Hamburg. 70 Prozent der Unternehmen im Norden halten Bewerbung für eine lohnende Investition. Scharfe Kritik an Mindestlohn- Bürokratie

So schnell dreht sich die Stimmung: Noch vor einem Jahr waren mehr als 40 Prozent der norddeutschen Groß- und Außenhändler gegen Hamburgs Olympia-Pläne. Sie befürchteten eine hohe finanzielle Belastung des Nordens, wie eine Umfrage des Unternehmensverbands AGA ergab. Inzwischen hat sich das Blatt gedreht: Jetzt sind 70 Prozent der Händler für Hamburgs Bewerbung; nur noch 20 Prozent sind dagegen, wie die jüngste AGA-Umfrage ergab.

„Wir Händler wollen nüchterne Rechner sein und lassen uns im allgemeinen von Euphorien nicht anstecken. Aber bei Olympia ist das anders“, sagte Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA-Unternehmensverbands, bei der Vorstellung der Zahlen am Dienstag. Die Informationskampagnen des Senats, von Alexander Otto sowie der Handelskammer hätten gewirkt: „Viele Unternehmer haben sich ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt. Jetzt halten 67 Prozent die Spiele für eine lohnende Investition“, so Kruse. „Nur neun Prozent denken, dass sich Hamburg und Deutschland Olympia nicht leisten können.“

Nicht länger leisten wollen sich die norddeutschen Firmen laut der Umfrage bürokratische Hemmnisse im Alltagsgeschäft. 92 Prozent der befragten Betriebe beklagen, dass die bürokratischen Hürden in den vergangenen Jahren weiter gewachsen seien. In Hamburg sind es sogar 94 Prozent. Statistikpflichten und dokumentarische Folgen des Steuer- und Sozialrechts sowie des Mindestlohngesetzes sehen die Firmen als wirtschaftlichen Bremsklotz an.

„Das kostet Zeit, Produktivität und Geld“, sagte AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch und sprach von einem „Bürokratiemoloch“ in Deutschland. Konjunkturell mussten die Groß- und Außenhändler im ersten Quartal insgesamt einen Umsatzrückgang von 2,3 Prozent verkraften, in Hamburg betrug der Rückgang sogar 3,4 Prozent. „Trotz des Dämpfers bleiben die Firmen zuversichtlich“, sagte AGA-Präsident Kruse. „29 Prozent erwarten steigende Umsätze, 26 Prozent auch mehr Gewinne.“ Der Verband, der in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aktiv ist, hat rund 3500 Mitglieder befragt.

Rund drei Viertel der AGA-Firmen bewerten das neue Mindestlohngesetz als „ganz falsch“ oder „schlecht gemacht“, vor allem wegen der Dokumentationspflichten und offener Haftungsfragen. 14 Prozent müssten dadurch mehr Arbeit bewältigen, monatlich seien dies zwischen zehn und 20 Stunden oder sogar noch mehr. „Es ist ein neues Beschäftigungsprogramm für Juristen und Zöllner“, monierte Tschirch.

Verkehrsinfrastruktur bekommt von den Großhändlern die Note 4 minus

Gleichwohl räumten die AGA-Spitzenvertreter ein, dass die Einführung des Mindestlohns kaum zu Entlassungen geführt hat. In Hamburg verloren demnach nur drei Prozent der Beschäftigten deswegen den Job.

Kaum ein gutes Haar lassen die norddeutschen Firmen an der Verkehrsinfrastruktur, der sie die Note „Vier minus“ ausstellen. „Das ist ein niederschmetterndes Ergebnis“, kommentierte Kruse. Der Bund müsse mehr und schneller Geld für Projekte bereitstellen. Im Norden stehen die A 20 westlich von Hamburg, die Elbvertiefung, die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals, die Hafenquerspange und die A 21 östlich von Hamburg auf der Prioritätenliste der Firmen.