Die Hamburger Reederei steigt durch die Fusion mit der chilenischen CSAV zur Nummer vier weltweit auf. Was sagen unabhängige Experten zu dem Deal? Und wie geht es nach Vertragsunterzeichnung weiter?
Hamburg. Der Zusammenschluss mit der Compania Sud Americana de Vapores (CSAV) bedeutet für das Unternehmen Hapag-Lloyd eine Zäsur. 1970 war das Unternehmen durch einen Zusammenschluss der Hamburger Hapag-Linie und des Norddeutschen Lloyd (NDL) in Bremen entstanden. Mit dem Einstieg der Südamerikaner endet nun ein Stück deutsche Schifffahrtsgeschichte. Das Abendblatt dokumentiert die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Fusion.
Warum sucht Hapag-Lloyd überhaupt einen Partner?
Seit 2007 befindet sich die internationale Handelsschifffahrt in einer schweren Krise. Hohe Treibstoffkosten, ein gebremstes Mengenwachstum sowie ein großes Überangebot an Transportkapazitäten belasten die Reedereien weltweit. Auf der anderen Seite sinken die Erlöse aus den Frachtraten. In der Folge hat ein Konsolidierungsprozess eingesetzt: Reedereien gehen Kooperationen ein oder schließen sich ganz zusammen, um dem wachsenden Kostendruck standzuhalten. Insbesondere im Asien-Europa-Verkehr besteht ein harter Wettbewerb. Auch Hapag-Lloyd hat sich der Entwicklung nicht entziehen können. Das Unternehmen fährt seit mehreren Jahren Verluste ein. Mit einem Partner kann es zunächst vermeiden, weiteren Boden zu verlieren. Neue Märkte können erschlossen und etablierte Linien ausgebaut werden. Zudem erhofft sich das Unternehmen eine deutliche Absenkung der Kosten.
War CSAV der erste Kandidat für einen Zusammenschluss?
Die Führung von Hapag-Lloyd hat sich relativ früh nach einem Partner aus dem Südamerikageschäft umgesehen, um das eigene Linienangebot sinnvoll zu ergänzen. Wunschpartner war aber nicht die chilenische CSAV, sondern die zweite große Hamburger Reederei, Hamburg Süd. Unterstützt von der Stadt, die sich eine starke Reederei für den Standort erhoffte, haben die beiden Unternehmen Anlauf zu einer Fusion genommen. Beide Male platzte der Deal – zuletzt im vergangenen Jahr, weil sich die Gesellschafter von Hamburg Süd, die Oetker-Familie, nicht auf den Schritt einigen konnte. Erst danach begann Hapag-Lloyd ernsthaft mit CSAV zu verhandeln. Die Verantwortlichen von Hamburg Süd haben noch nicht die Hoffnung aufgegeben, irgendwann einmal Dritter im Bunde zu werden.
Welche Marktanteile haben die Reedereien im Wettbewerb?
Der Branchendienst Alphaliner listet Hapag-Lloyd im aktuellen Ranking der weltgrößten Reedereien an sechster Stelle. Das Unternehmen hat Transportkapazitäten von knapp 751.000 Standardcontainern (TEU) auf 153 Schiffen. Der Marktanteil liegt bei 4,2 Prozent. Der Fusionspartner CSAV wird auf Platz 20 gelistet, mit 50 Schiffen und einem Anteil am Weltmarkt von 1,4 Prozent. Mit dem Zusammenschluss von Hapag-Lloyd und der Containerschifffahrt von CSAV steigt das Unternehmen auf Rang vier auf. Es liegt dann mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent vor dem Wettbewerber Evergreen, hat aber immer noch einen gehörigen Abstand zu den drei Branchenriesen Mærsk, MSC und CMA CGM (siehe Grafik). Übrigens liegt der Konkurrent Hamburg Süd derzeit auf dem elften Platz.
Wem gehört Hapag-Lloyd derzeit und wem nach der Fusion?
CSAV will mit einem Anteil von 34 Prozent größter Einzelaktionär des fusionierten Unternehmens werden. Das ist bisher die Stadt Hamburg. Sie hält 36,9 Prozent der Anteile an Hapag-Lloyd und liegt damit vor dem Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne, dem 28,2 Prozent der Anteile gehören. Mit 22 Prozent ist der Reisekonzern TUI drittgrößter Einzelaktionär. Die TUI will ihre Anteile im Rahmen eines Börsengangs veräußern, der im Zuge der Fusion stattfinden soll. Kleinere Anteilseigner sind die Signal Iduna Gruppe (5,3 Prozent), die HSH Nordbank sowie das Bankhaus Warburg (je 2,9 Prozent) und die Hanse Merkur Versicherung (1,8 Prozent). Mit dem Einstieg von CSAV werden die Anteile aller bisherigen Eigentümer sinken. Die Machtverhältnisse werden sich neu sortieren. Geplant ist aber, dass CSAV, die Stadt und Kühne als Ankeraktionäre zusammen 75,5 Prozent der Anteile halten und wichtige Beschlüsse gemeinsam tragen wollen.
Warum ist die Stadt Hamburg bei der Reederei überhaupt eingestiegen?
Im Jahr 2009 beschloss die TUI, sich von ihrer Containerschifffahrtssparte zu trennen. Als vermeintlicher Käufer stand die staatliche Reederei NOL aus Singapur bereit. Da Hamburg befürchtete, im Zuge eines Verkaufs den Konzernsitz aber auch viel Ladung am Schwester-Terminal von Hapag-Lloyd in Altenwerder zu verlieren, sammelte sich um die Stadt Hamburg und die oben beschriebenen Anteilseigner ein Konsortium mit dem Ziel, Hapag-Lloyd in der Stadt zu halten. 2012 wollte sich die TUI von weiteren Anteilen trennen, von denen die Stadt viele übernahm.
Was hat die Stadt Hamburg bisher für Hapag-Lloyd bezahlt?
Mit 484 Millionen Euro ist die Stadt 2009 eingestiegen. Die Beteiligung wurde 2012 für weitere 420 Millionen Euro aufgestockt. Zudem wurde mehrfach das Eigenkapital im Gesamtumfang von 252 Millionen Euro gestärkt. Insgesamt hat die Stadt also mehr als 1,15 Milliarden Euro ausgegeben.
Wie geht es nach der Unterzeichnung der Verträge weiter?
Die Kartellbehörden müssen der Hochzeit zustimmen. Erst dann wird die Verschmelzung zustande kommen. Dazu ist eine Kapitalerhöhung von 370 Millionen Euro beschlossen worden, an der sich CSAV mit 259 Millionen Euro beteiligen wird. Den Rest müssen die übrigen Anteilseigner aufbringen. Damit ist klar, dass die Stadt ein weiteres Mal in ihre Tasche greifen muss, um Geld für Hapag-Lloyd bereitzustellen. Eine weitere Kapitalerhöhung über 370 Millionen Euro wird im Rahmen des geplanten Börsengangs stattfinden.
Was sagen unabhängige Experten zu dem Deal?
Die Liniennetze der beiden Unternehmen würden sich gut ergänzen heißt es aus dem Hamburger Fraunhofer Center für maritime Logistik. Auch der Schifffahrtsanalyst Thomas Wybierek von der NordLB begrüßt den Zusammenschluss: „Hapag-Lloyd kann sich mit der Fusion einen Markt erschließen, der bisher von der Reederei nur relativ schwach, mit etwa zehn Prozent seiner Transportkapazitäten, bedient wurde.“