Hamburg. Bundesverkehrsministerium fördert Projekte in der Hansesstadt zum automatisierten Fahren. Autos suchen sich Parkplätze künftig selbst
Auf Autobahnen wird automatisiertes Fahren bereits getestet. Auf der A9 etwa zwischen München und Ingolstadt rollt der Verkehr relativ gleichmäßig geradeaus. Da kann ein Fahrer schon für einige Zeit das Steuer einem Computer überlassen. Doch was können diese Autopiloten im hektischen Stadtverkehr? Wo sich das Tempo ständig ändert, plötzlich entgegenkommende und querende Fahrzeuge berücksichtigt werden müssen? Wo Ampeln, Radfahrer und spielende Kinder, die auf die Straße laufen, einzurechnen sind? Hamburg soll das herausfinden. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums wird die Hansestadt an einem neuen Förderprogramm zur Erforschung automatisierter Fahrsysteme teilnehmen. Außerdem beteiligen sich auch München, Ingolstadt, Dresden, Düsseldorf und Braunschweig an dem Feldversuch.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gibt die Richtung vor: „Automatisiertes Fahren soll nicht nur im Labor, sondern im Realverkehr entwickelt werden. Dazu wollen wir Straßen in den Innenstädten mit Sensorik und neuen Mobilfunktechnologien ausstatten.“ Das heißt: Die Fahrzeugcomputer sollen über die Rechenzentren der Städte mit leistungsfähiger Verkehrsleittechnik verbunden werden und so zum Beispiel Ampeln und Kreuzungen erkennen können. Bis 2020 stellt der Bund 80 Millionen Euro Forschungsförderung dafür bereit.
Hamburg hatte sich mit einer umfangreichen Strategie mit sechs Handlungsfeldern beworben. Dabei ist das selbstfahrende Auto nur eines von vielen Zielen. „Wir wollen urbane Modellregion für vernetztes Fahren werden“, sagte Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof dem Abendblatt. Neben dem intelligenten Fahrzeug sei dabei auch eine intelligente Verkehrssteuerung wichtig, etwa mit Ampeln, die mit den Fahrzeugen kommunizieren können.
Hamburg testet bereits im Hafen eine intelligente Ampel, die auf Fahrzeuge und Fußgänger reagiert und ihre Rot-Phasen auf deren Bedürfnisse ausrichtet. Ziel ist es, den Lkw-Verkehr flüssiger zu machen und Fußgänger schneller und sicherer durch das immer stärker befahrene Hafenareal zu leiten.
Das funktioniert über drahtlose Kommunikation: Fahrzeuge werden mit Computerchips ausgestattet. Fußgänger erhalten ein selbstklebendes Funketikett, das an der Tasche oder bei Kindern beispielsweise am Schulranzen angebracht werden kann. Diese Minichips werden von den intelligenten Ampeln erkannt und der Verkehr je nach Andrang gesteuert.
Doch die Strategie umfasst mehr: Beispielsweise eine intelligente Infrastruktur. Brücken könnten Informationen über ihre Tragfähigkeit weitergeben. Der Winterräumdienst der Stadtreinigung könnte über Temperatur- informationen der Fahrzeuge auf Hamburgs Straßen viel schneller erfassen, wo er zum Streuen anrücken muss. Zu den Überlegungen gehört aber auch eine neue Form des Parkplatzmanagements: Intelligente Autos sollen am Ende nicht nur autonom fahren können, sondern auch wissen, wo freie Parkplätze sind, die sie dann selbstständig ansteuern. Auch weitere Mobilitätsangebote wie schnelle Umsteigeverbindungen in Bus und Bahn oder das Car-Sharing seien Teil des Netzes, so Rieckhof.
Hamburg sei in dem Programm nicht nur Anwenderstadt, sondern auch Kompetenzzentrum, sagte der Staatsrat. Schließlich habe hier der Chiphersteller NXP seinen Sitz, der an Systemen für intelligente Fahrzeuge und Ampeln arbeite. Die Förderung durch den Bund sei also nicht nur aus verkehrlichen Gründen wichtig, sondern „praktizierte Wirtschaftsförderung“.
Für den Logistik-Standort Hamburg aber auch für ganz Deutschland habe dieses Forschungsfeld große Bedeutung: „Es geht darum, wo künftig die Wertschöpfung stattfindet. Und den deutschen Autobauern ist klar, dass ihnen von den Internetfirmen in Kalifornien große Konkurrenz droht“, so Rieckhof. Deshalb müsse man schnell sein.
Im Übrigen sei die gesamte Strategie Teil der Bewerbung Hamburgs um den Weltkongress ITS (Intelligent Transport Systems) der im Jahr 2021 stattfinden soll. Auch Hamburgs Bewerbung wird von der Bundesregierung unterstützt.
Schon weit gediehen ist unterdessen ein Pilotprojekt der Hafenverwaltung HPA mit dem VW-Konzern für autonomes Fahren von Lkw im Hafen. Das auf drei Jahre angelegte Projekt sieht mehrere Stufen vor: Zunächst soll auf einer abgesperrten Strecke die Zuverlässigkeit der Roboter-Lkw getestet werden. Diese können mithilfe verschiedener Sensoren ihre Position auf der Straße bestimmen, das eingegebene Ziel ansteuern und Kollisionen auf dem Weg dorthin vermeiden. In einem weiteren Schritt könnten diese führerlosen Transportfahrzeuge für einen Einsatz auf häufig gefahrenen Strecken getestet werden, etwa als Shuttle-Service zum Leercontainerdepot. Die großen Terminals HHLA und Eurogate sind zunächst allerdings außen vor, weil der laufende Betrieb nicht gestört werden soll.
Der Hafen eigne sich als abgeschlossener Raum besonders gut für diese Untersuchung, „weil die Umwelt dort anders als im Rest der Stadt weniger komplex ist“, heißt es in der Verkehrsbehörde. Im Hafen spielten keine Kinder, gebe es keine Zebrastreifen und nur wenige Fahrradfahrer.