Hamburg. Hamburg Energie baut Produktion von grünem Strom kräftig aus. 22.000 Haushalte in der Stadt können so zusätzlich versorgt werden

Der Hamburger Hafen versorgt die Stadt mit vielen notwendigen Produkten. Kaffee, Früchte, Getreide werden von hier aus in der Stadt und in ganz Deutschland verteilt. Rohöl wird hier angeliefert und weiterverarbeitet, damit Maschinen und Motoren laufen. Die Kleidung, die wir tragen, wird in Fernost produziert und im Hafen umgeschlagen. Bald kommt ein weiteres Produkt aus dem Hafen, welches die Hamburger benötigen: Strom.

Der städtische Energieversorger Hamburg Energie investiert mehr als 33 Millionen Euro, um an verschiedenen Standorten im Hafen Windräder aufzustellen, die die Stadt mit Strom versorgen sollen. Insgesamt geht es um sechs Anlagen, die jeweils drei Megawatt Leistung haben. Zusammen können sie dann rund 22.000 Hamburger Haushalte mit „grünem“ Strom versorgen. Das umfangreiche Projekt ist Teil des Senatsprogramms „Smart Port“.

Die relativ hohen Kosten für die Windparks sind schnell erklärt: „Bei den Windrädern handelt es sich nicht um die üblichen Anlagen aus der Massenproduktion. „Es sind Weiterentwicklungen, die sich von den Windrädern auf der grünen Wiese unterscheiden“, sagt Michael Beckereit, Geschäftsführer von Hamburg Energie, dem Abendblatt. Anlass für die Neuentwicklungen sei der besondere Ort, an denen die Windräder sich künftig drehen. Drei werden beim Aluminiumwerk Trimet bei Altenwerder aufgebaut, drei weitere beim Stahlproduzenten Arcelor Mittal in Waltershof – also direkt dort, wo Menschen arbeiten und produzieren – und nicht wie üblich auf freiem Feld.

„Das verlangt ganz besondere Sicherungsmaßnahmen für den Fall einer Störung“, sagt Beckereit. „So sind alle Sicherheitssysteme dreifach vorhanden.“ Kommt es beispielsweise zu einem Brand in der Turbinengondel, gibt es nicht nur eine einzige Feuerlöschanlage, sondern drei unterschiedliche, die unabhängig voneinander arbeiten können.

Für Hamburg Energie bedeutet die Investition einen großen Schritt hin zum Energieerzeuger: Das Unternehmen wurde 2009 auf Wunsch des Senats als Tochterunternehmen von Hamburg Wasser gegründet. Es kann derzeit rund 40 Prozent des Stroms, den es in der Stadt verkauft, auch selbst produzieren. Den Rest kauft es an der Strombörse zu. Hamburg Energie verfügt derzeit bereits über sieben Windräder an verschiedenen Standorten sowie über Solarkraftwerke. „Mit unseren Anlagen können wir derzeit 100.000 Megawattstunden Strom erzeugen, unser Ziel sind aber 150.000. Und die erreichen wir mit den neuen Windkraftanlagen im Hafen“, sagt Beckereit. „Wir sind damit der einzige Energieanbieter in Hamburg, der seinen Strom zu einem großen Teil aus eigenen regenerativen Anlagen herstellt.“ Für ihn sei diese Investition in die neuen Windräder auch eine Imagefrage, mit der das Unternehmen bei den Kunden punkten wolle. „Wir zahlen keine Wechselprämien und sind nicht auf die Kunden aus, die ständig zwischen den Versorgern hin und her springen, um jeweils den günstigsten Tarif mitzunehmen. Wir bieten uns Kunden an, die langfristig mit regenerativer Energie aus der eigenen Stadt versorgt werden wollen“, sagt Beckereit.

Die Strategie wirkt offenbar: Hamburg Energie ist nach Vattenfall inzwischen der größte Energieversorger in der Stadt, mit nach eigenen Angaben 102.000 Strom- und 21.000 Gaskunden. Dennoch ist die Anschaffung der neuen Windräder für das mittelständische Unternehmen, das bei seinem Start 2009 vom Senat gerade einmal mit einer Million Euro Eigenkapital ausgestattet wurde, kein kleines Investment.

Doch Hamburg Energie ist finanziell mittlerweile deutlich besser aufgestellt. Das Unternehmen hat mit dem Wachstum der vergangenen Jahre sein Eigenkapital auf sieben Millionen Euro gesteigert. Weitere zehn Millionen Euro hat nun die Stadt Hamburg zugeschossen. Damit hat Hamburg Energie, das einen jährlichen Umsatz von 283 Millionen Euro macht, ausreichend Eigen­kapital, um sich bei Banken zu niedrigen Zinsen Kredite zu besorgen. „Wir sind in unserer Entwicklung so weit, sodass dies der erforderliche nächste Schritt war“, sagt Beckereit.

Zusätzliche Investitionen fließen in ein Forschungsprojekt, das Siemens zusammen mit Hamburg Energie und der Technischen Universität Harburg verwirklichen will. Dabei geht es um einen Wärmespeicher, in dem überschüssiger Strom, der vorübergehend nicht im Netz benötigt wird, zwischengespeichert werden soll. Dazu baut Siemens einen druckfesten Behälter voller Steine. Der überschüssige Strom treibt ein Aggregat an, das die Steine auf bis zu 800 Grad erhitzt. Benötigt man den Strom wieder, wird Wasser auf die Steine geleitet, das sofort verdampft und darüber eine Dampfturbine antreibt, die wieder Strom erzeugt. Die genauen Kosten des Projekts sind noch nicht klar. Es handelt sich aber um einen zweistelligen Millionenbetrag. Einen Teil davon will das Bundeswirtschaftsministerium übernehmen, das verschiedene Speichertechnologien testen lässt.

Für die ersten drei der sechs Windräder hat Hamburg Energie bereits die vorgezogene Baufreigabe erhalten. Sie sollen im Frühjahr 2017 den Betrieb aufnehmen. Die restlichen drei befinden sich noch in der Genehmigungsphase. Sie sollen dann im Laufe des kommenden Jahres folgen.