund 50 Prozent brüsteten, bleiben jetzt die Auskünfte zur Geschäftsentwicklung im Ungefähren. Die Deutsche Bank spricht zwar von „einer anhaltend starken Entwicklung“, meidet aber konkrete Zahlen. Im Vorjahr hatte das Institut noch einen Zuwachs von 50 Prozent im Neugeschäft bei Baufinanzierungen allein für die Region Hamburg vermeldet.

Bei der Hamburger Sparkasse stieg das Neugeschäft um zehn Prozent, im Vorjahr war es noch ein Drittel gewesen. Die Hamburger Volksbank meldet einen Zuwachs von sechs Prozent. Bei der Commerzbank stagniert das Geschäft. Die Sparda-Bank Hamburg und die PSD Bank Nord melden Rückgänge im Neugeschäft im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015. Noch sind das Krisenanzeichen auf hohem Niveau, aber für die Banken ist die Baufinanzierung fast das einzige Geschäftsfeld, wo sich noch Geld verdienen lässt. Ohne weiter steigende Baufinanzierungen gerät das Geschäftsmodell der Banken weiter unter Druck.

Zum Teil ist der Zuwachs bei den Baufinanzierungen auch nur der Ausdruck der stark gestiegenen Preise. „Die höheren Kaufpreise beeinflussen die neu beantragten Volumina tendenziell etwa stärker als die Anzahl der Verträge“, sagt Bernhard Westerhoff, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Hamburg. So stiegen in Hamburg die Preise für Einfamilienhäuser aus dem Bestand seit 2010 um 44 Prozent. Eigentumswohnungen verteuerten sich sogar um 65 Prozent.

Probleme haben einige Banken auch mit der neuen EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die seit März die Kreditvergabe erschwert. Denn jetzt muss von der Bank der gesamte Finanzierungszeitraum, also Jahrzehnte, betrachtet und dafür eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorgenommen werden. Wenn die negativ ausfällt, was von den Annahmen wie Familienplanung oder Arbeitslosigkeit abhängt, gibt es keinen Kredit. „Leidtragende sind primär junge Menschen, Selbstständige und Rentner, die nur noch erschwert Baufinanzierungszusagen erhalten“, sagt Stephan Scharfenorth, Geschäftsführer des Baufinanzierungsportals Baufi24. Zwei von drei Hamburger Genossenschaftsbanken räumen wegen der neuen Richtlinie Probleme bei der Bau­finanzierung ein. „Es ist zu einzelnen Ablehnungen von Krediten gekommen, die es vor der Einführung der neuen Verbraucherrichtlinie nicht gegeben hätte“, sagt Westerhoff von der Sparda-Bank Hamburg. Dagegen sagt Sönke Karwei von der HypoVereinsbank in Hamburg: „Die Richtlinie hat bislang keine negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe für unsere Kunden.“

Insgesamt bleiben die Hamburger Banken optimistisch. Viele Faktoren sollen das Geschäft mit Immobilien beflügeln. „Wir gehen von anhaltend niedrigen Zinskonditionen aus“, sagt Immobilienexperte Christian Koplin von der Haspa. „Angesichts der extrem lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und der mittlerweile negativen Renditen bei Bundesanleihen ist in den kommenden Monaten sogar mit leicht fallenden Zinsen zu rechnen“, erwartet Stefan Knoll, Leiter Privatkunden der Region Nord von der Deutschen Bank. Die HypoVereinsbank rechnet mit weiteren Preissteigerungen in Hamburg, auch an bisher weniger gefragten Standorten wie Harburg und Bergedorf.

Gleichzeitig konkurrieren verschiedene Gruppen um die begehrten Immobilien. „Der Markt ist hart umkämpft zwischen Kapitalanlegern und Selbstnutzern“, sagt Frank Oetjen von der Hamburger Volksbank. Nach der Studie der PSD Bank Nord steht bei der Generation 45+ der Erwerb einer größeren und schöneren Wohnung im Vordergrund. 71 Prozent von ihnen sehen die Immobilie als Altersvorsorgeobjekt und krisensichere Anlage. „Bei der jüngeren Generation sind dagegen die Familienplanung und die Unabhängigkeit vom Vermieter ausschlag­gebend “, sagt Jurgeit.

Zwei Drittel der Deutschen fürchten Ratenausfälle

Nach dreijähriger Entwicklungsarbeit hat die Hamburger Bank die nach eigener Darstellung flexibelste Baufinanzierung auf den Markt gebracht. Fast zwei Drittel der Bundesbürger haben wegen möglicher Ausfälle bei den Ratenzahlungen Bedenken, einen Immobilienkredit aufzunehmen. „Wir bieten deshalb als erste Bank jetzt eine Ratenpause an und das bis auf Weiteres ohne Zusatzkosten“, sagt Jurgeit. Während der gesamten Laufzeit kann die Rate sechsmal für je einen Monat ausgesetzt werden. Das kann sinnvoll sein, wenn plötzlich größere Reparaturen anstehen oder zur Entlastung während der Elternzeit. „Bisher können Kunden bei einzelnen Banken nur den Tilgungsanteil ihrer Finanzierung reduzieren, den Zinsanteil der Raten müssen sie aber in jedem Fall bezahlen“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung.

Flexibler wurde bei der PSD Bank Nord auch die Laufzeit der Finanzierung außerhalb der Standards von fünf, zehn oder 15 Jahren. Außerdem können bereits geleistete Regel- und Sonder­tilgungen für Modernisierungen oder Erweiterungen wieder als zusätzlicher Kredit abgerufen werden. Mehr Flexibilität soll auch eine Finanzierungs­reserve von zehn Prozent der Darlehenssumme bringen. „Mit den neuen Bausteinen entsprechen wir dem, was Kunden an Flexibilität erwarten“, sagt Jurgeit. So will er im Geschäft mit Baufinanzierungen wieder auf die Überholspur kommen.

Für die Kreditrate und die Nebenkosten der Immobilie wie Grundsteuer, Heizung, Wasser sollen nicht mehr als 40 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens aufgewendet werden, raten Verbraucherschützer.

Die Nebenkosten dürfen nicht unterschätzt werden. Maklerprovision, Grunderwerbssteuer und Notarkosten können sich auf rund zwölf Prozent summieren. Ein Haus für 400.000 Euro kostet so knapp 48.000 Euro mehr.

Die Zinsbindung über zehn Jahre ist jetzt besonders günstig. Doch auch Zinsbindungen über 15 Jahre sollten berücksichtigt werden. Der Zinssatz beträgt zwischen 1,60 und 1,80 Prozent.

Förderkredite mit 0,75 Prozent Zinsen gibt es von der KfW, wenn bestimmte Energiestandards eingehalten werden.