Hamburg. LetterOne zahlt 5,1 Milliarden Euro für Hamburger Öl- und Erdgasförderer mit seinen 600 Beschäftigten in der City Nord.

Fast zwei Jahre nach der Ankündigung hat der Essener Energiekonzern RWE sein Hamburger Tochterunternehmen RWE Dea verkauft. Der russische Investor Michail Fridman, dessen Unternehmen Letter­One in Luxemburg sitzt, zahlte für RWE Dea 5,1 Milliarden Euro. Wegen aktueller Währungsschwankungen liegt der Euro-Preis leicht über dem im Januar verhandelten Niveau. Bei den Mitarbeitern herrsche „Erleichterung“, dass die Transaktion nun abgeschlossen sei, hieß es aus dem Unternehmen. Offiziell nahm RWE Dea gestern nicht Stellung, nur die Konzernzentrale in Essen. Rund 600 der insgesamt 1500 Beschäftigten von RWE Dea arbeiten in der Hamburger City Nord. Das Unternehmen fördert in Europa und in Nordafrika Öl und Erdgas.

RWE-Chef Peter Terium hatte die Verlaufspläne für RWE Dea im März 2013 bekannt gegeben. Der Essener Konzern ist mit derzeit rund 30 Milliarden Euro verschuldet, der Verkaufserlös soll vor allem der Tilgung dienen. „Wir haben für die Dea einen strategischen Käufer gefunden, der langfristig in das Geschäft mit der Öl- und Gasförderung investieren möchte und das Unternehmen in eine gute Zukunft führen wird“, sagte Terium am Montag. „Wir haben mit LetterOne einen sehr guten Vertrag ausgehandelt und können uns zukünftig vollständig auf unser Kerngeschäft fokussieren.“

Der Verkauf von RWE Dea zog sich ungewöhnlich lange hin. Nachdem Anfang 2014 Fridmans Gruppe LetterOne als Käufer feststand, eskalierte die politische und militärische Lage in der Ostukraine. Die Europäische Union und die USA verhängten Sanktionen gegen Russland, das die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert hatte und das die Separatisten in der ostukrainischen Donbass-Region militärisch unterstützt. Die Bundesregierung und die EU-Kommission stimmten der Übernahme von RWE Dea durch LetterOne zu. Großbritannien hingegen verweigerte die Zustimmung.

Rund 20 Prozent des von RWE Dea geförderten Erdgases entfallen auf den britischen Teil der Nordsee. Erdgas hat für die Versorgung der britischen Inseln eine hohe strategische Bedeutung. Die britische Regierung rechnet offenbar damit, dass weitere Verschärfungen der Sanktionen gegen Russland auch die LetterOne-Gruppe treffen könnten. Deren Mitbegründer Fridman ist unter anderem Mitglied im Vorstand des Verbandes russischer Industrieller und Unternehmer. Fridman, der seit den 90er-Jahren als Investor an großen internationalen Energieprojekten beteiligt ist, zeigte sich am Montag gelassen: „Unser Anspruch ist es, das Geschäft von Dea weiter zu entwickeln und wachsen zu lassen. Wir sind zuversichtlich, dass die aktuelle Wirtschaftslage und der derzeit niedrige Ölpreis uns viele Chancen bietet, dieses Ziel zu erreichen“, sagte er.

Um den Verkauf zeitnah abschließen zu können, hatten RWE und Letter­One vor einigen Wochen vereinbart, dass das britsche Geschäft von Dea einige Jahre lang rechtlich selbstständig geführt wird. Es soll in eine niederländische Stiftung ausgelagert werden. RWE verpflichtete sich, das britische Dea-Geschäft innerhalb eines Jahres zurückzukaufen, sollten die EU oder die USA innerhalb dieser Frist Sanktionen gegen LetterOne verhängen. Der Wert der britischen Dea-Aktivitäten wird auf eine Milliarde Euro geschätzt.

Die britische Regierung hat diesem Kompromissvorschlag allerdings nicht zugestimmt. Energieminister Ed Davey will LetterOne drängen, die britischen Aktivitäten von Dea weiterzuverkaufen. „Nach gründlicher Überlegung hat der Minister entschieden, dass der Vorschlag diese Bedenken nicht ausreichend und sicher ausräumt“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Energieministeriums.

RWE Dea ist eines der kleinen Unternehmen der globalen Öl- und Erdgasbranche, es arbeitet allerdings hoch profitabel. Bei einem Umsatz von rund 2,1 Milliarden Euro erwirtschaftete RWE Dea im Geschäftsjahr 2013 einen Vorsteuergewinn von 512 Millionen Euro. Das Hamburger Unternehmen ist spezialisiert vor allem auf die Bearbeitung kleinerer und auch älterer Öl- und Gasfelder an Land und auf See. Erdgas fördert RWE Dea unter anderem in Ägypten, vor Großbritannien und Norwegen wie auch in Niedersachsen.

Im Wattenmeer von Schleswig-Holstein betreibt das Unternehmen gemeinsam mit der Kasseler Wintershall-Gruppe Deutschlands einzige Offshore-Ölplattform Mittelplate. RWE Dea ist in der City Nord das letzte verbliebene Öl- und Gasunternehmen von Rang. Multinationale Energiekonzerne wie Exxon, BP, Shell oder Conoco haben ihre Deutschlandzentralen dort in den vergangenen Jahren geschlossen, sie aus Hamburg weg verlagert oder sie in der Stadt stark verkleinert.