Optimal Media in Röbel an der Müritz stellt pro Jahr neun Millionen Vinylscheiben her. Tendenz steigend. Die Tochter des Hamburger Konzerns Edel verdoppelte jüngst sogar die Kapazitäten
Hamburg. Der Eishockeypuck ist 140 Grad Celsius warm. Zumindest sieht der runde, schwarze Klecks für eine Sekunde so aus wie das Spielgerät der Kufencracks. Bis ihn die Maschine ein Stück weiterschiebt. Der Automat platziert die Etiketten in die Mitte des Kloßes. Dann bekommt das weiche Granulatgemisch ordentlich Druck. Mit der Kraft von 100 Tonnen wird es mit einem Stampfen zusammengedrückt. Die Funktionsweise ist vergleichbar mit der Wirkung eines Waffeleisens. Ein Techniker hat vorher die beiden Pressmatrizen für die A- und B-Seite eingespannt, die abwechselnd von heißem Dampf und Kühlwasser durchströmt werden. Die Kunststoffmasse füllt den Zwischenraum zwischen den Matrizen aus, bis sie am Rand herausquillt. Die Information aus der Rille wurde von der Matrize auf die Platte übertragen.
Dann löst die Maschine den Druck und gibt den Blick auf das gepresste Vinyl frei. Das Etikett ist – ohne Klebstoff – in die Scheibe gepresst worden. Ein Messer schneidet das überschüssige Material ab und verleiht dem Produkt seine charakteristische Rundung: Nach 21 bis 23 Sekunden ist die Schallplatte fertig. Der Automat lässt sie auf eine Spindel fallen. Alle paar Minuten packen sich die Mitarbeiter den Stapel. Jede Schallplatte wird kurz begutachtet, erst ein Papier auf beide Seiten und dann eine Metallscheibe oben draufgelegt – zum Beschweren, damit die Vinylscheibe keine Wellen bekommt und gerade bleibt. Für rund zehn Stunden wird sie zum Abschluss des Herstellungsprozesses in den Kühlraum geschoben.
Bis zu 35.000 Vinylscheiben pro Tag verlassen die Maschinen bei Optimal Media in Röbel an der Müritz. Die 100-prozentige Tochter des Hamburger Musikunternehmens Edel ist 1995 in die Produktion der Schallplatten eingestiegen. Gegen den Markttrend, als die großen Konzerne ihre Anlagen gerade verkauften. Ein Schritt, den diese heute wohl bereuen. „Die Schallplatte lebte 1995 – und sie lebt heute mehr denn je“, sagt Geschäftsführer Jörg Hahn. Die Szene der Independents (Unabhängigen) hätte sie am Leben gehalten. Neue Alben vertrieben sie auf zwei Wegen: Entweder im Internet als Download oder klassisch als Schallplatte.
Mit kleinen Stückzahlen startete Optimal damals. Nach und nach kamen mehr Aufträge herein. „Vinyl entspricht dem gegenwärtigen Zeitgeist, dem Trend zu Analogem und Traditionellem, qualitativ hochwertig und aufwendig gefertigt. Musikgenuss pur, mit allen Sinnen. So erlebt die Schallplatte bereits seit längerer Zeit ihre Renaissance“, sagt der 50-Jährige. Als optisches und haptisches Erlebnis in der heute von digitalen Inhalten dominierten Welt, komme diesem Medium wieder eine wachsende Bedeutung zu. Darüber hinaus schätzten Musikkenner das Klangerlebnis, weil eine Originalaufnahme bei guter Pressung mehr musikalische Nuancen wiedergebe als eine CD-Einspielung oder ein MP3-Track. Im Geschäftsjahr 2012/13 pressten die Mecklenburger neun Millionen Vinylscheiben. Zwei Millionen mehr als im Jahr zuvor. Für dieses Jahr erwartet Hahn erneut ein Plus: „Momentan produzieren wir jeden Monat mehr als eine Million Schallplatten. In diesem Geschäftsjahr wollen wir die Zehn-Millionen-Marke erreichen.“
Die Vinyl-LP legte in den vergangenen Jahren in Deutschland – auf niedrigem Niveau – einen Siegeszug hin. Kauften Kunden im Jahr 2006 lediglich für sechs Millionen Euro die schwarzen Scheiben, waren es im vergangenen Jahr immerhin schon 29 Millionen Euro. Allein im Vergleich zum Vorjahr war das eine Steigerung von 47,2 Prozent. Der gesamte Musikmarkt schwenkte in der Bundesrepublik nach 15 Jahren mit einem Minus erstmals wieder auf Wachstumskurs. Der Umsatz stieg um 1,2 Prozent auf 1,45 Milliarden Euro. Treiber war dabei das digitale Geschäft. Um 11,7 Prozent stiegen die Einnahmen beim Herunterladen von Musikstücken aus dem Internet und der Nutzung von Streaming-Abonnements. Doch mehr als drei Viertel der Erlöse in der Branche stammen weiterhin aus dem Bereich physischer Tonträger. Den Löwenanteil macht dabei die CD aus, die die Schallplatte in den 1980er-Jahren als Hauptvertriebsweg ablöste und auch 2013 noch den Unternehmen mehr als eine Milliarde Euro in die Kasse spülte.
Auch bei Optimal Media tragen die kleinen Silberscheiben das größte Tortenstück zum Umsatzkuchen bei. 1991 wurde die CD-Herstellung eröffnet, heute gibt es in Europa rund 50 Presswerke. Insgesamt wurden 170 Millionen Euro in den Standort gesteckt. Auf den 35.000 Quadratmetern bebaute Fläche wirbeln mehr als 600 Mitarbeiter – damit ist das Unternehmen einer der größten Arbeitgeber in der dank Seenplatte vom Tourismus geprägten Region. Damit stellt Optimal auch rund zwei Drittel der Mitarbeiter der Hamburger Muttergesellschaft Edel und sorgt mit 89,6 Millionen Euro für mehr als die Hälfte des Jahreserlöses des börsennotierten Unternehmens. Drei Fünftel des Umsatzes stammen laut Hahn aus dem Geschäft mit CDs, DVDs und Blu-ray-Discs. In einer Halle ist die Produktion der digitalen Medienträger vereint. Elf Linien fertigen Videoprodukte wie Filme und Konzertmitschnitte. Zwei von ihnen stellen die hochauflösenden und große Datenmengen speichernden Blue-rays her, die anderen neun DVDs. Auf 17 Maschinen werden CDs hergestellt. Der Prozess ist dabei in den Grundzügen ähnlich.
Der Auftraggeber schickt zunächst eine Master-CD an das Werk. Per Laserstrahl werden die Daten auf eine behandelte Glasplatte geschrieben. Dieser Glasmaster muss in staubfreien Räumen (Reinraumzone) hergestellt werden, weil die CD später beim Abspielen sonst holpern oder springen könnte. Im nächsten Schritt wird eine Negativkopie des Glasmasters gefertigt. Bei der Vervielfältigung verpasst dieser sogenannte Stamper den Scheiben die Form. Der Rohstoff Polycarbonat gelangt über einen Schlauch aus der Decke in die Spritzgussmaschine und wird auf 300 Grad Celsius erhitzt. Anschließend wird das flüssige Granulat in einen Hohlraum gespritzt, der genau die Größe einer CD hat. Die Plastikscheibe mit den Daten wird abgekühlt und mit einer Silber- oder Aluminiumschicht metallisiert. Die ist notwendig, damit der Laser des Abspielgeräts reflektiert und die enthaltene Information erkannt und gelesen wird. Anschließend versiegelt ein Speziallack die 1,2 Millimeter dicken CDs. Weil DVDs mehr Daten fassen müssen, werden zwei 0,6-Millimeter-Scheiben zusammengeklebt. Alle drei Sekunden wirft die Spritzgussmaschine eine Scheibe raus. Pro Jahr können in Röbel 135 Millionen CDs, 80 Millionen DVDs und zehn Millionen Blu-ray-Discs hergestellt werden.
Die Liste der in Röbel gepressten Künstler ist lang: Im CD-Bereich gehörten Alben von Coldplay, Pink Floyd, Die Ärzte, Die Toten Hosen und Helene Fischer in den vergangenen Jahren zu den größten Aufträgen. Aber auch Musikstücke von Herbert Grönemeyer, Tim Bendzko, Justin Timberlake, Depeche Mode, Pink Floyd, Rolling Stones und Kylie Minogue fanden in Röbel den Weg auf die Compact Disc. Im Schallplattenbereich war einer der bisher größten Aufträge für Optimal 2012 die Herstellung der neu gemischten Alben der Beatles. Die Box enthielt 14 LPs und war auf 50.000 Stück limitiert – also umfasste der Auftrag weit mehr als eine halbe Million Schallplatten, die wie alle Vinylscheiben von den Optimal-Beschäftigten per Hand verpackt werden. Die hauseigene Druckerei, deren Geschäft ausgebaut werden soll, stellte das dazugehörige Buch und die Hüllen her.
Im vergangenen Juni verdoppelte Optimal für rund zwei Millionen Euro in der Vinylfertigung seine Kapazitäten. 25 Vinylpressen stehen nun zur Verfügung. Nagelneu sind sie allerdings nicht. Die Herstellung der Maschinen ist seit Jahrzehnten eingestellt. Optimal kaufte seine Automaten in Skandinavien, Russland oder England, wenn andere Firmen aus der Produktion ausstiegen. Heute gebe es noch sechs Konkurrenten in Deutschland, drei, vier weitere in Europa. Der Ausbau der Produktion sei eine richtige Entscheidung gewesen, ist sich Hahn bereits sicher. „Das hat sich absolut gelohnt. Die Aufträge, die wir bisher realisierten, haben die Investition voll gerechtfertigt.“ Der Anteil der Vinylsparte am Umsatz stieg stets an. Zuletzt steuerte sie 15 Prozent zu den Erlösen bei. Dass der Wachstumstrend unendlich so weitergeht, denkt Hahn allerdings nicht: „Der jungen Generation reicht es oft schon, Musik nur auf dem Smartphone zu hören.“ Daher werde der Download-Bereich weiter wachsen. „Der Markt für die physischen Tonträger wird weiter schrumpfen“, so Hahn, „dennoch wird die CD auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung behaupten.“ Und auch die Schallplatte ihre Liebhaber finden.