Internethandel in Deutschland wächst nur noch schwach. In Russland belasten die Sanktionen das Geschäft des Hamburger Handelskonzerns. Der Vorstandsvorsitzende erwartet deutlichen Gewinnrückgang.
Hamburg. Die Townhall-Meetings in der Hamburger Otto-Gruppe sind eigentlich recht gemütliche Veranstaltungen. In lockerer Atmosphäre plaudert der Konzernchef Hans-Otto Schrader dort vor den Beschäftigten über die langfristigen Strategien und Pläne des weltgrößten Versandhändlers, zu dem neben der Marke Otto auch Baur, Schwab, Bonprix sowie der Logistiker Hermes gehören.
Ende Oktober allerdings hatte der Vorstandsvorsitzende nur wenig Erbauliches zu verkünden. Von einem zu erwartenden „deutlichen Gewinnrückgang“ und einer ausgesprochen schwierigen Lage im In- und Ausland war die Rede, wie Teilnehmer berichten.
Tatsächlich läuft es in der Otto-Gruppe alles andere als rund. Für das jetzige Geschäftsjahr (Ende Februar) rechne man mit einer Halbierung des Vorsteuergewinns auf gut 100 Millionen Euro, sagte Konzernsprecher Thomas Voigt dem Abendblatt. Im Vorjahr hatte das EBT („Earnings before Taxes“) noch bei 224 Millionen Euro gelegen. Beim Umsatz hofft der Vorstand derzeit noch auf ein gutes Weihnachtsgeschäft, das zumindest für ein Plus auf Vorjahresniveau sorgen soll. Es war mit gerade einmal 1,8 Prozent auf zwölf Milliarden Euro allerdings auch zuvor schon eher mager ausgefallen.
Online-Wettbewerb wird immer heftiger
Die schwierige Lage hat sowohl mit externen Faktoren als auch mit hausgemachten Problemen zu tun. Zum einen bekommt der Konzern, der mittlerweile rund 60 Prozent seiner Umsätze im Internet erwirtschaftet, die sich abkühlende Konjunktur und die beginnende Konsolidierung im Onlinehandel zu spüren. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb insbesondere im Modebereich, dem Hauptgeschäft von Otto, angesichts großer Konkurrenten wie Amazon und Zalando immer heftiger wird.
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) kassierte erst jüngst seine Jahresprognose und rechnet nach Zuwächsen von gut 40 Prozent im Vorjahr nun nur noch mit einem einstelligen Plus. Zeitweise gingen die Umsätze der gesamten Branche in diesem Jahr sogar schon zurück, wobei die Statistiken unterschiedlicher Verbände allerdings stark voneinander abweichen.
Bedenklich ist in Deutschland auch die Entwicklung bei der Otto-Tochtergesellschaft SportScheck, die trotz großer Neueröffnungen in München und in anderen Städten nach wie vor mit Umsatzrückgängen zu kämpfen hat. Zudem sei die Umstellung auf ein neues IT-System auf SAP-Basis alles andere als reibungslos verlaufen, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Der Umbau in Frankreich macht große Sorgen
Trotz solcher Rückschläge verdient der Konzern in der Bundesrepublik allerdings nach wie vor gutes Geld. Die wirklichen Verlustbringer liegen im Ausland. Allen voran der Umbau in Frankreich macht Vorstandschef Schrader zu schaffen. Die Tochtergesellschaft 3SI hat die Umstellung auf den Internethandel komplett verschlafen und muss nun mühsam und mit hohen Investitionen ins E-Commerce-Zeitalter geführt werden. Anhaltend rote Zahlen sind die Folge. Vor 2016 wird 3SI keine Gewinne erwirtschaften.
Ebenfalls kaum in den Griff zu bekommen ist das kriselnde Geschäft bei der US-Möbelkette Crate & Barrell, die zu lange auf das Ladengeschäft setzte und zudem mit großen Rabattschlachten in den Vereinigten Staaten zu kämpfen hat. Auch hier fallen bei leicht wachsenden Umsätzen weiter Verluste an.
Am heftigsten dürfte Schrader wohl die Entwicklung im einstigen Wachstumsmarkt Russland schmerzen. Die einst zweistelligen Zuwachsraten in dem Riesenreich sind für Otto passé, auch dort stagniert das Geschäft von Tochtergesellschaften wie Bonprix oder Quelle nur noch. Hintergrund sind die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Krise in der Ukraine. Insbesondere die Kreditgebühren haben sich wegen der Sanktionen gegen die russischen Banken drastisch erhöht, die Verbraucher haben weniger Geld zum Einkaufen zur Verfügung. „Die Konsumstimmung in Russland hat sich deutlich eingetrübt“, sagt Otto-Sprecher Voigt.
Trotz schwieriger Lage kein Sparprogramm geplant
Neben der konjunkturellen Entwicklung setzen Otto auch die Währungsturbulenzen im Osteuropa-Geschäft zu. Da die Rubel, mit denen die russischen Kunden ihre bestellten Waren bezahlen, im Vergleich zum Euro immer weniger wert sind, werden die noch vorhandenen Gewinne weitgehend aufgefressen.
Trotz der schwierigen Lage will Konzernchef Schrader aber nicht mit einem Sparprogramm oder einer Kürzung von Investitionen auf die Einbußen reagieren. „Ein Stellenabbau ist nicht geplant“, betonte Sprecher Voigt.
Gänzlich in den Bereich der Spekulation verwies der Sprecher einen Bericht, wonach der Vertrag Schraders über 2016 hinaus verlängert wird. Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins „Bilanz“ soll der Aufsichtsratsvorsitzende und Eigentümer Michael Otto nur dem amtierenden Konzernchef zutrauen, das Handelshaus für die Zukunft umzubauen.
Regulär läuft Schraders Vertrag Ende 2016 aus. Der heute 57-Jährige hätte dann auch die Otto-interne Altersgrenze für Vorstände von 60 Jahren erreicht. „Mit der Nachfolge wird sich der Aufsichtsrat im kommenden Jahr befassen“, sagte Voigt. „Bisher gibt es dazu keine Entscheidung.“