Frankfurt/Hamburg. Branchenprimus schließt Filialen und kappt Dividende. Auch in Hamburg drohen bei Filialen und Arbeitsplätzen Einschnitte.
Auf diesen Tag haben die Beschäftigten der Deutschen Bank lange gewartet. Erstmals seit seinem Amtsantritt im Juli ist der neue Chef John Cryan öffentlich aufgetreten. Was der 54 Jahre alte Brite am Donnerstag verkündete, war der erwartete Kahlschlag bei Deutschlands größtem Geldhaus. Die Belegschaft soll um fast ein Drittel schrumpfen.
Die neue „Strategie 2020“ werde rund 9000 der gut 100.000 Vollzeit-Arbeitsplätze bei der Bank selbst kosten, 4000 davon in Deutschland, sagte Cryan in Frankfurt. Bei externen Dienstleistern sollen darüber hinaus 6000 von gegenwärtig 30.000 Stellen wegfallen. Zudem will sich die Bank über die nächsten zwei Jahre von Beteiligungen mit etwa 20.000 Mitarbeitern trennen. Dazu zählt auch die Tochter Postbank, die 2016 an die Börse gebracht werden soll.
Der Stellenabbau solle „auf faire Art und Weise“ vonstattengehen, sagte Cryan. Er gehen diesen Schritt nicht leichten Herzens. „Mir ist sehr bewusst, dass dies 9000 Schicksale sind, hinten denen Menschen und Familien stehen.“ Im Konzern selbst verlieren sogar 14.000 Menschen ihren Job. Auf die Netto-Zahl von 9000 kommt die Bank nur, weil zugleich 5000 Neueinstellungen geplant sind. Ver.di-Chef Frank Bsirske forderte umgehend den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für die Dauer des Umbaus.
Cryan: Ziele und Strategien wurden nicht umgesetzt
Cryan ging mit seinen Vorgängern hart ins Gericht. „Die Deutsche Bank hat kein Strategieproblem. Wir wissen sehr genau, wohin wir wollen“, sagte er. „Jedoch hat die Deutsche Bank seit vielen Jahren ein gravierendes Problem, diese Strategie auch umzusetzen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind zahlreiche Strategien und Ziele verkündet wurden, aber selten wurden sie konsequent realisiert.“ Das soll sich nun ändern: „Ziel ist, dass sich die Deutsche Bank auf ihre Tugenden besinnt und nachhaltig Gewinne erzielt.“
Cryan setzt vor allem bei den Kosten an. Der Stellenabbau, der Rückzug aus zehn Ländern und der Abbau von Altlasten soll die Kosten um 3,8 Milliarden Euro drücken. Das werde zunächst bis zu 3,5 Milliarden Euro kosten, etwa in Form von Abfindungen.
Gehen müssen unter anderem Mitarbeiter in den vor der Schließung stehenden Filialen in Deutschland. Noch unter dem alten Vorstand hatte der DAX-Konzern beschlossen, bis Ende 2017 etwa 200 der 720 bundesweiten Filialen zu streichen. Aus der Fläche will sich das Geldhaus nicht zurückziehen, so dass es vor allem Ballungsräume treffen werde, sagte der Privatkundenchef Christian Sewing.
Perspektiven für Hamburg und Schleswig-Holstein
In Hamburg gibt es derzeit 29 Filialen. Welche davon nun vor dem Aus stehen, ist noch offen und wird jetzt in Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern ausgehandelt. Im Filialgeschäft sind in der Hansestadt 370 Mitarbeiter beschäftigt, insgesamt sind es in der Hansestadt und Schleswig-Holstein 1800.
Weil in der Elbmetropole eine Zentrale für die Geschäftsregion mit allen Dienstleistungen angesiedelt ist, sitzt der Großteil der Beschäftigten in Hamburg. Wie hoch der Stellenabbau im Norden ist, konnte ein Sprecher auf Abendblatt-Anfrage noch nicht sagen. Rein rechnerisch wird in Deutschland mit 4000 von 45.000 Beschäftigten etwa jede elfte Stelle abgebaut. Wendet man diese Formel an, käme es zum Abbau von gut 150 Arbeitsplätzen.
Die Deutsche Bank müsse „einfacher und effizienter werden“, so Cryan. Im Investmentbanking etwa wolle sie sich von der Hälfte der Kunden trennen. Das werde Erträge kosten, aber auch die Risiken in der Bilanz deutlich senken, die die Bank mit teurem Eigenkapital unterlegen muss. Cryans Vorgänger Jain, der im Investmentbanking an die Weltspitze wollte, hatte sich hier keine so starken Einschnitte zugetraut. Jains ehrgeizige Pläne sind abgehakt, dafür steht jetzt Sparen ganz oben auf der Agenda. Cryan will damit eine erneute Kapitalerhöhung vermeiden und das Kapitalpolster auf 12,5 Prozent schrauben. Bisher liegt die harte Kernkapitalquote bei 11,5 Prozent.
Aktie rutscht ab - Börse reagiert zurückhaltend auf Pläne
Auch die Aktionäre der Deutschen Bank müssen zur Gesundung beitragen. Für 2015 und 2016 wird es keine Dividende geben. Das spart allein zwei Milliarden Euro. Für die Bank ist es eine Zäsur: Zuletzt hatte das Institut 1934 die Ausschüttung gestrichen.
An der Börse kam die Strategie von Cryan nicht gut an. Die Aktie verlor kräftig, war zeitweise DAX-Schlusslicht und schloss mit einem Minus von rund sieben Prozent. Zwei Jahre Sanierung sei eine lange Zeit, so Händler. Das Streichen der Dividende sei eine „eindeutig negative Überraschung“, sagte Equinet-Analyst Philipp Häßler und stuft das Papier weiterhin als „Halten“ ein.
Kritikern versuchte der neue Chef den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Unsere Ziele mögen zwar weniger spektakulär sein als in der Vergangenheit sein, aber dafür soll die Deutsche Bank nachhaltige Gewinne erzielen.“ An der Eigenkapitalrendite von mindestens zehn Prozent nach Steuern hält er fest – erreicht sein soll sie 2018.