Commerzbank bricht Tabu und will von Großkonzernen und institutionellen Anlegern für hohe Einlagen Gebühren verlangen. Die Banken selbst müssen seit September 0,2 Prozent an EZB zahlen.

Hamburg. Großkonzerne und Profi-Anleger müssen künftig mit Strafzinsen rechnen, wenn sie hohe Millionenbeträge auf ihren Konten bei deutschen Banken liegen lassen. Die Commerzbank schloss am Donnerstag als erste Großbank solche Gebühren nicht mehr aus. „Bei einzelnen großen Firmenkunden mit hohen Guthaben sowie bei Großkonzernen und institutionellen Anlegern behalten wir uns vor, für hohe, aus überschüssiger Liquidität bei uns geparkte Einlagen eine Guthabengebühr zu berechnen“, sagte ein Sprecher der zweitgrößten deutschen Bank. Auch andere Institute sprechen mit Großkunden längst darüber. Die Geldhäuser versuchen sie auf Termingelder umzuleiten, auf die es noch Zinsen gibt.

Für Sparer sollen Strafzinsen aber tabu bleiben. „Der intensive Wettbewerb der Kreditinstitute spricht auch weiterhin gegen Negativzinsen im Privatkundengeschäft“, sagte ein Sprecher des Bankenverbandes BdB. Die Banken selbst müssen seit September 0,2 Prozent zahlen, wenn sie überschüssiges Geld über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) anlegen.

Auch die DZ Bank schließt langfristig negative Zinsen auf hohe Guthaben von Firmenkunden nicht aus. „Die Konditionen sind allgemein Gegenstand individueller Verhandlungen“, sagte eine Sprecherin des genossenschaftlichen Spitzeninstituts. „Unter Berücksichtigung der jeweiligen Kundenbeziehung versuchen wir, nach Möglichkeit keine negativen Zinsen zu erheben.“ Die Luxemburger Tochter DZ Privatbank, bei der vor allem Fondsgesellschaften Kunden sind, verlangt von institutionellen Investoren schon seit einer Woche negative Zinsen von 0,25 Prozent, wie ein Sprecher des Instituts erklärte.

Auch andere Banken überlegen den Strafzins

Auch die Landesbank Baden-Württemberg und ihre Tochter BW-Bank sprachen von „einzelvertraglichen Regelungen“, etwa mit Großkonzernen. Grundsätzlich verlangten sie auf kurzfristige Anlagen aber keine Strafzinsen. HypoVereinsbank-Chef Theodor Weimer hatte kürzlich gesagt, solange er an der Spitze der Bank stehe, werde es keine negativen Zinsen geben. „Egal, wer zu uns kommt, er wird dafür nicht bestraft.“ Die Deutsche Skatbank hatte als erste das Tabu gebrochen und auf Tagesgelder von mehr als 500.000 Euro einen Strafzins von 0,25 Prozent erhoben.

Eine Abendblatt-Umfrage unter Hamburger Geldhäusern hatte jüngst ergeben, dass viele Banken einen Strafzins nicht ausschließen, aber auch nicht offensiv planen. Auch die Hamburger Sparkasse wollte sich nicht festlegen. Zwar könne man sich Negativzinsen für Privatkunden derzeit nicht vorstellen, doch sollte die Notenbank ihre Einlagenzinsen weiter unter die Nulllinie drücken, könnte sich das ändern. Lediglich die Hamburger Volksbank bezog mit Blick auf Privatkunden eine eindeutige Position: „Negativzinsen wird es bei der Hamburger Volksbank nicht geben.“ Vorstandssprecher Reiner Brüggestrat begründete dies mit der guten Eigenkapitalausstattung. Sie ermögliche es, „den Anlagezins über null Prozent zu halten“.

Die Deutsche Bank wollte sich am Mittwoch nicht dazu äußern, wie sie mit besonders hohen Guthaben auf Geschäftskonten umgeht, wenn der Kunde darauf besteht, sein Geld dort zu parken. „Die Deutsche Bank plant derzeit nicht, im breiten Kundengeschäft Gebühren für Einlagen einzuführen“, betonte ein Sprecher. Aber institutionelle Kunden bekämen das Angebot, ihre Einlagen in alternative Produkte anzulegen.

Unternehmen geben der EZB die Schuld

Die Commerzbank will das ähnlich handhaben. Denn ein Dorn im Auge sind den Banken zumeist nicht die normalen Geschäftskonten, sondern solche, auf denen Geld lange unberührt herumliegt. „Bei der Erhebung der Guthabengebühren werden wir sorgsam vorgehen und besondere Rücksicht auf Liquiditätsbestände unserer Kunden nehmen, die für den laufenden operativen Geschäftsbetrieb notwendig sind“, sagte der Commerzbank-Sprecher. Das gilt etwa für Einzelhändler.

Dem langjährigen Commerzbank-Kunden Norma, einem Industrie- und Autozulieferer aus Maintal bei Frankfurt, ist vor Negativzinsen nicht bange. Noch bekomme das Unternehmen von allen Banken Zinsen, sagte Finanzvorstand Othmar Belker. „Was wir erleben, ist, dass die Banken die Beträge, die wir bei ihnen kurzfristig parken, deckeln.“ Deshalb verteile Norma das Geld auf mehrere Institute. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir in absehbarer Zeit Null-Zinsen bekommen“, sagte er. Auf weniger lasse sich Norma nicht ein. „Bei Null ist Schluss, weil wir Alternativen haben.“ Dann kämen Termingelder oder Unternehmensanleihen als Parkpositionen infrage.

Verbände und Unternehmen geben derweil nicht den Banken, sondern der EZB die Schuld: „Jetzt zeigen sich die Nebenwirkungen der aktuellen Geldpolitik in Europa“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben. „Statt Investitionen zu fördern, führt der negative Einlagenzins der EZB nun zu weiteren Belastungen für die Wirtschaft.“ Norma-Finanzchef Belker sieht in den Negativzinsen der EZB ebenfalls ein untaugliches Mittel, um die Kreditvergabe zu fördern: „Als Unternehmen mache ich meine Investitionsentscheidungen nicht abhängig von Basispunkten.“