Hamburg. Anfangs gab es massive Widerstände. Aber Wirtschaftssenator Kern setzte sich durch

    Seinen Siegeszug begann der Container für die Abendblatt-Leser noch unter einem anderen Namen: Am 5. Mai 1966 wurde am Überseehafen in Bremen die erste Stahlbox vom Trailerschiff „Fairland“ der Sea Land Inc., New York gelöscht. Es war der Beginn eines regelmäßigen Container-Liniendienstes. Das Hamburger Abendblatt widmete dem Ereignis damals eine halbe Seite. Das Wort „Container“ nannte der Autor ungern, er wollte mit dem englischen Begriff wohl nicht seine Leser vergraulen. Lieber sprach er von „Großbehältern“, die damals noch von einem schiffseigenen Portalkran auf die Kaikante gehoben wurden. Aus feierlichem Anlass war der Bremer Senator für Schifffahrt und Verkehr, Georg Borttscheller, dabei. „Bis Mitte des Jahres sollen in der Bundesrepublik etwa 450 Großbehälter stationiert werden“, hieß es laut Bericht. Weder der Autor noch Borttscheller konnten ahnen, was sich daraus entwickeln würde.

    Heute, 50 Jahre später, ist der Container ein fester Begriff und zugleich die Basis der Handelsschifffahrt. Er ist quasi die Verpackung der Globalisierung. Weltweit sind 5000 Containerschiffe im Einsatz. Sie transportieren jährlich rund 129 Millionen Standardcontainer (TEU) rund um die Welt. Praktisch alles wird heute in Containern transportiert, sogar Flüssigkeiten. Ausnahmen sind übergroße Maschinen und Automobile, die von den Abmessungen her nicht in die Box passen.

    Was damals in Bremen begann, hat die Welt verändert. Das sieht man auch und ganz besonders in Hamburg. Bis zur Einführung der Container mussten Säcke, Kisten, Fässer einzeln an Bord gebracht und verstaut werden. Die Arbeit verrichteten ungelernte Hafenarbeiter. In den 60er-Jahren war Hamburg ein großer Fruchtumschlagplatz. Tagelöhner trugen die Bananenbündel von den Schiffen an Land, kontrolliert von dem im „Banana Boat Song“ von Harry Belafonte besungenen Tallymann. Mit der Einführung der Kühlcontainer änderte sich das. Den Tallymann gibt es nicht mehr – und ungelernte Kräfte hätten bei den großen Containerumschlagsbetrieben HHLA und Eurogate einen schweren Stand. Viele Jobs blieben auf der Strecke. Die Mitarbeiter brauchten eine besondere Qualifikation, um als Lascher zur Sicherung der Ladung, als Fahrer eines Van Carriers (Container-Hubwagen) oder als Containerbrücken-Fahrer zum Einsatz zu kommen. Hafenfacharbeiter wurde der Beruf genannt.

    Dabei dauerte es einige Zeit, bis das, was mit der Entladung der 228 Container tragenden „Fairland“ in Bremen begann, auch in Hamburg Einzug hielt. An der Elbe fand die Stahlbox zunächst wenige Freunde. „Diese Kiste kommt mir nicht in den Hafen“, sagte Ende der 1950er-Jahre der damalige Wirtschaftssenator Ernst Plate (FDP). Und auch in der Bürgerschaft herrschte die Stimmung vor: „Wenn der Container die Elbe hinaufkommt, dann stirbt der Hafen.“ Die Menschen fürchteten um viele Arbeitsplätze. Zudem hatten sie den Hafen gerade erst wieder aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs aufgebaut, mit neuen Schuppen wie dem Überseezentrum, vielen schmalen Kaizungen – alles Bauten, die man für den Container nicht benötigte.

    Ein Mann stellte sich gegen die allgemeine Stimmung und leitete den Wandel ein: Helmuth Kern (SPD), Wirtschaftssenator von 1966 bis 1976 und danach bis 1991 Chef des Hafenunternehmens HHLA. „Als ich das erste Mal im New Yorker Hafen Port Elizabeth den Containerumschlag sah, war mir sofort klar: Diese Transporttechnik wird die Welt revolutionieren. Der Warenumschlag wurde so viel schneller und effizienter als die herkömmlichen Methoden“, erinnert sich Kern im Gespräch mit dem Abendblatt.

    Wieder in Hamburg schrieb Kern seine allererste Vorlage an den Senat: Ausbau des Burchardkais zum Containerterminal. „Herr Kollege, hier gibt es keine Reedereien mit Containern und keine Containerschiffe. Wissen Sie eigentlich, was Sie da fordern?“, fragte damals Bürgermeister Herbert Weichmann (SPD). „Wenn wir solange darauf warten, bis die Containerschiffe die Elbe hinaufkommen, ist es zu spät. Wir müssen jetzt beginnen“, antwortete Kern ihm damals und behielt recht.

    Am 31. Mai 1968 legte mit der „American Lancer“ der Reederei United States Lines das erste Vollcontainerschiff im Hamburger Hafen an. Damals stand bereits die erste Containerbrücke am Burchardkai. Eine zweite war im Bau. Die „American Lancer“ hatte einen Tag Verspätung, weil es Tiefgangprobleme gab: Wegen starken Ostwinds war nicht genug Wasser im Hafenbecken. Eigentlich unvorstellbar: Die „American Lancer“ war 213 Meter lang und konnte 1187 Container tragen. Heute, nach mehrfachen Baggerarbeiten müssen Containerschiffe mit einer Länge von 400 Metern und einer Tragfähigkeit von 19.000 Containern in die gleichen Hafenbecken.

    Um den Ausbau des Hafens voranzutreiben, änderte Senator Kern damals die Hafenordnung. Er legte fest, dass die Stadt künftig nur noch den Infrastrukturausbau im Hafen zahlen muss. Für die Suprastruktur, also Kräne, Hallen, Fahrzeuge, waren künftig die Terminalbetreiber selbst verantwortlich. „Nur so konnten wir den Ausbau finanzieren. Die neue Hafenordnung war die Grundlage für das Wachstum des Hamburger Hafens, der Bremerhaven beim Containerumschlag bald überholen sollte“, sagt Kern heute.

    Auch für die Reedereien änderte sich mit der Stahlbox viel: Zunächst versuchten sie dem Vorstoß des Containers die Stirn zu bieten. Dazu schlossen der Norddeutsche Lloyd und die Hapag, die damals noch getrennt waren, gemeinsam mit der United States Line, der norwegischen Meyer Linie sowie mit Finnline eine Reedereiallianz. Ziel des losen Zusammenschlusses: Man verpflichtete sich, den Spediteuren gegenüber, die Fracht zu den gleichen Raten über die Meere zu transportieren wie die Container-Reedereien. Dies war ein ehrgeiziges Ziel, welches alsbald scheiterte: Die Kiste war nämlich nicht mehr aufzuhalten.

    Der Container beschleunigte die Fusion von Hapag und Norddeutschem Lloyd

    Der Containerverkehr erwies sich als deutlich billiger als der Stückguttransport. Hafenarbeiter brauchten damals einen ganzen Tag, um soviel Ladung vom Schiff zu löschen, wie mit einem Containerhub in wenigen Minuten an Land ging. Schiffe und Hafenanlagen konnten besser ausgenutzt werden. Lager- und Transitzeiten verkürzten sich. Dem wachsenden Kostendruck beugten sich auch der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag). Die beiden führenden deutschen Reedereien beschlossen deshalb 1967, bei den Werften Blohm + Voss und Bremer Vulkan je zwei Vollcontainerschiffe mit einer Kapazität von je 736 Containern zu ordern. Die beiden Nordatlantik-Linien von Hapag und Lloyd wurden unter dem Namen Hapag-Lloyd Container Linien mit Sitz in Hamburg zusammengeschlossen. Es war die Grundlage der Fusion zur Hapag-Lloyd AG, die 1970 erfolgte.

    Vieles in Hamburg hat sich geändert, der Container ist gleich geblieben. „Dies ist eigentlich das erstaunlichste an den 50 Jahren, dass sich an der Box so wenig geändert hat“, sagt der Containervorstand der HHLA, Stefan Behn. „Es gibt natürlich verschiedene Größen und Containerarten. Aber das Prinzip ist das gleiche“, so Behn.

    Dass das so ist, daran war auch ein bekannter Hamburger Unternehmer beteiligt: Kurt Eckelmann. Der Gründer von Eurogate war 1964 Mitglied der internationalen Kommission zur Festlegung der Abmessungen des ISO-Standardcontainers, die heute noch gelten: Eine Blechbox ist ein Standardcontainer, wenn sie acht Fuß breit, 8.5 Fuß hoch und 20 Fuß lang ist – daher auch die international gängige Abkürzung TEU, was für „Twenty Foot Equivalent Unit“ steht.

    Immerhin dauerte es dann noch annähernd 20 Jahre bis der Containerumschlag im Hamburger Hafen die Millionengrenze erreichte. Im vergangenen Jahr waren es 8,8 Millionen TEU. Aller Anfang war schwer und hinterließ seine Spuren: „Das Bedienen einer Containerbrücke war für die Kranführer auch neu. Da sind schon komische Sachen passiert“, erinnert sich Senator Kern. Ein Arbeiter habe einmal die tonnenschwere Ladeluke eines Containerschiffs etwas unglücklich auf die Kaikante gehoben. Kern: „Die hing dann so schräg. Und als man nachschaute, was darunter lag, waren es die zerquetschten Überreste des Autos vom Kapitän.“