Washington/Berlin. Vorstandschef Winterkorn bedauert Vertrauensverlust. Wurde auch bei deutschen Autos getrickst?

Der VW-Konzern hat zugegeben, in den USA massive Abgasmanipulationen begangen zu haben. „Wir haben das gegenüber der Behörde eingeräumt. Der Sachverhalt trifft zu“, sagte ein Firmensprecher. „Wir arbeiten aktiv mit der Behörde zusammen.“

VW-Chef Martin Winterkorn kündigte am Sonntag eine externe Untersuchung der Vorgänge an. „Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben“, sagte er. Volkswagen dulde keine Gesetzesverstöße. Die Geschehnisse hätten „für mich ganz persönlich höchste Priorität“, versprach Winterkorn.

Laut der US-Umweltschutzbehörde EPA soll VW bei Dieselfahrzeugen die Abgasgrenzwerte bei offiziellen Tests mittels einer speziellen Software vorsätzlich manipuliert haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos. Für den Konzern könnte dies nach Angaben der Behörde eine Rekordstrafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen – doch das ist längst nicht die einzige mögliche Folge.

Für VW Amerika bedeutet die Betrugsaffäre ein wirtschaftliches Desaster: Der Konzern hat seine US-Händler angewiesen, keine Dieselfahrzeuge mit Zweilitermaschinen des Baujahres 2015 mehr zu verkaufen. Zudem hat die EPA Volkswagen die Unbedenklichkeitsbescheinigung für Dieselautos des Baujahres 2016 verweigert. Das heißt: Der neue Passat ist unverkäuflich, bis VW den Nachweis führt, dass die Abgasnormen eingehalten werden. Weitere Rückschläge: Der „Consumer Report“, die amerikanische Stiftung Warentest, hat die Kaufempfehlung für die Modelle Jetta und Passat zurückgezogen – solange, bis eine „Rückrufaktion dazu führt, dass die Motoren der Abgasnorm entsprechend nachgerüstet sind.“

Die Anwaltskanzlei „Hagens Berman Sobol Shapiro LLP“ hat damit begonnen, eine Sammelklage gegen VW anzustrengen. „Wir sind mit Anrufen erboster Kunden überschwemmt worden“, sagt Kanzleichef Steve Berman. Tenor der Klage: Die von VW zu verantwortende Manipulation sorgt beim Wiederverkauf für einen Wertverlust.

Und Umweltverbände wie die „Safe Climate Campaign“ schießen sich auf ein Kernargument ein: „VW ist der führende Konzern, wenn es darum geht, Amerikaner vom Kauf eines Dieselautos zu überreden, weil das angeblich besser für die Umwelt ist. Jetzt kommt heraus – sie haben nicht die Wahrheit gesagt.“ Autoexperten rechnen damit, dass auch das Justizministerium aktiv wird. „Irgendwer bei VW muss entschieden haben, dass es unter ökonomischen Aspekten besser war zu betrügen, als die Abgasnormen einzuhalten“, schreiben US-Medien, „das kann strafrechtlich relevant sein“.

Abgaswerte müssen binnen eines Jahres gesetzeskonform sein

Betroffen sind laut EPA Passat-, Golf-, Jetta-, Beetle- und Audi-A3-Modelle aus den Produktionsjahren 2009 bis 2015. Sie müssen binnen eines Jahres gesetzeskonforme Abgaswerte aufweisen. Wie VW die technische Nachrüstung auf eigene Kosten bewerkstelligen will, ist unklar. VW-Chef Winterkorn betonte, dass Volkswagen „alles daran setzen wird, Vertrauen wiederzugewinnen und den entstandenen Schaden wiedergutzumachen“.

Nach dem Geständnis von VW rätseln Autoexperten, was den Weltkonzern VW zu einem solch riskanten und laut EPA illegalen Geschäftsgebaren getrieben haben könnte. Experten wie Drew Kodjak vom „International Council on Clean Transportation“ vermuten, dass die manipulierten Autos mehr Leistung brachten.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer fordert angesichts der Manipulationsvorwürfe gegen Volkswagen in den USA auch in Europa eine Untersuchung: „Jetzt müssen auch die EU-Kommission und das Bundesverkehrsministerium den Dingen nachgehen und klären, inwieweit diese Software auch in Europa und Deutschland eingesetzt wurde und falsche Abgaswerte vorgaukelt“, sagte Dudenhöffer dem Hamburger Abendblatt. „Da die US-Behörde weitere Ermittlungen gegen andere Autobauer angekündigt hat, kann man derzeit nichts ausschließen.“

„Da ist etwas fundamental schiefgegangen bei VW“, meint auch Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Die von VW eingebaute Software sei offenbar als reine Verschleierungstechnik konzipiert. „Das ist vorsätzliche Täuschung“, so Bratzel. „Es ist verwunderlich, dass die Manipulationen der US-Tochter nicht längst in der VW-Zentrale bekannt waren.“

Volkswagen sei nun in der Bringschuld, auch in Europa zu beweisen, dass nicht mit Abgasmessungen getrickst werde. „Mein Rat an VW wäre, jetzt schnell und offen darzulegen, falls hier ähnliche Programme eingebaut wurden“, sagt der Experte.

Deutsche Umwelthilfe prangert Einbau minderwertiger Katalysatoren an

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) teilte bereits mit, das Problem bestehe nicht nur in den USA, sondern auch bei den deutschen Herstellern. „Um wenige Hundert Euro mehr Profit pro Fahrzeug zu machen, verbauen die Autokonzerne minderwertige Katalysatoren, die auf der Straße bis zu 25-mal höhere Schadstoffmengen emittieren als erlaubt“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die Grenzwerte für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid in der Atemluft deutscher Städte seien bereits überschritten.

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