Hamburg. Unternehmen benennt Matthias Platzeck als Kandidaten. Lokführer lehnen Angebot schroff ab. Weiterhin massive Behinderungen in Norddeutschland

Überraschender Vorschlag der Deutschen Bahn im festgefahrenen Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL: Das Unternehmen bringt einen externen Vermittler ins Gespräch, der zu einer Einigung beitragen soll. Bahn-Chef Rüdiger Grube sprach von einer „unabhängigen Persönlichkeit“. Sein Unternehmen schlage dafür Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vor, der dazu auch bereit sei. Die GDL könne zusätzlich eine Person ihres Vertrauens hinzuziehen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass man mit solchen Verhandlungen sofort beginnen und der Streik augenblicklich beendet werde, ergänzte der Bahnchef.

Die Lokführer-Gewerkschaft reagierte ablehnend. Es gebe nach jetzigem Stand keinen Grund, den bis Sonntag geplanten bundesweiten Ausstand abzubrechen, sagte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittwoch. Er sprach von einem „PR-Gag“ der Bahn. Das Angebot der Bahn war nach Angaben Weselsky bis zum Mittwochmittag noch nicht bei der GDL eingegangen. Deshalb wolle er sich auch nicht zur Personalie Platzeck äußern. „Das ist eine unsägliche Medienkampagne der Bahn“, sagte er bei einem Auftritt vor dem Kölner Hauptbahnhof. Dort wurde er von Hunderten GDL-Mitgliedern mit Jubel empfangen. Ein Bahnsprecher betonte daraufhin, der neue Vorschlag sei rechtzeitig „an Herrn Weselsky persönlich sowie an die Tarifabteilung der GDL geschickt worden“.

Grube hatte zuvor erklärt, der Konzern wolle einen Dritten hinzuziehen, weil die GDL derzeit „noch nicht bereit ist, in eine Schlichtung einzutreten“. Die Bahn halte eine Schlichtung unverändert für die beste Lösung. Die GDL hatte eine Schlichtung abgelehnt, solange es in den Tarifverhandlungen noch um die Frage gehe, wie alle Berufsgruppen des Zugpersonals in ein GDL-Tarifwerk eingebunden werden.

„Uns geht es um Deeskalation und Befriedung der Gesamtsituation“, sagte Grube zu dem Bahn-Vorschlag. „Und schon gar nicht spielen wir auf Zeit im Hinblick auf das anstehende Tarifeinheitsgesetz.“ Dieses Motiv hatte Weselsky mehrmals der Bahn unterstellt. Das von der schwarz-roten Bundesregierung geplante Gesetz, das der Bundestag noch in diesem Sommer beschließen will, soll die Tarifmacht kleiner Spartengewerkschaften wie der GDL einschränken. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) als Dachverband der GDL wollte sich zunächst nicht zum Moderatoren-Vorschlag äußern. Was die Streikkasse anbelangt, kann die Lokführergewerkschaft einen Zuschuss vom dbb bekommen. Dazu müsse ein Antrag gestellt werden, sagte ein dbb-Sprecher. Die Streikkasse des Dachverbandes sei gut gefüllt.

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben derzeit 69 Prozent der Deutschen kein Verständnis für die Streiks der GDL. Im Februar waren es 64 Prozent.

Leere Materiallager und unterbrochene Wertschöpfungsketten ließen im Streikzeitraum volkswirtschaftliche Schäden im mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich befürchten, sagte der Chef des Logistik-Fachverbands BME, Christoph Feldmann. Dazu kämen direkte Kosten für Notfallpläne und zusätzliche Lagerkapazitäten. Ein Umstieg auf die überlasteten Straßen oder die weniger flexiblen Binnenschiffe sei nur bedingt möglich.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beklagte zusätzliche Logistikkosten: „Die werden weiter steigen. Von Tag zu Tag wird die Lage schwieriger“, sagte eine Sprecherin in Berlin. Neben der Aufrechterhaltung der Logistikkette zur Produktion müssen die Hersteller insbesondere den Transport der fertigen Autos neu organisieren. Im Personenverkehr mussten die Fahrgäste in Norddeutschland auch am Mittwoch Wartezeiten und Behinderungen in Kauf nehmen. Der Ersatzfahrplan werde jedoch stabil und zuverlässig umgesetzt, so ein Bahnsprecher. „Wenn nicht wieder ein Sturm dazwischenkommt, dann sehen wir keine zusätzlichen Beeinträchtigungen. Die Züge fahren so, wie es im Internet steht.“ Am Dienstag hatten Stürme und Gewitter am späten Nachmittag verschiedene Bahnstrecken im Norden blockiert und den Verkehr zusätzlich zum Streik behindert.

Im Fernverkehr fahren den Angaben zufolge ein Drittel, im Regionalverkehr zwei Drittel der Züge. In Hamburg verkehrt die S-Bahn auf den Stammlinien im 20-Minuten-Takt. Bis zum Wochenende werde sich die Lage kaum entspannen, hieß es bei der Bahn und der Gewerkschaft. Der Bahnstreik könnte sich auch auf den Hafengeburtstag am Wochenende auswirken, zu dem mehr als eine Million Besucher erwartet werden.

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