Hamburg. Seit heute gilt eine neue EU-Richtlinie. Sie soll Kunden schützen, kann aber dazu führen, dass sie kein Darlehen bekommen.

Eine Immobilie besichtigen, dann schnell zur Bank und gleich einen Kreditvertrag unterschreiben. So zügig wird es künftig nicht mehr gehen, obwohl im teuren Hamburger Immobilienmarkt die Chancen auf den Zuschlag deutlich wachsen, wenn der potenzielle Käufer bereits eine Finanzierungszusage hat. Immerhin 40 Prozent der Hamburger Mieter möchten nach einer Haspa-Umfrage gern in den eigenen vier Wänden leben. Doch mit der EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WKR), die heute, Montag, in Kraft tritt, gelten neue Spielregeln für Banken und Verbraucher: mehr Beratung, mehr Papier, strengere Kreditwürdigkeitsprüfung. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie?
Die Vorgaben kommen aus Brüssel und mussten in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu wurde eine ganze Reihe von Gesetzen in Deutschland geändert. Verbraucher sollen bei einer so weit­reichenden Entscheidung wie dem Immobilienkauf umfassender beraten werden. „Das ist eine Folge der Finanzkrise, für die faule Immobilienkredite in den USA der Auslöser waren“, sagt Frank-Christian Pauli, Bankenexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands. „Vom Prinzip her begrüßen wir die neuen Regelungen.“



Wird es nun schwieriger, eine Baufinanzierung zu bekommen?

„Für eilige Baufinanzierungen wird es auf alle Fälle schwieriger, denn die Banken werden genauer prüfen“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. „Ich rechne mit einem Antragsstau.“ Nach Abendblatt-Informationen haben einige Banken zuletzt keine Baufinanzierungen mehr angenommen. Sie wollen vermeiden, dass Kreditverträge nach altem Recht von den Kunden erst nach dem 21. März unterschrieben und zurückgeschickt werden. „Dann aber gilt das neue Recht ohne Übergangsfrist, und wir müssten mit Beratung und Prüfung ganz von vorn anfangen“, sagt ein Hamburger Banker. Der Baufinanzierungsvermittler Interhyp bestätigt, dass einige Banken eine Antragssperre haben. „Aber das Problem wird sich wieder auflösen“, so Interhypsprecher Christian Kraus. Neben den Übergangsproblemen muss mit einer Verschärfung der Kreditvergabe gerechnet werden. „Bestimmte Berufsgruppen in konjunkturell anfälligen Branchen werden es im Vergleich zu Angestellten im öffentlichen Dienst schwerer haben, eine Baufinanzierung zu bekommen“, sagt Herbst. Mit Problemen müssten auch ältere Kreditnehmer rechnen, die ihre Immobilie bis zum Ruhestand noch nicht abgezahlt haben.


Was ändert sich genau?

Bisher ging eine Finanzierungszusage schnell. Wenn die Kreditrate vom aktuellen Einkommen bezahlt werden kann, gab es kaum Probleme. Im Mittelpunkt der Beratung stand die finanzielle Belastung während der Zinsbindungsfrist, also meist zehn oder 15 Jahre. Künftig muss von der Bank der gesamte Finanzierungszeitraum, also meist Jahrzehnte, betrachtet und dafür eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorgenommen werden. Banker werden auch intime Fragen stellen. „Es müssen Einflussfaktoren wie Familiengründung, Familienabsicherung und deren Auswirkungen auf das Haushaltsbudget berücksichtigt werden“, sagt Ulrike Zobel, Baufinanzierungsexpertin der Haspa. „Wenn die Kreditlaufzeit bis ins Rentenalter geht, sehen wir uns bei Kunden ab 50 Jahren auch die Renteninformation an“, sagt Harald Döhren von der Sparda-Bank Hamburg. Zwar können Banken solche langfristigen Faktoren jetzt schon in der Beratung berücksichtigen, aber mit der Neuregelung werden sie zu einer strengeren Beratung gezwungen, die in einem mehrseitigen Protokoll festgehalten wird.


Wie lässt sich ein Zeitraum von mehreren Jahrzehnten realistisch einschätzen?

Man kann nur Annahmen treffen, etwa zu Kinderzahl oder der Gefahr von Arbeitslosigkeit. Mit welchen Zinssätzen die Banken nach Ablauf der Zinsbindung rechnen, bleibt ihnen überlassen. Die ING-Diba und die PSD Bank Nord rechnen mit den aktuell niedrigen Zinsen, die PSD Bank mit kleinem Aufschlag. Je niedriger der Zins, desto niedriger ist die kalkulierte Belastung nach Auslauf der Zinsbindung. „Wir weisen auf das Zinsänderungsrisiko und eine mögliche höhere monatliche Belastung hin“, sagt Patrick Herwarth von der ING-DiBa. Haspa und die Sparda-Bank Hamburg setzen dagegen für diese Berechnung einen Zins von fünf Prozent an. Der Wert orientiert sich am langfristigen Durchschnitt seit 1995 für eine zehnjährige Zinsbindung.


Wann wird ein Kredit versagt?
Wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung schon für den Zeitraum der ersten Zinsbindung negativ ist, darf kein Kredit vergeben werden. Klingt logisch, doch bisher hatte die Bank in solchen Fällen noch einen Ermessensspielraum.
Den gibt es nicht mehr. Für den Zeitraum nach Auslauf der Zinsbindung gibt es bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit einen größeren Spielraum. „Denn vieles beruht nur auf Annahmen“, sagt ein Sprecher der SpardaBank Hamburg.


Was spricht für eine strengere Prüfung?

Gerät der Kunde in finanzielle Probleme, und war die Prüfung durch die Bank nicht sorgfältig genug, hat der Kunde Ansprüche. Er muss allerdings beweisen, dass die Bank Fehler gemacht hat. Platzt der Kredit, kann sich der Zins für das Darlehen deutlich verringern. Auch Verzugszinsen dürfen nicht erhoben werden. „Der Kunde kann in einem solchen Fall auch vorzeitig aus dem Kreditvertrag aussteigen, ohne eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen“, sagt Verbraucherschützer Pauli.


Was ist mit Kreditnehmern, die jetzt ihr Darlehen verlängern müssen?

Auch für sie gelten die neuen Regeln. Selbst wenn sie ihre Raten immer pünktlich bezahlt haben, könnte das Ergebnis der strengeren Prüfung sein, dass der Kredit nicht verlängert werden darf, gibt Pauli zu bedenken. „Das ist natürlich nicht im Sinn des Gesetzes. Es soll waghalsige Finanzierungen verhindern, aber nicht den Ausfall bestehender Kredite provozieren.“ Die Haspa beruhigt ihre Kunden: „Wir haben bisher schon auf eine nachhaltige Tragbarkeit der Finanzierungsrate geachtet“, sagt Zobel. „Deshalb gehen wir nicht davon aus, dass es zu mehr Ablehnungen kommen wird.“