Berlin. Einer Umfrage zufolge ändern nur 15 Prozent der Sparer wegen der Niedrigzinsphase ihr Anlageverhalten. Sicherheit geht vor. Warum nur?

Die Mehrheit der Bundesbürger legt bei der Geldanlage einen größeren Wert auf Sicherheit als auf Rendite. Dies hat eine repräsentative Umfrage des TNS-Emnid-Instituts im Auftrag der Postbank unter rund 1000 Befragten ergeben, die unserer Redaktion vorliegt. Danach ist es 91,1 Prozent der Bürger wichtig, dass ihr Geld sicher angelegt ist. 87,7 Prozent der Anleger ist zudem die Verständlichkeit der Finanzprodukte wichtig.

Trotz anhaltender Niedrigzinsphase wollen derzeit nur 15 Prozent der Bundesbürger dieses Anlageverhalten ändern und beispielsweise in Aktien investieren. Lediglich 8,9 Prozent der Befragten haben ihr Geld aus niedrig verzinsten Anlageformen wie Sparbüchern oder Tagesgeldkonten in chancenreichere Anlagen umgeschichtet. Weitere 6,1 Prozent planen noch eine Umschichtung.

Nur bei jüngeren Befragten sieht man einen leichten Trend zum Aufgeben der alten Gewohnheiten. So haben 14,5 Prozent der 30-bis 39-Jährigen und 13,7 Prozent der 18- bis 29-Jährigen ihre Geldanlage geändert. Knapp jeder Fünfte ist dagegen davon überzeugt, dass er sein Geld optimal angelegt hat. 46 Prozent der Befragten haben überhaupt kein Geld angelegt.

Giro- und Sparkonten stehen in der Beliebtheit ganz oben

Die Mehrheit lässt ihr Geld auch auf Giro- und Sparkonten stehen, obwohl diese bereits seit Längerem kaum Zinsen abwerfen. So parken 46,8 Prozent der Bürger ihre Guthaben auf Girokonten, 39,8 Prozent auf Tagesgeldkonten und 33,3 Prozent auf klassischen Sparkonten. Nur 17,7 Prozent legen ihr Geld in Aktien an. 17,8 Prozent bewahren ihr Geld sogar zu Hause auf. Warum ist das so? Postbank-Experte Karsten Rusch ist überrascht, dass die Mehrheit der Deutschen nicht auf das Zinstief reagiert.

„Die Sorge, dass das Risiko einer Investition in Wertpapiere unkalkulierbar sei, ist unbegründet.“ Allerdings sollte man nur Geld investieren, auf das man langfristig verzichten kann, betont der Experte.

Ob das alle beherzigen, bleibt allerdings offen. Denn obwohl viele offenbar nur dem Sparbuch vertrauen, ist doch knapp jeder vierte Deutsche (23,5 Prozent) entschlossen, in „Beton-Gold“ zu investieren, also eine Immobilie zu erwerben. Besonders stark ist dieses Interesse bei den unter 40-Jährigen ausgeprägt. So wollen von den 18- bis 29-Jährigen sogar 41,3 Prozent ihr Geld in eine Immobilie stecken, unter den 29- bis 39-Jährigen sind es 36,8 Prozent.

Die Deutschen sind heiß auf Immobilien

Außerdem sind zwei Drittel der Deutschen (65,8 Prozent) überzeugt, dass die Vermietung einer Immobilie lukrativ ist. 22,3 Prozent der Bundesbürger nutzen bereits ein Haus oder eine Wohnung als Kapitalanlage. Dieser Verbraucherfokus auf Immobilien führt in der Niedrigzinsphase teils zu absurden Situationen. So nehmen einige Anbieter offener Immobilienfonds mittlerweile keine neuen Gelder der Anleger mehr an. Denn zu viel Liquidität ist für sie ein Problem. So steckten Privatanleger in offene Immobilienfonds im Januar 2016 rund 800 Millionen Euro an frischen Mitteln. Das ist nach Angaben des Branchenverbandes BVI der höchste Zufluss seit Dezember 2014.

Die Schwierigkeit dabei ist, dass die Konkurrenz um lukrative Immobilien als Anlageobjekte sehr groß ist. Es wird dadurch also komplizierter, die neuen Gelder schnell zu investieren. Eine hohe Liquidität an sich wirft wegen der Niedrigzinsen jedoch nichts mehr ab. So nimmt beispielsweise die Fondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken vorerst kein neues Geld der Kunden für ihre drei offenen Immobilienfonds mehr an – ausgenommen sind Sparpläne.

Wird es mit den niedrigen Zinsen noch ein Zeit lang weitergehen?

Experten gehen davon aus. Die Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, hatte im Dezember zwar erstmals seit der Krise die Zinsen von der Nulllinie angehoben. Doch aktuell ist von einer Zinswende nichts mehr zu spüren. Aus Sorge um die Weltwirtschaft beließ Yellen den Leitzins jüngst unangetastet in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,50 Prozent. Für 2016 rechnet die Fed jetzt nur noch mit zwei statt vier Zinsanhebungen. Dabei ist der US-Arbeitsmarkt robust, die Wirtschaft wächst.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte im Kampf gegen Konjunkturschwäche und Miniinflation im März nicht nur den Leitzins auf null gesenkt, sondern auch den Strafzins erhöht. Dieser wird fällig, wenn Institute bei der Notenbank Geld parken. Die Märkte hatten allerdings kaum reagiert, Bundesbankpräsident Jens Weidmann kritisierte die Maßnahmen als überzogen.

Union macht mobil gegen EZB-Politik

Auch in der Politik formiert sich Widerstand gegen die Politik der niedrigen Zinsen. Finanzpolitiker der Union forderten im „Spiegel“ klare Signale gegen die aus ihrer Sicht verfehlte Geldpolitik von EZB-Chef Mario Draghi.

„Wir müssen die EZB unter Rechtfertigungsdruck setzen, sonst ändert sich nichts“, sagte Unionsfraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU). „Wir sind noch nicht laut genug“, sagte auch der CDU-Politiker Michael Fuchs. Die Koalition müsse nun deutlich sagen, dass sie die Zinspolitik von Zentralbankchef Mario Draghi für falsch halte. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) blies ins selbe Horn: „Die Bundesregierung muss einen Richtungswechsel in der Geldpolitik einfordern.“

EZB-Direktor Yves Mersch verteidigte am Samstag die Maßnahmen der Zentralbank. Diese erfüllten die dafür vorgesehenen drei Kriterien. So müssten sie passend sowie notwendig sein, und überdies müssten die erwarteten Vorteile die damit verbundenen Nachteile überwiegen.