Bonn/Hamburg. 152 Millionen Euro Kartellbuße für Haribo, Ritter Sport und andere Hersteller. Sie kungelten mit Edeka, Rewe, Aldi & Co.

Es ist eines der umfangreichsten Kartellverfahren in der deutschen Konsumgüterbranche und die Liste der Beschuldigten liest sich wie das Who’s-who der Supermarktketten und Markenproduzenten: Über Jahre hinweg haben Hersteller von Süßigkeiten, Kaffee, Tee, Bier und Körperpflegeartikeln mit illegalen Methoden versucht, ihre Preisvorstellungen bei den großen Handelskonzernen der Republik durchzusetzen. Mal machten sie Druck und drohten mit Lieferstopps, wenn die Preise zu sehr fielen, mal lockten sie die Ketten mit Rabatten oder Prämien. Die Händler ließen sich auf dieses Spiel von „Zuckerbrot und Peitsche“ ein und setzten die Preise in vielen Fällen tatsächlich hoch – auf Kosten der Verbraucher.

Da solche sogenannten vertikalen Preisabsprachen zwischen Handel und Industrie ebenso verboten sind wie Vereinbarungen unter einzelnen Herstellern, ist jetzt das Bundeskartellamt eingeschritten. Nach jahrelangen Ermittlungen verhängten die Wettbewerbshüter Bußgelder in Höhe von fast 152 Millionen Euro. Bestraft wurden die Konzerne Edeka, Rewe, Kaufland, Metro, Aldi sowie die Tierfutter-Ketten Fressnapf und Das Futterhaus. Bei den Herstellern mussten Haribo, Ritter (Schokolade) und die Hersteller von Körperpflegeprodukten Johnson & Johnson sowie Dr. Kurt Wolff zahlen. Alle Verfahren seien einvernehmlich mit den betroffenen Unternehmen beendet worden, so das Kartellamt.

„Im Lebensmittelhandel gilt wie in jeder anderen Branche auch, dass Händler und Hersteller grundsätzlich nicht zulasten der Endverbraucher Vereinbarungen über die Ladenpreise treffen dürfen“, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt. „Hersteller dürfen keinen Druck auf die Händler ausüben oder monetäre Anreize gewähren, um bestimmte Endverkaufspreise sicherzustellen.“

In Gang gekommen war das als „Vertikalfall“ bekannte Verfahren durch Durchsuchungen an 15 Standorten im Januar 2010. Dabei stellten die Wettbewerbshüter Material sicher, das nun einen detaillierten Einblick in die Preisabsprachen ermöglicht. Im Fall von Haribo lief die „Preispflege“ laut Kartellamt etwa folgendermaßen: Verantwortliche des Fruchtgummiherstellers bedrängten immer wieder den Discounter Aldi, die Preise für Goldbären und andere Süßwaren nicht zu sehr zu senken, weil andere Händler um ihre Margen fürchteten. Als die Billigkette, die mit ihren Konditionen in Deutschland inoffiziell die Preisuntergrenze vorgibt, die Preise dann tatsächlich anhob, überwachte der Hersteller mit Argusaugen das erreichte Niveau. Er beschwor bei Abweichlern die Gefahr eines „Flächenbrands“ herauf und drohte in manchen Fällen, Ware nicht oder nur unvollständig auszuliefern.

Laut Aldi ging es bei den beanstandeten Fällen um Erhöhungen des Verkaufspreises für 300-Gramm-Beutel Fruchtgummi um sechs beziehungsweise vier Cent. Man habe umfassend zur Aufklärung des Falls beigetragen und mit dem Kartellamt an einer Lösung gearbeitet, heißt es in einer der seltenen öffentlichen Stellungnahmen des Discounters.

Ein wenig anders liefen die Absprachen bei Ritter Sport: Hier gewährte der Schokohersteller der Hamburger Supermarktkette Edeka und dem Kölner Konkurrenten Rewe finanzielle Gegenleistungen für eine Erhöhung des Ladenpreises, wie aus dem entsprechenden Fallbericht des Kartellamts hervorgeht. Gewährt wurden unter anderem Rückvergütungen, Stückprämien und Rabatte auf die Einkaufspreise von 100-Gramm-Tafeln, Ritter Sport Minis und 250-Gramm-Großtafeln. Heraus kam ein „Netto-Netto-Preis“, also der Preis, den die Handelsunternehmen im Einkauf effektiv zahlen mussten. Wie sicher sich die Beteiligten bei diesen Vereinbarungen fühlten, zeigt die Tatsache, dass die Absprachen im Rahmen der Jahresgespräche offenbar schriftlich fixiert wurden. Die Geldbußen allein in diesem Fall liegen für Ritter Sport, Edeka und Rewe bei 34,3 Millionen Euro.

Der Kaffeeröster Melitta entwickelte laut Kartellamt ein besonders ausgeklügeltes System um sicherzustellen, dass eine Preisvereinbarung für Filterkaffee in bestimmten Supermärkten nicht um mehr als zehn bis 15 Cent unterschritten wurde. Außendienstmitarbeiter ermittelten jeden Montag die Ladenpreise von Melitta-Kaffee und meldeten sie in die Zentrale, in der die Daten in Excel-Tabellen eingetragen wurden. Bei gravierenden Abweichungen intervenierte Melitta dann bei den Handelsunternehmen. Während Melitta in diesem Fall um ein Bußgeld herumkam, da der Hersteller bereits vor Einleitung des Verfahrens mit dem Kartellamt kooperierte, wurden die übrigen Beteiligten, darunter erneut Edeka und Rewe, zu nochmals 44,7 Millionen Euro Buße verdonnert.

Ein Sprecher der Hamburger Supermarktkette bestätigte auf Anfrage, dass man sich mit dem Kartellamt auf eine „einvernehmliche Verfahrensbeendigung“ geeinigt habe, wollte sich zu Details allerdings nicht äußern.