Hamburg. Elf Millionen Kubikmeter Sediment 2015 ausgebaggert. Umweltverbände warnen vor Folgen der Elbvertiefung

Die Hafenbehörden in der Hansestadt haben im vergangenen Jahr mehr Schlick aus der Elbe und den Hafenbecken geholt als jemals zuvor. Insgesamt elf Millionen Kubikmeter Sediment hat die Hamburg Port Authority (HPA) aus dem Hafen gebaggert. Das sei ein Allzeithoch, erklärte die Wirtschaftsbehörde. Was sich ihr heute als Ausnahmesituation darstellt, könnte künftig zur Normalität werden – und sogar prekärer werden. Davon gehen zumindest die Umweltverbände aus.

„Die Schlickablagerungen in der Elbe werden sogar noch zunehmen“, sagt Malte Siegert vom Naturschutzbund (Nabu) Hamburg. Grund sei die geplante weitere Elbvertiefung. Sie führt zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit. „Je tiefer die Elbe ausgebaggert wird, desto mehr Sedimente reißt der Flutstrom Richtung Hamburg mit sich. Der wegen des geringen Oberflächenwassers schwache Ebbstrom kann das alles nicht wieder aus dem Hafen heraustragen, was der starke Flutstrom hereinträgt“, sagt Siegert. Das sei der so genannte Tidal Pumping, zu Deutsch: der Pumpeffekt durch den Tidenhub.

Bereits die vorangegangene Elbvertiefung 1999 haben zu einer Zunahme des Tidal Pumpings und zu einem starken Anstieg der Sedimentmengen geführt, behauptet der Nabu-Experte. Tatsächlich stützen offizielle Zahlen zu den Baggergutmengen der HPA diese These: Bewegten sich die Mengen vor der Elbvertiefung immer um die Marke von zwei Millionen Kubikmetern, sind sie nach der Elbvertiefung nach oben geschnellt. Im Jahr 2000 waren es drei, 2001 schon vier und im Jahr 2004 mehr als acht Millionen Kubikmeter Schlick, die die HPA baggern musste.

Führte tatsächlich die Elbvertiefung zu mehr Schlick? Der Senat bestreitet jeden Zusammenhang: „Belege oder auch nur Hinweise auf eine signifikante Zunahme des Tidal Pumping infolge der Fahrrinnenanpassung 1999/2000 gibt es nicht. Die beobachteten hydrologischen Änderungen sind nicht derart gravierend, als dass die Fahrrinnenanpassung eine signifikante Ursache zur Änderung der Sedimenttransportkapazitäten hätte beitragen können“, heißt es in einer Antwort des Senats auf eine Anfrage des Grünen Abgeordneten, Jens Kerstan, von vor zwei Jahren – eben jenes Jens Kerstan, der heute als Umweltsenator selbst in der Verantwortung steht.

Andererseits schließen die Experten der HPA selbst nicht aus, dass die letzte Elbvertiefung das Problem des zunehmenden Tidenhubs und damit der Verschlickung verschärft hat: Demnach belegen Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft, dass durch die Änderung der Tidedynamik nach dem Fahrrinnenausbau mit einer Zunahme des Tidal Pumping zu rechnen ist.

Inzwischen geht selbst der Senat davon aus, dass die jetzt beantragte Elbvertiefung in der Unterelbe zu einer Zunahme der Unterhaltungsbaggermengen um etwa zehn Prozent führen kann. Aber der Hafen sei davon nicht betroffen: „Für den Hamburger Hafen wird keine Zunahme der Unterhaltungsbaggermengen prognostiziert“, schreibt der Senat in einer Bürgerschaftsdrucksache.

Siegert sieht das anders. Er bezieht sich auf den Abendblatt-Bericht vom Donnerstag, wonach mittlerweile sogar in der Hauptfahrrinne der Elbe die Wassertiefe zwei Meter niedriger als vorgeschrieben ist. „Dem Hafen stehen die Sedimente buchstäblich bis zum Hals. Nach einer nächsten Vertiefung könnte er daran ersticken“, sagt Siegert. Der Naturschützer verweist auch auf die immense Kostensteigerung: Schon 2014 seien die Hamburger Kosten für die Baggerarbeiten im Gegensatz zum Vorjahr um zehn Millionen Euro gestiegen. „Das geht so weiter. Angesichts dessen, dass die neue Elbvertiefung Unsummen verschlingen wird, stellt sich mit Blick auf die riesigen Folgekosten die Frage, ob sich dieses Projekt volkswirtschaftlich überhaupt noch rechnet. Wir glauben das nicht“, sagt Siegert.

Selbst ohne Elbvertiefung werde der Druck auf zusätzliche Baggerarbeiten zunehmen, sagt Manfred Braasch vom BUND. „Studien des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung zufolge, wird das Oberwasser der Elbe künftig immer weniger werden. Dadurch wird der Tidal-Pumping-Effekt ohnehin zunehmen“, sagt Braasch. Eine Rückkehr zu alten Mengen hält er für ausgeschlossen. Das geringe Oberwasser der Elbe, ist laut Wirtschaftsbehörde auch Schuld daran, dass 2015 extrem viel Schlick angefallen ist. Dort lautet die Parole: Weiter baggern! „Wir werden Ende März in allen wirtschaftlich relevanten Gebieten und in der Fahrrinne die Solltiefe wieder hergestellt haben“, sagt eine Sprecherin.