Hamburg. Entwicklung im Osten hat Otto-Konzern die Bilanz verhagelt. Dennoch baut die Logistiktochter dort die Paketshops aus

Trotz der aktuellen Wirtschaftskrise und Sanktionen in Folge des Ukraine-Konflikts setzt der Hamburger Paketdienstleister Hermes weiter auf den russischen Markt. Wie das Tochterunternehmen des Otto-Konzerns am Dienstag mitteilte, übernimmt Hermes die bislang von dem Partner DPD gehaltenen 49 Prozent der Anteile am gemeinsam betriebenen Joint Venture in Russland. Nach Abendblatt-Informationen soll für das Geschäft ein einstelliger Millionenbetrag geflossen sein.

In den kommenden Monaten soll vor allem das Netz der eigenen Paketshops von Hermes Russia von derzeit 400 auf rund 1000 ausgebaut werden. Auf diese Weise wollen sich die Hamburger als wichtiger Partner für den Onlinehandel im Land etablieren.

„Als größter Flächenstaat der Welt und einer der wachstumsstärksten E-Commerce-Märkte hat Russland eine zentrale Bedeutung für den globalen Handel“, sagt Marc Dessing, der das operative Geschäft von Hermes Europe verantwortet. „Mit Blick auf unsere europäische Expansion werden wir den dortigen Paketmarkt ab sofort aus eigener Kraft erschließen.“ Darüber hinaus sei Russland für Hermes eine wichtige Verbindung nach Asien, um dort die eigenen geschäftlichen Interessen besser wahrnehmen zu können. „Entsprechend ist unser Engagement langfristig angelegt und unterstreicht unser Vertrauen in die positive Entwicklung des russischen Marktes“, so Dessing.

Das verstärkte Engagement in Russland kommt überraschend, befinden sich viele deutsche Unternehmen doch gerade auf dem Rückzug aus dem gewaltigen Flächenstaat oder haben ihr Engagement zumindest eingefroren. Hintergrund sind die westlichen Sanktionen in Folge des Ukraine-Konflikts, die zu einer deutlichen Eintrübung des Konsumklimas in Russland geführt haben. Durch den massiven Verfall des Rubels wurden insbesondere die Geschäfte der Handelskonzerne stark beeinträchtigt, die ihre Waren teuer in Dollar oder Euro einkaufen mussten und nur in der vergleichsweise wertlosen russischen Währung verkaufen konnten.

Auch für den Hermes-Mutterkonzern Otto ist das Ende Februar abgelaufene Geschäftsjahr 2014/15 aufgrund der Turbulenzen im Osten alles andere als positiv verlaufen. Vielmehr waren die Umsatzeinbrüche und Verluste im Russlandgeschäft mitverantwortlich dafür, dass der Versandhandelskonzern erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Verlust nach Steuern in Höhe von 196 Millionen Euro zu vermelden hatte. Im Zuge dessen hatte Konzernchef Hans-Otto Schrader angekündigt, alle unrentablen Aktivitäten der Gruppe auf den Prüfstand zu stellen. In Russland fahre man jetzt erst einmal auf Sicht, hieß es bei mehreren Gelegenheiten.

Der Paketdienstleister Hermes wuchs aufgrund der Schwierigkeiten in Russland zwar ebenfalls langsamer als ursprünglich geplant, schrieb hier aber zumindest keine rote Zahlen. Nun ist man in dem Logistikunternehmen offenbar der Meinung, dass sich das Land deutlich schneller als zuvor gedacht von den Turbulenzen der vergangenen Monate erholen könnte. Als positives Zeichen wertet es das Unternehmen, dass die Zusammenarbeit mit inländischen Händlern in 2015 im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent gesteigert werden konnte. Auf diese Weise verringert sich auch die geschäftliche Abhängigkeit von den wichtigsten Otto-Marken, von denen bislang noch die meisten Aufträge für Hermes in Russland stammen.

Insgesamt hat der russische Markt für Hermes im Augenblick noch eine eher marginale Bedeutung. Die Zahl der dort zugestellten Sendungen soll im vergangenen Jahr gerade einmal bei zwei Millionen gelegen haben. Das ist fast nichts im Vergleich zu den etwa 300 Millionen Sendungen, die Hermes derzeit jährlich in dem wesentlich kleineren Deutschland verschickt.

Neben Deutschland ist Großbritannien der wichtigste europäische Markt für Hermes. Vergleichsweise stark ist das Unternehmen auch noch in Österreich und in Italien vertreten. Der Gesamtumsatz des größten Konkurrenten der Deutschen Post lag 2014 bei 2,3 Milliarden Euro – das war ein Plus von gut sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr.