Antwerpen/Rotterdam. Belgische Airline VLM knüpft Netz zwischen Hamburg, Rotterdam, Antwerpen und Southampton. Das Unternehmen wirbt mit kurzen Wartezeiten.
Das Geschäftsmodell von VLM, sagt Arthur White, sei ganz einfach: „Wir folgen der Wirtschaft. Warum soll man von Brüssel aus fliegen, wenn es auch von Antwerpen aus geht?“ Auf einer Barkasse im Hafen von Antwerpen erklärt
White, Vorstandsvorsitzender und Miteigentümer, die neuen Verbindungen der belgischen Fluglinie zwischen Nordeuropas wichtigsten Hafenstädten Antwerpen, Rotterdam, Hamburg und Southampton.
Seit Mitte April bietet VLM jeweils von Montag bis Freitag Flüge an, die nicht nur Geschäftsreisende und Pendler aus der maritimen Wirtschaft interessieren könnten, sondern auch Mitarbeiter der Luftfahrtbranche oder der petrochemischen Industrie, die zwischen diesen Standorten reisen müssen.
Das Angebot von VLM ist ungewöhnlich. Fluggesellschaften stellen für spezialisierte Geschäftsflüge üblicherweise Chartermaschinen zur Verfügung. Linienflüge lohnen sich zwar auch zwischen kleinen Flughäfen, wie vor allem die sogenannten „Billigflieger“ Ryanair oder Easyjet in den vergangenen Jahren bewiesen haben. Allerdings basieren diese Angebote in der Regel auf einem möglichst breiten Publikum als Zielgruppe.
VLM hingegen zählt im Linienbetrieb auf Geschäftsreisende und schafft damit nebenbei Verbindungen auch für Touristen. „Von Antwerpen und auch von Lüttich aus haben wir sehr gute Erfahrungen mit diesem Modell gemacht“, sagt White. „Wir fliegen zwischen Städten, die durch bestimmte Industrie- oder Dienstleistungsbranchen miteinander verbunden sind und die deshalb ein ausreichendes Potenzial für Geschäftsreisende auf Linienflügen bieten.“
Von Hamburg aus geht es mit 50-sitzigen Propellermaschinen des Typs Fokker 50 werktags jeweils morgens und abends nach Rotterdam oder Antwerpen, das Gleiche gilt für die entgegengesetzte Richtung. Zwischen Hamburg und Southampton bietet VLM von Montag bis Freitag je Richtung eine Verbindung an. Von 49 bis 59 Euro kosten Einweg-Tickets ohne die Möglichkeit zur Umbuchung, zwischen 350 und 500 Euro werden für Tickets mit voller Flexibilität fällig. Von Belgien aus fliegt VLM auch nach Genf, Avignon, Nizza, Bologna und Venedig.
Antwerpen und Rotterdam bauen ihre Umschlagskapazitäten deutlich aus
Die neuen Verbindungen zwischen den Hafenstädten haben ihren Grund. Vor allem in den drei größten europäischen Häfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg boomt das Geschäft. Rotterdam und Antwerpen bauen speziell ihre Kapazitäten im Güterumschlag deutlich aus, Hamburg in jüngerer Zeit besonders den Kreuzfahrttourismus.
„Antwerpen hat derzeit bei einem Containerumschlag von rund neun Millionen Containereinheiten (TEU) im Jahr ein Potenzial von bis zu 15 Millionen TEU. Diese Gesamtkapazität wollen wir mit dem Ausbau des Hafens bis zum Jahr 2021 verdoppeln“, sagt Danny Deckers von der Hafenverwaltung Antwerp Port Authority bei einer Rundfahrt entlang der Containerterminals, Tanklager und Raffinerien. Im inneren Hafengebiet wird gerade eine große, neue Schleuse in Dienst gestellt.
Mit rund 200 Millionen Tonnen Gesamtumschlag im Jahr ist Antwerpen nach Rotterdam Europas zweitgrößter Hafen, beim Containerumschlag liegt die belgische Stadt hinter Rotterdam und Hamburg auf Rang drei. Auch den Automobilumschlag und die Lagerhaltung will Antwerpen in den kommenden Jahren stark erhöhen. Die Fahrrinne der Schelde wurde dafür in den vergangenen Jahren so ausgebaut, verbreitert und vertieft, dass Schiffe mit der Flut beim Auslaufen bis zu 16 Meter Tiefgang haben können, in Hamburg sollen es nach der geplanten Elbvertiefung ausgehend 14,50 Meter sein.
„Spezialisiertes Stückgut und der Containerumschlag spielen bei uns eine wichtige Rolle“, sagt Deckers. „Antwerpen wird aber für die Europäische Union immer mehr auch zu einem strategisch zentralen Lagerort für Flüssiggüter wie Rohöl oder petrochemische Produkte. Die entsprechende Industrie und die Raffinieriewirtschaft sind ja hier im Hafen sehr präsent.“
Noch ehrgeiziger muten die Ausbaupläne in Rotterdam an, Europas mit Abstand führendem Seehafen, der im vergangenen Jahr 440 Millionen Tonnen Güter umschlug, darunter zwölf Millionen Containereinheiten. Europas größtes Hafenausbauprojekt Maasvlakte 2 an der Nordsee geht nun Schritt für Schritt an den Markt. Am 24. April eröffnete der niederländische König Willem-Alexander auf der Maasvlakte das weltweit derzeit modernste, weitgehend automatisierte Containerterminal des dänischen Konzerns A.P. Møller-Mærsk.
Ein weiteres automatisiertes Terminal des Betreibers Rotterdam World Gateway (RWG) kommt im September hinzu. „Beide Terminals haben je 2,5 Millionen TEU Jahreskapazität, das entspricht jeweils der des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven“, sagt Rotterdams Hafensprecher Minco van Heezen in Sichtweite der beiden neuen Terminals. „Noch nie kam in Westeuropa in so kurzer Zeit so viel neue Kapazität zugleich an den Markt.“
Und auf der Maasvlakte 2 ist Platz für weitere zwei bis drei neue Terminals, die allesamt auch für die größten Schiffe der Welt ohne Begrenzungen bei Tiefgang oder Breite erreichbar sind oder wären. In Nordeuropa wächst so allerdings der Druck durch Überkapazitäten an den Containerterminals, auch für den Hafen Hamburg, der 2014 beim Containerumschlag knapp unter der Marke von zehn Millionen TEU geblieben war. In der Nordseeregion betragen die Überkapazitäten aus Sicht des Terminalbetreibers Eurogate nach der Eröffnung der beiden neuen Terminals auf der Maasvlakte 2 insgesamt rund zehn Millionen TEU.
Die Fluglinie VLM nutzt ungeachtet dessen den neuen Schwung in den nordeuropäischen Hafen, um ihre jüngsten Flugverbindungen zu etablieren. Der Vorstandsvorsitzende Arthur White kaufte das Unternehmen 2014 im Rahmen eines sogenannten Management Buy-outs vom Luftfahrtkonzern Air France-KLM. Auch andere VLM-Manager erwarben Anteile. „VLM Airlines war 1993 gegründet worden und galt bis zur Übernahme durch Air France-KLM im Jahr 2008 als Belgiens kommerziell erfolgreichste Fluglinie“, sagt White. „An diese Geschichte wollen wir mit der neuen Selbstständigkeit des Unternehmens anknüpfen.“ Zwölf Fokker 50 sowie 250 Mitarbeiter bilden dafür das Fundament.
Kleinflughäfen verkürzen die Reisezeit wegen der schnellen Abfertigung
Kleinere Flughäfen in unmittelbarer Nähe von Wirtschaftszentren gibt es in Europa reichlich – etwa den Flughafen von Antwerpen nicht weit entfernt vom Hafen. „Wenn man direkt von Hamburg nach Antwerpen fliegt, spart man im Vergleich zu einem Flug von Hamburg nach Brüssel etwa eineinhalb bis zwei Stunden ein, um in den Hafen von Antwerpen zu kommen“, sagt White. Die schnelle Abfertigung in den Kleinflughäfen von Antwerpen und Rotterdam schaffe einen Zeitvorteil. Auch der Rotterdamer Flughafen liegt nicht nur sehr nah beim Hafenareal, er wirkt auch geradezu familiär, verglichen mit dem riesigen Airport von Amsterdam Schiphol, den Flugreisende von Hamburg auf dem Weg nach Rotterdam üblicherweise nutzen.
Bei VLM gibt es Imbiss, Getränke, genügend Platz für Handgepäck und einen freundlich-entspannten Service des Bordpersonals. „Und auf Wunsch des Fluggastes immer ein gutes belgisches Bier“, sagt White. „Auch das war uns sehr wichtig.“