Hamburg. Günther Fielmann regelt seine Nachfolge an der Spitze der Optikerkette. Sohn Marc wird Vorstand für Marketing – und soll später Konzernchef werden

Freitag Vormittag, 10.46 Uhr im Foyer der schmucklosen Verwaltung der Fielmann AG, einem Backsteinbau im einstigen Arbeiterviertel Hamburg-Barmbek. Die Tür des Fahrstuhls öffnet sich und in grauem Anzug, mit hellgrauer Krawatte und braunen Schuhen steht – augenscheinlich ebenso überrascht über den Zwischenstopp wie der Besuch – Marc Fielmann. In Sekundenbruchteilen fängt er sich, macht eine einladende Geste, lächelt und sagt „Herzlich Willkommen bei Fielmann“. Erstmals gibt er sich als Hausherr – und wenige Minuten später ist es offiziell: Marc Fielmann wird Marketingvorstand der bekannten Optikerkette, das verkündet sein Vater in dem kurzfristig anberaumten Pressegespräch. Das mittelfristige Ziel: Er soll die bekannte Optikerkette als Vorstandschef leiten.

Der Sohn des Firmengründers ist im Juli 26 Jahre alt geworden und wird an diesem Tag mit einem Amt betraut, das andere junge Menschen frühestens mit Mitte Dreißig anstreben. Doch Marc Fielmann ist anders, nicht nur in Sachen Schlagfertigkeit. Die Schule mit 17 abgeschlossen, das Studium mit 21. Berufliche Stationen bei Banken, Unternehmensberatungen, Tätigkeiten in den USA und in Gambia, so viel passt in ein junges Leben, wenn man ein großes Ziel vor Augen hat: Vorstand in einem Unternehmen mit gut 17.000 Mitarbeitern, einer Marke, die 90 Prozent der Deutschen kennen. Und nicht nur das: Marc wird ab sofort offiziell als Nachfolger seines Vaters gehandelt. Diese Frage hatte Günther Fielmann bisher immer offen gelassen. Auf das entsprechende Nachhaken aus der Journalistenrunde, ob der Vorstandsvorsitz direkt vom Vater auf Marc Fielmann übergehen werde, nickt der Patriarch, lacht und sagt, er müsse aber noch den Aufsichtsrat fragen.

Günther Fielmann denkt nicht daran, sofort den Weg freizugeben an der Unternehmensspitze, das macht der 76-Jährige an diesem Freitag ebenfalls deutlich. Auf die Frage, ob er daran denke, sich aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen, schaut er den Medienvertreter an, als wenn dieser wissen wollte, ob er Weihnachten abzuschaffen gedenke, und sagt laut „Nein“. „Außerdem habe ich ja noch meine Kollektion“, betont er, „mit sieben Millionen Brillen im Jahr“, ergänzt er fast trotzig. So klar der Gründer artikuliert, dass er nicht ans Aufhören denkt, so überschwänglich drückt er seine Freude über die Fähigkeiten des Sohns aus.

„Ich bin sicher, Marc ist der Aufgabe, die Unternehmensphilosophie von Fielmann tagtäglich mit Leben zu erfüllen, schon jetzt gewachsen“, liest er vom Redemanuskript ab, dann wird es persönlich: „Marc, Du lernst schnell, aber effektiv. Dir reichte eine halbe Stunde vor Schulbeginn, um eine Seite Lateinvokabeln auswendig zu lernen“. Der Sohn, der zum ersten Mal in der Tischreihe der Vorstände Platz genommen hat, hält sich nicht immer an den Redetext und ergänzt die Formalitäten um wohldosierte Erinnerungen aus der Kindheit. „Dank meinem Vater lernte ich schon in jungen Jahren, mich auf Herausforderungen vorzubereiten. Als ich sieben Jahre alt war, setzte er mich bei einer Baumpflanzaktion an den Steuerknüppel des Kettenfahrzeuges und sagte ,Du machst das schon‘“.

Später habe er an der London School of Economics studiert, gemeinsam mit mehr Nationalitäten als in jeder anderen Universität der Welt, sagt der Junior. „Ich denke zur Hälfte auf Deutsch, zur Hälfte auf Englisch“, berichtet der gebürtige Hamburger vom Einfluss der Ausbildung auf seine Gedankenwelt.

Das kosmopolitische Leben eines Akademikers, eines jungen Mannes, der die Welt gesehen hat, passt das zusammen mit dem Selbstverständnis des 50 Jahre älteren Vaters? Hier der Gründer, ein gelernter Augenoptiker, der in seiner Firmenphilosophie immer auch Handwerker blieb, der sich mit den Geschäften auf den deutschsprachigen Raum beschränkte. Dort der Sohn, der sagt, seine Freunde lebten in Europa, Indonesien und den USA. Marc Fielmann hat auch in Sachen Generationenkonflikt eine erstaunliche Sichtweise. „Ich habe beim Thema Internet viel von meinem Vater gelernt“, berichtet er über die Diskussion, ob sich die Firma nicht dringend eine eigene Facebook-Seite leisten müsste. „Und wer soll dort mit unseren Kunden kommunizieren?“, habe sein Vater gefragt. Die Mitarbeiter hätten gelernt, auf die Menschen in den Filialen zuzugehen, sie in ein persönliches Gespräch zu verwickeln. Publizistisch ausgebildet sei bei Fielmann aber niemand. „Wir werden hier also eine andere Strategie fahren“, resümiert der Sohn, und Günther Fielmann beeilt sich nachzulegen: „Wir haben uns noch nie so richtig gestritten.“

Während Fielmann regelmäßig neue Filialen eröffnet und mittlerweile jede zweite Brille in Deutschland verkauft, fragen Branchenbeobachter seit Jahren, wann der Marktführer endlich in den Internethandel einsteigen will. Mit der neuen Besetzung im Marketing ändert sich diese Strategie vorerst nicht, sagt Marc Fielmann – und verweist darauf, dass man eine Brille im Internet nicht perfekt anpassen könne.

Bleibt noch die Frage nach der Zukunft der Fielmann-Tochter Sophie. Die 21-Jährige hält ebenso wie Marc rund neun Prozent der Aktien am Konzern. Wobei die Stiftung, über welche die Familie gut 70 Prozent an den Firmenanteilen kontrolliert, für eine sichere Zukunft des Lebenswerkes sorgen soll – unabhängig von möglicherweise aufkommenden Verkaufsgelüsten nachfolgender Generationen. „Kein Mensch versteht mich so gut wie meine Schwester“, sagt Marc Fielmann. „Wir würden uns alle – wie wir hier sitzen – riesig freuen, wenn sie auch eine Aufgabe übernehmen würde“, sagt er mit Blick auf die Riege der Vorstände. „Aber sie muss sich das natürlich gut überlegen, weil es das Leben sehr verändert“, ergänzt der Bruder, der damit zum ersten Mal an diesem Tag die Belastung und Bürde der neuen Position durchblicken lässt. Auch, wenn er am Ende seiner Rede versichert: „Ich freue mich, gemeinsam mit meinem Vater Fielmann in die Zukunft zu führen“.