In der Öffentlichkeit dürfte der Bankenstresstest, dessen Ergebnisse am Sonntag veröffentlicht wurden, bald wieder vergessen sein. Dabei markierte die Bilanzprüfung den Beginn einer neuen Ära in der Finanzbranche: Erstmals wacht nun eine gemeinsame Aufsichtsbehörde über die größeren Geldhäuser der Euro-Zone. Das ist die gute Nachricht.
Außer Zweifel steht auch, dass dieser Test gründlicher und strenger ausfiel als die beiden vorangegangenen der Jahre 2010 und 2011. Doch wie bei den Vorgängern diente er nicht zuletzt dazu, die Märkte und die Kunden zu beruhigen. Insofern bleibt der Verdacht, man habe auch den jüngsten Stresstest so ausgelegt, dass er dieses Ziel erfüllt. Mit anderen Worten: Die Resultate dürften nicht ganz zufällig so ausgefallen sein, dass die Politik damit gut leben kann.
Schließlich hätte das „Extremszenario“ ja nicht bei einer Abschwächung der Konjunktur um gut zwei Prozent haltmachen müssen. Eine für die Wirtschaft äußerst gefährliche Deflation wurde nicht simuliert, obwohl sich die Europäische Zentralbank (EZB), unter deren Dach die neue Bankenaufsicht angesiedelt ist, gerade mit allen geldpolitischen Mitteln gegen diese Bedrohung stemmt.
Ohnehin ist die Doppelfunktion, die die EZB jetzt übernommen hat, nicht unproblematisch. So sorgt sich die Notenbank darum, dass die Geldhäuser der Wirtschaft genug Kredite zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite verbessern Banken ihre Position in einem Stresstest, wenn sie sich bei der Kreditvergabe zurückhalten. Die EZB-Führung wird viel Fingerspitzengefühl benötigen, um die neue Doppelrolle gut ausfüllen zu können.