Autofahrer lassen Bio-Sprit links liegen: Anteil bei Ottokraftstoffen liegt bei nur 15,4 Prozent. Und die Branche erwartet keine Wende zum Besseren.
Hamburg. Die Politik hoffte auf die große Nachfrage – nach dem E10-Benzin. Doch den vor mittlerweile vier Jahren in Deutschland eingeführten Sprit mit einem zehnprozentigen Anteil von nachwachsenden Biokraftstoffen wollen auch heute nur wenige Autofahrer tanken. Bei lediglich 15,4 Prozent lag 2014 nach Informationen dieser Zeitung der Anteil von E10 am gesamten deutschen Verbrauch von Ottokraftstoffen. Und das wird sich wohl auch in Zukunft kaum ändern, sagen Experten voraus – obwohl der Sprit an den Zapfsäulen meist drei bis vier Cent günstiger ist als das bisherige Normalbenzin E5. Bei den 15,4 Prozent handelt es sich um einen statistischen Durchschnittswert. Einige Tankstellen verkaufen mehr E10, andere allerdings sogar deutlich weniger. „Bei uns tankt jeder Fünfte E10“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber.
Zugleich gibt es immer noch Stationen, die überhaupt kein E10 anbieten. „Vor allem im ländlichen Bereich lohnt sich das für einige Tankstellenbetreiber nicht“, sagt Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbandes der freien Tankstellen. Von den 2315 freien Tankstellen der 500 Verbandsmitglieder hätten 100 bis 150 keine Tanksäule für E10. „Diese Stationen sind zu klein für eine weitere Zapfsäule“, so Zieger. Unter der Hand kritsieren die Mineralölkonzerne den aus ihrer Sicht „größten Flopp", den die Branche zu verkraften habe.
Schließlich investierten die Unternehmen viel Geld, richteten neue Tanks für den Biosprit ein, weitere Lagerstätten mussten gebaut werden, da der bisherige Sprit E5 nicht zusammen mit der neuen Sorte vermischt werden darf. E5 mit fünf Prozent Ethanol würde das neue E10 sonst verwässern. Wie viel die Branche exakt investiert hat, ist nicht bekannt. Aber es ist aus ihrer Sicht mit Blick auf den schleppenden Absatz der neuen Spritsorte zu viel.
Die Mineralölfirmen wurden vom Bund gesetzlich dazu verpflichtet, den Anteil von Biosprit an der verkauften Kraftstoffmenge (inklusive Diesel) auf eine Quote von mindestens 6,25 Prozent anzuheben. Wenn die Autofahrer das neue E10 aber konsequent ignorieren, würden die Multis die geforderte Menge an Biosprit verfehlen, lauteten die Sorgen der Konzerne. Dann hätten sie eine Strafe von 300 bis 400 Millionen Euro zahlen müssen. Doch bislang wird die Quote, wenn auch nur knapp, erreicht – obwohl einige kleine Tankstellen E10 verschmähen. „Wir wollen unseren Mitgliedern nicht vorschreiben, was sie anbieten sollen“, sagt Esso-Sprecher Karl-Heinz Schult-Bornemann. Den Anteil von 15,4 Prozent Bio-Sprit bei Ottokraftstoffen hält er auch bei Esso für realistisch.
„Unsere Unternehmen bieten E10 bundesweit flächendeckend an“, sagt Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes in Berlin. „Damit hat der Tankstellenkunde die Wahlmöglichkeit, und wir respektieren seine Entscheidung.“ Doch wirklich glücklich klingt der Verbandschef dabei nicht. Die Konzerne haben schließlich keine Wahl. „E10 war von der Politik betrieben“, sagt Picard.
Autos landeten auf dem Schrottplatz
Schon die Einführung der neuen Sorte verlief chaotisch. Manche Autos landeten nach dem Tanken infolge eines Motorschadens auf dem Schrottplatz. Das waren zwar Einzelfälle. „Aber die Autofahrer waren verunsichert, weil E10 zwar für mehr als 90 Prozent der Autos funktionierte, aber eben nicht für alle. Zudem wollten sich die Kunden nicht vorschreiben lassen, welche Zapfsäule sie anfahren“, sat Daniel Grübner, Mineralölexperte beim Hamburger Fachmedium europe oil-telegram. Zwar sei der Preis für E10 vergleichsweise günstig. „Aber der Sprit hat auch einen Nachteil. Ein Kleinwagen verbraucht pro Tankfüllung einen halben Liter mehr, bei einer Limousine sind es sogar bis zu zwei Liter“, so Grübner. Auch deshalb werde der Absatz von Super E10 weiterhin auf dem derzeit niedrigen Niveau dahindümpeln. Das Gleiche gelte für die Qualität von Super Plus. Beides sind Nischenprodukte.
Naturschutz-Organisationen wie Greenpeace und Kirchenvertreter fordern ohnehin die Abschaffung von E10, weil aus ihrer Sicht Nahrungsmittel nicht in den Tank gehören. Ethanol entsteht unter anderem durch die Vergärung von Zucker. Seit der Einführung des Biosprits stieg der Verbrauch von Ethanol weltweit sprunghaft an. Inzwischen kostet die Herstellung des Alkoholgemischs sogar mehr als Ottokraftstoffe. Nicht nur Umweltschützer protestierten früh, auch Online-Autoportale riefen bei der Einführung zum Boykott des neuen Benzins auf. Tausende Verkehrsteilnehmer unterschrieben zudem Anti-E10-Petitionen. Und Hunderttausende Pkw-Fahrer stürmten die Tankstellen, die noch das gute alte Super 95 verkauften. Während die Zapfstationen für E10 gemieden wurden, bildeten sich lange Schlangen bei Normalbenzin mit einem fünfprozentigen Anteil an Ethanol.
Geholfen hat die Aufregung nicht. Der Sprit muss von den Mineralölkonzernen weiter angeboten werden, auch wenn E10 ein Ladenhüter bleibt. Heute fürchtet zwar keiner mehr einen Motorschaden durch die Beigabe des Kraftstoffes. Aber eine schlechte Erinnerung bleibt bei manchen Verbrauchern. Denn weder Politik noch Mineralölkonzerne hatten die Kunden bei der E10-Einführung vernünftig informiert: Die Rechnung dafür bekommen nun vor allem die Tankstellenbetreiber präsentiert – von den verunsicherten Kunden.