Hamburg . Abendblatt-Umfrage für das Börsenjahr 2016 unter Geldinstituten. Commerzbank am optimistischsten, Otto M. Schröder Bank verhalten.

Auf das gute Börsenjahr 2015 folgte ein schwacher Start ins neue Jahr. Der Deutsche Aktienindex (DAX) hat am Montag in der Spitze mehr als vier Prozent verloren auf weniger als 10.300 Zähler. Ein Börsencrash in China nach schlechten Industriedaten aus dem Reich der Mitte riss die Märkte in Europa mit nach unten (siehe unten). Der DAX verlor mehr als vier Prozent. Trotz des schlechten Auftakts sind sich vom Abendblatt befragte Experten einig: Wer Rendite für sein angelegtes Geld will, der kommt 2016 an Aktien nicht vorbei. Die Mehrheit rechnet mit rund zehn Prozent Wertzuwachs, wenn man die Prognosen beim deutschen Kursbarometer DAX zu- grunde legt (siehe Tabelle). Nur die Otto M. Schröder Bank in Hamburg ist nicht so optimistisch.

Mit einer Investition in die 30 wichtigsten deutschen Aktien im DAX sind die Anleger in den vergangenen Jahren gut gefahren. Schon das vierte Jahr in Folge schnitt der DAX mit einem Plus ab, und zwar von 9,6 Prozent. Allerdings ist für ein Aktieninvestment stets ein längerer Zeitraum von fünf und mehr Jahren notwendig. Dafür sollte auch nur ein Teil des Geldes genutzt werden.

Denn auch Verlustjahre müssen einkalkuliert werden. Doch selbst wer Anfang 2008 in den DAX investiert und die Finanzkrise mit großen Verlusten mitgenommen hat, erzielte bisher eine durchschnittliche Jahresrendite von rund sechs Prozent.

Das ist angesichts der niedrigen Zinsen ein respektables Ergebnis. Und auch künftig sind steigende Zinsen nicht zu erwarten, nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im Dezember ihre Geldpolitik noch mal gelockert hat. „Die Tagesgeldzinsen sinken kontinuierlich und liegen jetzt bei 0,1 Prozent – im Schnitt der 850 von uns ausgewerteten Banken“, sagt Toralf Richter vom Vergleichsportal Verivox. Der Trend wird sich fortsetzen.

Eine fünfjährige Festgeldanlage bringt im Schnitt 0,38 Prozent Zinsen. „Wir haben auch Kunden, die keine Aktien wollen, aber ein so konservativ ausgerichtetes Depot schafft nicht einmal einen Inflationsausgleich“, sagt Bernd Schimmer, Chefanalyst der Hamburger Sparkasse. Die Inflationsrate sehen die Experten für 2016 bei einem Prozent.

Für Tagesgeld gibt es im Schnittbei 850 Banken 0,1 Prozent Zinsen

An der positiven Stimmung für Aktien soll sich in diesem Jahr nichts ändern. Die Berenberg Bank erwartet eine Fortsetzung des Aufschwungs für die USA und Europa. „Auf beiden Seiten des Atlantiks trägt vor allem der private Verbrauch die Konjunktur“, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt von Berenberg. Deutschland bleibe der wichtigste Konjunkturmotor für die Euro-Zone. „Zu Jahresbeginn legen wir den Fokus auf europäische Titel, besonders die niedrig bewerteten deutschen Aktien“, sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Mit 12.600 Punkten gibt die Commerzbank die höchste DAX-Prognose von den befragten Banken ab. Die meisten anderen Institute liegen bei rund 12.000 Punkten.

Auch die Schröder Bank ist nicht wirklich pessimistisch. „Wir sehen den DAX im Jahresverlauf in einer großen Spanne zwischen 9500 und 12.000 Punkten“, sagt Torsten Johannsen von der Schröder Bank. „Der schwache Euro und ein niedriger Ölpreis sorgen bei der wirtschaftlichen Erholung im Euro-Raum für zusätzlichen Rückenwind“, sagt Markus Zipperer, Aktienstratege bei Berenberg.

Die Haspa rechnet mit einem deutlichen Gewinnanstieg bei den Firmen. Im Durchschnitt werden die Gewinne der Unternehmen 2016 um 22 Prozent wachsen. „Das muss man aber vor dem Hintergrund sehen, dass 2015 die Gewinne wegen der schlechten Ergebnisse bei VW und Deutscher Bank im Durchschnitt gesunken sind“, sagt Schimmer.

Die bevorzugten Branchen der Haspa sind Chemie, Telekommunikation und Versicherungen. Allianz und Münchener Rück bringen eine Dividendenrendite von rund vier Prozent. Die Chemiewerte BASF, Lanxess und Linde werden von der konjunkturellen Belebung profitieren, meint Schimmer. Auch die Schröder Bank setzt auf Chemiewerte wie BASF und Linde.

Für das traditionsreiche Bankhaus M.M. Warburg & CO stehen nicht so sehr Branchen im Vordergrund. „Wir machen Aktien ausfindig, die als Ersatz für festverzinsliche Wertpapiere dienen können“, sagt Christian Jasperneite, Chefanlagestratege bei Warburg. Da gehe es weniger um die Branche als vielmehr um ein stabiles Geschäftsmodell. „Es kommt auf eine hohe Bilanzqualität, ein profitables Geschäftsmodell und eine stabile Dividende an.“ Dazu zählen der spanische Energiever-sorger Endesa oder CAP Gemini, das französische Dienstleistungsunternehmen für Management und IT-Beratung, wie auch Henkel oder Deutsche Post.

Der Schritt in den Aktienmarkt ist für viele auch deshalb so schwierig, weil sie immer am richtigen Zeitpunkt zweifeln. „Den optimalen Zeitpunkt findet man nie“, sagt Jasperneite. Eine Investitionssumme sollte deshalb in mehrere Raten aufgespalten und nach und nach investiert werden. „Noch unabhängiger von den Schwankungen macht man sich, wenn man regelmäßig über einen Sparplan in den Aktienmarkt investiert“, sagt Schimmer.

Denn Kursschwankungen können durch regelmäßige Einzahlungen besser ausgeglichen werden. Auslöser dafür kann es auch 2016 viele geben. Die Schröder Bank zählt die Risiken auf: die Zuspitzung des Konflikts zwischen Großbritannien und der EU um einen Brexit (Austritt Großbritanniens aus EU), die Differenzen in der EU wegen der Flüchtlingskrise oder der starke Rückgang des Ölpreises, der auch einen Konjunktureinbruch ankündigen kann.

Berenberg erwartet eine Verdoppelung der Rendite bei Bundesanleihen – aber...

Bei festverzinslichen Wertpapieren mit vertretbarem Risiko sind die Zinsen immer noch unattraktiv. Zwar kann die erste Leitzinserhöhung seit vielen Jahren in den USA als Zeichen einer Zinswende gesehen werden. Aber die Auswirkungen auf die Euro-Zone bleiben begrenzt. „Wir erwarten im Jahresverlauf einen moderaten Anstieg der Renditen und sehen per Jahresende 2016 für zehnjährige Bundesanleihen 1,10 Prozent“, sagt Zipperer von Berenberg. Das ist zwar eine Verdoppelung im Vergleich zur aktuellen Rendite aber immer noch unattraktiv. „Außerdem gehen steigende Renditen mit fallenden Kursen der Wertpapiere einher“, warnt Schickentanz. Die Renditen der US-Staatsanleihen sind zwar etwas höher, „aber Anleger gehen damit ein Währungsrisiko ein und ausländische Zinscoupons werden wegen steuerlicher Beschränkungen nicht immer voll an Anleger ausgezahlt“, sagt Schimmer.

Große Turbulenzen werden allerdings im Währungsverhältnis von Euro und Dollar nicht erwartet. „Wir rechnen damit, dass der Euro eher im ersten Halbjahr zur Schwäche neigt und die Parität zum Dollar erreicht“, sagt Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Haspa. Von diesem Stand, dass es also für einen Euro einen Dollar gibt, werde der Euro sich aber im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im November wieder erholen. Nur die Deutsche Bank ist deutlich skeptischer. Die Zinsdifferenz zwischen den USA und der Euro-Zone sorgt nach Einschätzung von Chefanlagestratege Ulrich Stephan für starke Kapitalströme in die USA und lasse den Euro gegenüber dem Dollar schwächer tendieren. Tritt das ein, ist das ein weiteres Argument für Aktien. Denn vom schwächeren Euro profitieren die exportorientierten deutschen Aktien.