Hamburg. Airbus und Lufthansa streben nun Termin im Januar 2016 an. Triebwerkhersteller arbeitet an Nachbesserungen

Am Ende ist Airbus die Zeit davongelaufen. Der europäische Flugzeugbauer hatte sich selbst das Ziel gesetzt, den ersten A320neo noch im Jahr 2015 in Hamburg auszuliefern. Einen Tag vor Silvester kassierte der Konzern seinen Plan. Airbus, der Erstkunde Lufthansa und der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney hätten sich darauf geeinigt, die Übergabe des ersten Kurz- und Mittelstreckenjets mit den sparsameren Triebwerken auf 2016 zu verschieben, teilte Airbus am Mittwoch mit. „Wir sind davon überzeugt, dass das Flugzeug im Januar 2016 einwandfrei übergeben werden kann“, sagte eine Lufthansa-Sprecherin dem Abendblatt und sprach von einer „größeren technischen Komplexität bei der Abnahme“. Zu den Details wollte sie sich nicht äußern.

Alle drei Partner arbeiteten nun mit vollem Einsatz daran, den Jet in den „nächsten Wochen“ in den Dienst zu stellen, so Airbus. Dabei habe es Priorität, dass die Maschine mit einem Listenpreis von rund 97 Millionen Euro vom ersten Tag der Übergabe an für die Airline voll einsatzfähig sei. Pratt & Whitney und Airbus hätten dabei vor allem noch viel Schriftverkehr mit dem Luftfahrtbundesamt zu stemmen, das dem Flugzeug die Betriebszulassung in Deutschland erteilen muss. „Wir haben die Dokumentationsarbeit auf der Zielgeraden über die Feiertage unterschätzt“, sagte Airbus-Sprecher Stefan Schaffrath.

Für den Flugzeugbauer ist die Verschiebung kurz vor Jahresschluss ein weiterer Rückschlag bei dem A320neo-Programm. Denn den ersten Flieger der Reihe sollte eigentlich Qatar Airways übernehmen. Doch das Management der Fluglinie aus dem Golfemirat verweigerte die Abnahme, weil es Schwierigkeiten mit der Kühlung gab. Wenn die Maschine zwischen anderthalb und zwei Stunden stillsteht, kühlt der obere Teil des Triebwerkes langsamer ab als der Rest, sagte Pratt & Whitney-Vorstandschef Gregory Hayes. Dadurch könne es zu Verkrümmungen kommen, in deren Folge Teile aneinander scheuern könnten. Pratt & Whitney gab daher die Weisung aus, die Triebwerke drei Minuten lang vor dem Start und nach der Landung im Leerlauf drehen zu lassen. Das verursacht Extrakosten durch erhöhten Spritverbrauch und Wartungsbedarf und könnte ein Grund sein, warum Qatar die Abnahme vor einigen Wochen verweigerte.

Eine Sprecherin von Pratt & Whitney betonte, dass Flugzeug und Triebwerke von den beiden global führenden Luftsicherheitsbehörden (EASA für Europa und FAA für die USA) am 24. November zertifiziert wurden. „Die Maschine ist in der jetzigen Ausführung fertig für den Einsatz“, sagte sie dem Abendblatt. Dennoch werde an einer Verbesserung der Triebwerke gearbeitet. Zum einen gibt es eine Softwarelösung, zum anderen soll im Fe­bruar ein neues Teil in das Triebwerk eingebaut werden. Mit Qatar Airways arbeite man sehr eng an einer Lösung.

„Generell ist das Triebwerk ein Riesen-Technologiesprung“, sagte der Hamburger Flugzeugexperte Heinrich Großbongardt. Erstmals werde es nicht direkt angetrieben, sondern durch ein Untersetzungsgetriebe. Das reduziert die Drehzahl und senkt den Kerosinbedarf. Den Praxistest brachten die Flugzeuge erfolgreich hinter sich. Eine Flotte aus drei Testjets absolvierte insgesamt mehr als 1070 Flugstunden in rund 350 Flügen.

Die Triebwerke sind das Herzstück des neo-Programms, das für „new engine option“ steht, also die Wahl eines neuen Antriebs. Neben Pratt & Whitney wird auch noch CFM International, ein Joint Venture von General Electric (USA) und Snecma (Frankreich), ein Aggregat anbieten. Dieses soll allerdings erst in den nächsten Monaten die Zulassung der EASA und FAA bekommen. Insgesamt will der Flugzeugbauer den Treibstoffbedarf um 15 Prozent sofort und bis 2020 durch weitere Kabineninnovationen um 20 Prozent senken. Dazu beitragen sollen auch nach oben gebogene Flügelspitzen (Sharklets).

Die A320neo-Familie ist für Airbus ein Verkaufsschlager. Seit das Programm vor fünf Jahren aufgelegt wurde, gingen bereits mehr als 4400 Bestellungen von 79 Kunden ein. Diese Größenordnung war erst nach 15 Jahren erwartet worden. Der Standort Hamburg wird maßgeblich von dem Erfolg profitieren, weil er konzernweit als Kompetenzzentrum der Kurz- und Mittelstreckenjetreihe gilt. Im Herbst hatte der Airbus-Vorstand beschlossen, im Werk auf Finkenwerder eine vierte Endmontagelinie für den A320 einzurichten. Die Fertigungsrate der Reihe soll bis Mitte 2019 deutlich nach oben gefahren werden. Statt derzeit rund 44 Maschinen sollen dann pro Monat 60 Exemplare gefertigt werden. Die Hälfte davon sollen beim größten Hamburger Arbeitgeber endmontiert werden. Umgerechnet wird Airbus also jeden Tag ein Flugzeug fertigstellen.

Der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sieht die verschobene Auslieferung im übrigen gelassen. „Die Airlines haben berechtigte Forderungen an den Triebwerkshersteller, und der Flugzeugbauer sucht nach einer Lösung für die geforderte Triebwerksperformance. Ein paar Wochen Verschiebung tun niemanden weh – schließlich wird das Flugzeug 30 Jahre lang eingesetzt werden.“