Gewerkschaft wirft Management falsche Produktpalette für Billstedt vor. Neuer Karstadt-Chef Fanderl will Belegschaft Zugeständnisse bei Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Tarifpause abringen.

Essen/Düsseldorf/Hamburg. Dramatische Entwicklung beim angeschlagenen Warenhauskonzern Karstadt: Der Aufsichtsrat des Unternehmens hat am späten Donnerstagabend die ersten harten Entscheidungen zur Sanierung des Unternehmens gefällt. So sollen zunächst sechs Häuser geschlossen werden. Darunter ist auch die Karstadt-Filiale in Hamburg-Billstedt, die mitten im Einkaufszentrum des Stadtteils liegt. Die Schließung ist für Mitte 2015 vorgesehen.

Wie aus Unternehmenskreisen verlautete, wählte das Kontrollgremium zudem den bisherigen Aufsichtsratsvorsitzenden von Karstadt, Stephan Fanderl, zum neuen Vorstandsvorsitzenden. Ihm kommt nun die schwierige Aufgabe zu, die defizitäre Kette zurück in die schwarzen Zahlen zu führen und die Sparmaßnahmen umzusetzen. Erst vor wenigen Monaten hatte seine Vorgängerin, die Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt, nach kurzer Amtszeit diesen Posten aufgegeben.

Die Gewerkschaft Ver.di hatte vor der Aufsichtsratssitzung Klarheit über die künftige Strategie gefordert. „Gerade die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass Personalabbau keine Antwort auf die Frage der Zukunft des Warenhauses ist“, sagte Ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

Karstadt-Eigentümer René Benko soll nach Medienberichten auch Interesse an einer Übernahme der Warenhauskette Kaufhof haben. Der Kaufpreis der Metro-Tochter solle bei 2,5 Milliarden Euro bis 2,7 Milliarden Euro liegen, schrieb die „Lebensmittel Zeitung“ unter Berufung auf Insider. Benkos Unternehmen Signa wies die Meldung zurück.

Abendblatt.de hält Sie mit einem Newsticker über die Entwicklungen bei Karstadt auf dem Laufenden:

+++ Verdi kritisiert falsche Produktpalette für Hamburg-Billstedt +++

13.30 Uhr: Die Schließung der Karstadt-Filiale in Hamburg-Billstedt ist nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi vor allem auf Fehler des Managements zurückzuführen. Die Produktpalette sei nicht dem Standort angepasst, sagte Verdi-Handelsexperte Arno Peukes am Freitag in Hamburg. Damit ließen sich keine schwarzen Zahlen schreiben. Hamburg-Billstedt ist einer der sechs Standorte des Karstadt-Konzerns, die nach dem Beschluss des Aufsichtsrats Mitte kommenden Jahres geschlossen werden. Damit verlieren 75 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

+++ Weitere zehn Standorte bedroht +++

11.38 Uhr: Der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl sieht über das bereits beschlossene Aus für sechs Standorte hinaus weitere zehn Filialen der angeschlagenen Warenhauskette unmittelbar auf der Kippe. Es gebe „weitere acht bis zehn Filialen“, bei denen die Situation ähnlich sei wie bei den sechs Standorten, die im kommenden Jahr geschlossen werden sollen, sagte Fanderl in einem am Freitag veröffentlichten Gespräch mit dem „Handelsblatt“. Einige Filialen schrieben „dunkelrote“ Zahlen, beklagte er.

Mit seinem Sanierungskonzept will Fanderl, der am Donnerstagabend vom Aufsichtsrat zum neuen Karstadt-Chef gekürt wurde, eine operative Rendite von zwei bis drei Prozent erreichen. Es werde „sicher drei Jahre dauern“, dieses Ziel zu erreichen: „Es geht nur, wenn wir jetzt zügig und konsequent handeln.“

+++ Häuser in Schleswig-Holstein bleiben bestehen +++

9.53 Uhr: In Schleswig-Holstein will Karstadt im nächsten Jahr keine Filiale schließen. Dies ergibt sich aus den Entscheidungen, die der Konzern in der Nacht zum Freitag bekanntgab. Demnach werden 2015 sechs Häuser geschlossen, darunter das in Hamburg-Billstedt. Laut Betriebsrat könnten von den angekündigten Schließungen bis zu 240 Arbeitsplätze betroffen sein. Zusätzlich sei der Abbau von 2000 Stellen geplant. Von einem rabenschwarzen Tag sprach Verdi-Handelsexperte Matthias Baumgart. „Die Kollegen werden für die Managementfehler in den letzten Jahren haftbar gemacht“, sagte er der dpa. Karstadt hat derzeit insgesamt 17 000 Beschäftigte.

+++ Betriebsratschef: „Schwarzer Tag für Beschäftigte“ +++

8.21 Uhr: Der Karstadt-Gesamtbetriebsratchef Hellmut Patzelt sprach nach der Entscheidung des Aufsichtsrates von einem „dunklen Tag für die Beschäftigten“. An den sechs betroffenen Standorten hätten damit heute bis zu 240 Mitarbeiter die Mitteilung bekommen, dass sie ihre Jobs verlieren. Zusätzlich sei der Abbau von rund 2000 Stellen in den übrigen Warenhäusern und der Zentrale geplant. Karstadt hat derzeit noch insgesamt 17.000 Beschäftigte.

+++ Fanderl will über Zugeständnisse sprechen +++

7.17 Uhr: Nach der angekündigten Schließung von sechs Warenhäusern will der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl im Zuge der Konzernsanierung mit der Belegschaft über mögliche Zugeständnisse verhandeln. „Wir müssen über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sprechen und darüber, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern“, sagte Fanderl dem „Handelsblatt“.

Der Manager hatte unmittelbar nach seiner Ernennung das Aus des auf junge Mode spezialisierten Karstadt-Ablegers „K-Town“ in Göttingen sowie der Standorte in Hamburg, Stuttgart, Köln, Paderborn und Frankfurt/Oder bekanntgegeben. Bei weiteren acht bis zehn Filialen werde er individuelle Lösungen suchen.

„Wir sprechen etwa mit den Vermietern, ob es alternative Nutzungen für den Standort gibt und eine Chance besteht, früher aus den laufenden Mietverträgen herauszukommen“, sagte Fanderl der Zeitung. Zugleich kündigte er darin an, die Signa-Holding von Neu-Eigentümer René Benko werde weiteres Geld zur Verfügung stellen. „Die Signa wird nach der erfolgreichen Sanierung über die kommenden Jahre in dreistelliger Millionenhöhe in das präsentierte Zukunftskonzept investieren.“ Nach Angaben des Karstadt-Betriebsrates könnten von den angekündigten sechs Schließungen bis zu 240 Arbeitsplätze betroffen sein. Die Arbeitnehmervertreter befürchten den Verlust von weiteren 2000 Stellen.