Hamburg. In Mobile/Alabama wird die Ankunft der ersten Flugzeugteile aus Hamburg gefeiert. Rund 1000 Arbeitsplätze sollen dort entstehen.
In den Südstaaten der USA weiß man zu feiern. An diesem Sonntag wird ausgerechnet ein europäisches Unternehmen den Anlass dazu liefern: In einer bunten Parade werden die ersten Flugzeugteile für das neue Airbus-Endmontagewerk durch Mobile/Alabama gefahren. Vor drei Wochen waren sie in Hamburg auf die Seereise geschickt worden.
Etwa 500 Millionen Euro investiert Airbus in Mobile, rund 1000 Arbeitsplätze sollen in der Hafenstadt am Golf von Mexiko in den nächsten Jahren entstehen. Das neue Werk wird der vierte Standort sein, an dem der Flugzeugbauer Maschinen der A320-Familie von Kurz- und Mittelstreckenjets zusammenbaut – nach Toulouse, Hamburg und Tianjin (China).
Für das US-Projekt spielt Hamburg nicht nur als Logistikdrehscheibe eine Rolle: Die Endmontage auf Finkenwerder liefert das Vorbild für die Produktion in Mobile, wie sie auch schon als Modell für das im Jahr 2008 eröffnete chinesische Werk diente.
Vor diesem Hintergrund kann Ulrich Weber, der für den Start der Fertigung in den USA zuständige Manager, als Idealbesetzung für diesen Job gelten: Weber hat in Hamburg die A380-Produktion aufgebaut und war von 2003 bis 2006 Standortleiter auf Finkenwerder, vor allem aber zeichnete er von 2006 bis 2010 schon für den Bau und den Betrieb des ersten außereuropäischen Airbus-Werks in Tianjin verantwortlich.
Dabei geht es nach Darstellung des Unternehmens nicht darum, auf anderen Kontinenten günstiger zu produzieren als in Europa. „Für uns stehen die Marktpotenziale im Mittelpunkt“, sagt Weber. „China und die Vereinigten Staaten sind die größten Märkte für Zivilflugzeuge. Präsenz in den lokalen Märkten und Nähe zum Kunden zahlt sich nach unserer Erfahrung aus.“
Gerade in den USA, der Heimat des Rivalen Boeing, hat Airbus noch reichlich Aufholpotenzial: Angestrebt wird ein weltweiter Marktanteil von 40 bis 60 Prozent, in den USA lag er zuletzt aber erst bei weniger als 20 Prozent. Und schließlich macht im Flugzeugbau die Endmontage nach Angaben von Airbus nur etwa fünf Prozent der gesamten Wertschöpfung aus. „Jedes Flugzeug, das in Mobile an den Kunden übergeben wird, stammt zu einem großen Teil aus Hamburg und Stade“, sagt Weber. „Die Endmontage in den USA sichert die Arbeitsplätze in Europa.“
In dieser Auffassung ist sich das Airbus-Management mit der Arbeitnehmerseite einig. „Wir sehen in dem neuen Werk in Alabama keine Konkurrenz für den Standort Hamburg, sondern eine Ergänzung“, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter IG Metall Küste. „Als international agierender Konzern ist es sinnvoll, an unterschiedlichen Orten auf der Welt Produktionsstätten zu haben.“ Die Gewerkschaft erwarte aber von der Geschäftsleitung, „dass in Mobile die gute Mitbestimmungskultur aus Europa fortgeführt wird.“ Grundsätzlich sei es zudem wichtig, die Bereiche Forschung und Entwicklung voranzutreiben, um für zukünftige Entwicklungen gut aufgestellt zu bleiben.
Mitte September soll das Werk in Mobile offiziell eröffnet werden. Die Vorarbeiten für den Start der Endmontage beginnen aber schon in den nächsten Tagen: Mit den Flugzeugkomponenten, die aus Hamburg eingetroffen sind, werden nun die Baugerüste und Werkzeuge einjustiert. Der erste Airbus-Flieger, der an dem neuen Standort entsteht, wird ein A321 sein, der für den amerikanischen Billigflieger JetBlue, mit dem die Lufthansa zusammenarbeitet, bestimmt ist. Im zweiten Quartal 2016 soll die Maschine ausgeliefert werden. Nach aktueller Planung wird das Werk in Mobile Anfang 2018 eine Produktionsrate von vier Flugzeugen im Monat erreichen. Zum Vergleich: In Hamburg verlassen dann bereits 25 Jets monatlich die Endmontagelinien. Die große Mehrheit der in Mobile gefertigten Maschinen sei für nordamerikanische Kunden vorgesehen, heißt es von Airbus.
In Alabama war der europäische Konzern schon vor der Verkündung der Standortentscheidung für das US-Werk im Jahr 2012 kein Unbekannter. Bereits seit 2007 gibt es in Mobile ein Entwicklungszentrum mit inzwischen mehr als 200 Ingenieuren. Und ein Flugzeugwerk in dem 200.000-Einwohner-Ort war Ende des Jahres 2005 schon einmal im Gespräch. Es sollte aber nur unter der Voraussetzung, dass Airbus einen umfangreichen Tankjet-Auftrag der US-Luftwaffe erhält, gebaut werden. Den Zuschlag für die Tankflugzeuge sicherte sich jedoch letztlich Boeing. An diese Planungen aber konnte Airbus später anknüpfen. „Wir sind hier sehr willkommen“, sagt Weber. „Luftfahrt genießt in den Vereinigten Staaten eine hohe Wertschätzung – emotional wie wirtschaftlich. Davon profitiert auch Airbus.“
Außerdem kam dem europäischen Unternehmen zugute, dass der Standort Mobile eine lange Luftfahrttradition hat: Ein großer Flugzeugwartungsbetrieb mit 1500 Beschäftigten hat dort seinen Sitz, ebenso wie der Flugzeugmotorenbauer Continental Motors, der im Jahr 2013 die Hamburger Firma Thielert aus der Insolvenz übernahm. „Viele unserer neuen Mitarbeiter haben auch Berufserfahrung beim Militär gesammelt, oder waren bei Airlines tätig“, sagt Weber. „Das sind solide Grundlagen, auf denen wir gut aufbauen konnten.“ Zudem gebe es eine „sehr gute Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern hier in Mobile, zum Beispiel der Handelskammer oder regionalen Trainingsagenturen.“ Im Vergleich zur Qualifizierung der Mitarbeiter in China nennt Weber außer der in Alabama ausgeprägteren Luftfahrterfahrung noch einen anderen Unterschied: „Natürlich war es beim Thema Sprache einfacher.“
Doch auch im Hinblick auf die Ausbildung spielte Hamburg eine wichtige Rolle für das Werk in Mobile: Die neuen Airbus-Beschäftigten haben auf Finkenwerder bereits in der Endmontage mitgearbeitet, um sie möglichst gut auf die Praxis vorzubereiten.