Bei der weltgrößten Schiffbaumesse SMM stehen Energieeffizienz, aber auch der Einsatz von Erdgas im Mittelpunkt
Hamburg. Die düsteren Szenarien über die Zukunft des Schiffbaus in Deutschland hat Peter Dibowski, 58, nie verstanden. Der Siemens-Vertriebsexperte für Schiffbau und maritime Wirtschaft sieht die Branche als Feld mit glänzenden Aussichten. „Maritime Technologie ist Hochtechnologie“, sagt Dibowski auf dem Stand von Siemens bei der weltgrößten Schiffbaumesse SMM in den Hamburger Messehallen. „Wir wollen in diesem Geschäft in den kommenden Jahren noch deutlich sichtbarer werden, indem wir neben den Werften und Reedern auch die Zulieferindustrie stärker als bisher adressieren.“ Dibowski selbst wird von Oktober an Vertriebsleiter für den Schiffbau in ganz Deutschland sein, bislang betreut er das Geschäft vorrangig in Norddeutschland. Von Hamburg aus steuert der Elektronikkonzern weltweit das Geschäftsfeld maritime Technologien und Schiffbau, rund 300 der international 1000 damit verbundenen Mitarbeiter sitzen in der Hansestadt.
Optimierte Antriebstechnologie auf Schiffen ist ein zentrales Thema für Siemens, aber auch die komplette digitale Dokumentation für die Konstruktion, den Bau und den Betrieb von Schiffen eines jeden Typs. Mehr Effizienz angesichts hoher Energiekosten und strengerer Abgasvorschriften umtreibt die Reedereien weltweit. Bei der SMM mit ihren mehr als 2100 Ausstellern gibt es dazu Beiträge in allen Messehallen. Siemens, das schon 1886 das erste rein elektrisch angetriebene Schiff in Fahrt gesetzt hat, mischt bei den modernen Schiffsantrieben mannigfaltig mit: Sogenannte Pod-Antriebe, schwenkbare, elektrisch angetriebene Propellergondeln, hat der Konzern ebenso im Programm wie moderne dieselelektrische Systeme oder Batterien für Schiffe. Beim dieselelektrischen Konzept BlueDrive Plus C von Siemens erzeugen Dieselmotoren den Strom für die elektrischen Hauptantriebe: „Wenn man die Dieselmotoren im optimalen Drehzahlbereich fährt“, sagt Dibowski, „ist dieses Antriebskonzept in der Energieeffizienz allen anderen bei Schiffen im Offshore-Versorgungsdienst überlegen.“
Auch Batterien gewinnen in der Schifffahrt an Bedeutung. „Der Einsatz von Batteriesystemen auf größeren Schiffen, etwa auf Fähren, steht technologisch noch am Anfang“, sagt Dibowski. „Aber vor dem Hintergrund der immer strengeren Umweltauflagen wird diese Technologie zunehmend in den Fokus rücken.“ Auf der Vogelfluglinie zwischen Puttgarden auf Fehmarn und Rødby in Dänemark hat der Konzern für die Reederei Scandlines vier Fähren mit Batterien ausgerüstet. In den Häfen fahren die Schiffe elektrisch, auf See werden die Batterien von Dieselmotoren wieder aufgeladen. Auch rein elektrische Fähren stattet das Unternehmen aus: Die Doppelend-Autofähre „ZeroCat 120“ der norwegischen Reederei Norled wurde am Mittwoch bei der SMM zum „Schiff des Jahres“ gekürt. „Siemens entwickelt und fertigt Antriebe und Automatisierungstechnik für die industrielle Anwendung und macht sie dann tauglich für den Einsatz im Schiffbau und in der maritimen Wirtschaft“, sagt Dibowski.
Die deutschen Schiffbau-Zulieferer zeigen seit Jahren eine deutlich bessere Verfassung als die meisten heimischen Werften. 11,7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Branche mit 68.000 Beschäftigten im vergangenen Jahr, zwölf Milliarden Euro werden für 2014 angepeilt, trotz anhaltender Krise in der Schifffahrt. Die Zulieferunternehmen haben sich beizeiten stärker internationalisiert. So konnten sie sich von den Zyklen des Schiffbaus besser entkoppeln als die Werften. Unternehmen wie Siemens mit Elektronik, MAN Diesel und Turbo mit Motoren, Becker Marine Systems mit Antriebskonzepten, Hatlapa mit Ruderantrieben und Großwinschen sind längst weltweit aktiv. Zentrale Fragen dabei sind: Wie bewegt man ein Schiff mit immer weniger Verbrauch an Schweröl oder Marinediesel je Seemeile? Und: Welcher ist der ideale Brennstoff für die zusätzlichen Erfordernisse der näheren Zukunft?
Aus Sicht des finnischen Konzerns Wärtsilä ist es Erdgas in einer tief gekühlten, verflüssigten Form. Als sogenanntes LNG lässt es sich in Spezialtanks auf Schiffen transportieren. So können moderne Schiffsdiesel wahlweise auch mit Erdgas angetrieben werden. Ein entscheidender Vorteil dabei ist, dass Erdgas kaum Schwefel enthält. Für Schwefel und für Stickoxide werden die Grenzwerte auf Nord- und Ostsee von 2015 an erheblich verschärft. Marinediesel anstelle von Schweröl müssen die Reedereien dann einsetzen, sie können Abgasreiniger auf den Schiffen installieren, sogenannte Scrubber – oder auf LNG umsteigen.
Seit vielen Jahren schon taucht LNG in der Wahrnehmung von Schifffahrt und Schiffbau auf, aber bislang blieb unklar, wann Erdgas in größerem Maßstab eingesetzt wird. „LNG-betriebene Motoren sind unser Thema durch und durch“, sagt Björn Rosengren bei der Messe SMM, der Vorstandsvorsitzende von Wärtsilä, einem der führenden Hersteller von Schiffsantrieben. „Wärtsilä hat stärker als andere Unternehmen schon vor Jahren auf sehr effiziente Schiffsantriebe gesetzt. Das kommt uns jetzt entgegen. Mehr Effizienz bei den Motoren ist ein Großtrend in der gesamten Schifffahrt.“ Vor allem bei der Energieerzeugung an Land habe Wärtsilä in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Erdgas als Brennstoff gesammelt. Denn die Viertaktschiffsmotoren, die der Konzern herstellt, erzeugen im stationären Einsatz Strom und Wärme als Kleinkraftwerke. Auch in der Schifffahrt sei nun die Zeit für Erdgas gekommen: „Das Thema LNG als Brennstoff für Schiffe rückt immer näher an die Realität heran – vor allem mit dem Stichtag 1. Januar 2015, wenn strengere Abgasvorschriften auf Nord- und Ostsee gelten“, sagt Rosengren. „Heute fahren weltweit rund 50 Schiffe mit Erdgasantrieb, im Jahr 2020 könnten es schon 1200 oder 1300 sein.“