In Schleswig-Holstein haben sich Dutzende Höfe zusammengeschlossen. Sie stellen Spezialitäten wie Friesisch Blue oder Ascheberger her.

Hamburg. Was haben die Weinbar Ufer in Eimsbüttel, das Lenz im Hamburger Norden oder das Rexrodt auf der Uhlenhorst gemeinsam? Sie servieren ihren Gästen Käse aus Schleswig-Holstein. Von Höfen zwischen den Meeren. Keine Klassiker großer Käsenationen wie Frankreich oder Italien. Friesisch Blue oder Dannauer Frohsinn statt Roquefort, Deichkäse statt Camembert. Die Liebe zu regionalen Produkten, aber auch eine Marketingidee der Schleswig-Holsteiner hat zu diesem Erfolg der Käsehöfe zwischen Kiel und Kampen geführt. Seit inzwischen 15 Jahren wirbt der Norden mit der Käsestraße Schleswig-Holstein.

Die Marke für handgemachte Milchprodukte hat sich zum bekannten Qualitätssiegel gemausert. Denn die Nordlichter überraschen mit Gourmetqualität für Genießer. Dies bezeugen Auszeichnungen von der Fachzeitschrift „Feinschmecker“. Oder die Aufnahme in die Käsebruderschaft St. Uguzon, der größten Vereinigung der Welt mit höchsten Anforderungen. So holte der Deichkäse vom Hof Backensholz „Super Gold“ beim World Cheese Award und schaffte es damit unter die besten 20 Käse der Welt. Auch durch diese Erfolge ist die Käsestraße Schleswig-Holstein zum Vorbild für Käserouten in ganz Deutschland geworden.

200.000 Liter Milch, frisch gemolken

„Die Idee der Hofkäsereien ist es, die gesamte Wertschöpfungskette zurück unter ein Dach zu bringen“, sagt René Kohler vom Hof Berg in der Nähe von Plön. Die Möglichkeit, die Milch nicht nur an Molkereien zu liefern, sondern selber weiterzuverarbeiten, liefere eine ganz eigene Identität und Geschichte für die Produkte von Kuh, Schaf oder Ziege. Kohler hat lange Zeit seines Lebens in der Schweiz verbracht, in Zürich Agrarökologie studiert und zog vor einigen Jahren auf den Hof Berg, den ältesten Biolandhof Schleswig-Holsteins. „Die Natur ist ja hier auch etwas hügelig, sodass ich die Berge nicht allzu sehr vermisse“, sagt der Familienvater. Die Käseproduktion entwickelte sich durch sein Engagement vom stiefmütterlich behandelten Nebengewerbe zum wichtigen Wirtschaftsfaktor des Betriebs. Inzwischen verarbeitet die hofeigene Käserei mehr als 200.000 Liter Milch, frisch gemolken von 50 eigenen Kühen. Vor Kohlers Eintritt in das Unternehmen wurden lediglich 35.000 Liter zu Käse verarbeitet. „Unsere eigene Käserei kann für den Liter außerdem 20 Prozent mehr zahlen als die Meierei“, sagt Kohler. Gerade in heutiger Zeit, wo die Milchquote fällt und die Preise wegen der Macht der Discounter unter Druck stehen, ist eine solche Unabhängigkeit vom Milchmarkt für die Produzenten wertvoll.

Die Gründung der schleswig-holsteinischen Marketinggemeinschaft geht kurioserweise auf eine Hamburger Veranstaltung zurück. Es war 1998, auf dem von Slow Food Hamburg organisierten Käsemarkt im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Mehr aus Zufall wurde dort entdeckt, dass die meisten Aussteller aus Schleswig-Holstein kamen. Schnell wurde die Idee geboren, die Betriebe – zumeist Hofkäsereien – über eine Rundroute durchs Land zu verbinden und Stück für Stück den Besuchern aus nah und fern zu öffnen.

Bei der Gründung Anfang des Jahres 2000 verbanden sich neun Käsereien zu dem Verbund. Heute sind es rund 30 Anbieter. Sie stellen inzwischen mehr als 100 Käsesorten her, konventionell oder nach Bioland- beziehungsweise Demeter-Richtlinien. Im vergangenen Jahr erreichte der Verbund zudem, dass der Holsteiner Tilsiter von der Europäischen Union als vierte regionaltypische Delikatesse des Landes geschützt wird, neben international bekannten Erzeugnissen wie dem Lübecker Marzipan oder dem Holsteiner Katenschinken.

„Die Käsestraße Schleswig-Holstein ist für uns als Hofkäserei nicht nur eine wichtige Interessenvertretung im nördlichsten Bundesland, sondern vor allem auch ein sehr wertvolles Informationstor für interessierte Verbraucher“, sagt Dirk Homeister von der Hofkäserei Dannwisch. Die Produkte des Anbieters mit Sitz in der Nähe von Elmshorn sind inzwischen so bekannt, dass mehr als 730 Haushalte zwischen Itzehoe und Harburg sich über den Lieferservice des Familienbetriebs direkt versorgen lassen. Zudem entwickelten sich über die Käsestraße auch Kontakte zur Konkurrenz, sagt Homeister, der einst vom Banker auf Käser umgesattelt hat: Dadurch könnten Produkte ausgetauscht werden, um das Sortiment im eigenen Hofladen aufzustocken.

in unberührten Landschaften zwischen Nord- und Ostsee

Die Besonderheit der Höfe in Holstein oder in Hamburgs Norden liegt auch darin, dass sie von den weitgehend unberührten Landschaften zwischen Nord- und Ostsee profitieren. „Wir haben hier außerdem ein gutes Klima, eine hohe Luftfeuchtigkeit in der Nähe des Meeres, dazu milde Sommer und Winter“, beschreibt René Kohler vom Hof Berg die Bedingungen in der Region. „Dadurch können wir eine breite Geschmacksvielfalt erreichen.“ Weitere Triebfeder der regionalen Käseproduktion ist die wachsende Bedeutung der Spitzenküche. Immerhin 16 Sternerestaurants konkurrieren im nördlichsten Bundesland um die Kunden. Sie setzen dabei zunehmend auf Naturprodukte aus der Nachbarschaft. „Wir verkaufen gerne an die Gastronomie, in Hamburg etwa an das FuH in Ottensen“, sagt Kohler. Aber auch auf Wochenmärkten, beispielsweise beim Käse Kaufmann, können die Kunden Produkte vom Hof Berg kaufen.

Eine besondere Erfolgsgeschichte schreibt auch die Rohmilchkäserei Bakkensholz aus Oster-Ohrstedt zwischen Husum und Schleswig. Seit 25 Jahren betreibt der Familienbetrieb eine ökologische Landwirtschaft und hat sich dabei auf Rohmilchkäse spezialisiert. Sorten wie Deichkäse schaffen es auf die Käseplatten renommierter Restaurants oder sind auf dem Gottorfer Landmarkt und bei der NDR Landpartie erhältlich. „Vom Futteranbau und der Kälberaufzucht, von der Milchproduktion bis zur Verarbeitung der Milch liegt alles in unseren Händen“, sagt Monika Kock von dem Biolandbetrieb.

Dazu kommt neuerdings eine zusätzliche Triebfeder für das Traditionshandwerk: Der klassische Lieferant von Rohmilchkäse, Frankreich, zieht sich immer mehr aus dem Premiummarkt zurück und pasteurisiert seine Milch. Denn nur so importieren die USA wegen Hygienebedenken die Produkte aus Europa. Auf der Strecke bleibt das alte Wissen der Milchmanufakturen in der Normandie oder den Vogesen. Die Betriebe aus dem hohen Norden haben also alle Chancen, immer mehr Feinschmecker für sich zu gewinnen.