Hamburg. Der Einzelhandel leidet bundesweit unter der starken Online-Konkurrenz. Vor allem kleine Geschäfte stehen unter enormem Druck.

Erich Reimann

Die Konsumausgaben steigen, doch gleichzeitig gehen die Deutschen immer seltener einkaufen. Das gilt für den Bummel in der Innenstadt ebenso wie für den Einkauf beim Bäcker oder im Fleischerfachgeschäft nebenan. Der Einzelhandel beobachtet den Trend mit Sorge. Bei einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) klagten im Frühjahr mehr als 70 Prozent der Geschäfte in den Innenstädten über rückläufige Kundenzahlen.

Auch in Hamburg kennt man diesen Trend: „Die Kundenfrequenz ist nach Angaben unserer Mitgliedsunternehmen eindeutig rückläufig“, sagt Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg.

Bestes Wetter, trotzdem weniger Passanten

Die Marktforschung des Hamburger Maklerunternehmens Engel & Völkers liefert ebenfalls Hinweise, dass weniger Kunden in den Innenstädten unterwegs sind. Das Unternehmen lässt in großen deutschen Einkaufsstraßen regelmäßig die Zahl der Passanten innerhalb einer Stunde erfassen, zuletzt an einem Sonnabend Mitte April dieses Jahres. In Hamburg registrierten die Zähler dabei in fünf von sechs untersuchten Straßen weniger Menschen als bei der Zählung Mitte April 2015.

Allein an der Spitalerstraße (7564 Passanten) wurden knapp 400 Menschen mehr gezählt. An Mönckebergstraße, Poststraße, Gerhofstraße, am Neuen Wall und an den Großen Bleichen waren dagegen zwischen 100 und 550 Passanten weniger unterwegs – und das, obwohl an dem Zählsonnabend in diesem Jahr das Wetter ähnlich war wie am Vergleichstag 2015.

Einen Grund für den Kundenschwund in den Innenstädten sieht der HDE im stark wachsenden Onlinehandel. Der Verband warnt, dass in den nächsten Jahren bis zu 50.000 Läden in City-Lagen gefährdet seien. „Fachgeschäfte in der Innenstadt stehen durch den Onlinehandel sicher am stärksten unter Druck“, sagt die Hamburger Shoppingchefin Brigitte Nolte. Zuletzt mussten der Schreibwarenspezialist Schacht & Westerich und das Porzellanhaus Lenffer aufgeben.

Auch Supermärkten und Bäckereien schwinden die Kunden

Doch nicht nur in den großen Shoppingstraßen wird seltener gekauft. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) beobachtet seit Jahren, dass Verbraucher auch weniger häufig zum Einkaufen in den Supermarkt oder in Lebensmittel-Fachgeschäfte wie Bäckereien und Schlachtereien gehen – obwohl Lebensmittel bislang nur selten online gekauft werden.

Gingen die deutschen Konsumenten 2014 im Durchschnitt noch etwa 241-mal im Jahr in ein Geschäft, um Lebensmittel, Körperpflegeprodukte oder Reinigungsmittel zu kaufen, so ist die Zahl der Shoppingtrips inzwischen um fast sechs Prozent auf 228 gesunken. Die Zahl der Besuche in Fachgeschäften und auf Wochenmärkten ging laut GfK gar um zehn Prozent zurück. Grund für die schwindende Einkaufslust ist nach Einschätzung des GfK-Experten Wolfgang Adlwarth, dass im Berufsleben stehende Konsumenten weniger Zeit für den täglichen Einkauf haben oder aufwenden wollen.

Kunden wollen alles in einem Geschäft finden können

In der Altersgruppe der unter 40-Jährigen stehen durchschnittlich pro Jahr nur noch 173 Einkäufe von Produkten des täglichen Bedarfs auf der To-do-Liste. Gestresste Konsumenten nehmen Brot, Fleisch und Wurst gleich im Supermarkt mit. Ketten wie Edeka aus Hamburg oder Rewe profitieren vom Trend zum großen Einkauf in nur einem Geschäft, dem sogenannten One-Stop-Shopping.

Auch Discounter wie Aldi oder Lidl bemühen sich mit Backstationen, mehr Markenartikeln im Sortiment und Fleisch und Fisch in der Kühltheke, Kunden zu binden, die ihren Einkaufszettel in nur einem Geschäft abarbeiten wollen. So beklagt die Drogeriemarktkette Budnikowsky eine wachsende Konkurrenz durch Supermärkte, weil diese zunehmend klassische Drogerie­artikel anbieten. „Die Sortimente verschwimmen“, sagt Brigitte Nolte.

Zwar gibt es auch in Supermärkten weniger Käufer, aber die lassen mehr Geld an der Kasse. Die Verlierer der Entwicklung sind die Spezialisten. Seit 2004 sank die Zahl der Fleischer-Fachgeschäfte in Deutschland um knapp 4000 auf 14.000.