Dienstwagen, teurer Gesundheitscheck, Sicherheitstechnik in der Privatvilla: Die DAX-Chefs verdienen nicht nur sehr viel Geld. Mit dabei: Stefan Heidenreich von Beiersdorf.
Der Fall dürfte in einigen Chefetagen in Deutschland für Nachdenken gesorgt haben. Axel Heitmann, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Spezialchemieherstellers Lanxess, hat das Unternehmen nicht nur ohne Abfindung verlassen, sondern kämpft außerdem in einem unschönen Streit mit seinem ehemaligen Arbeitgeber auch um seinen guten Ruf. Verantwortlich dafür sind Berichte über eine Rechnung von rund 400.000 Euro – Geld, das Lanxess für sicherheitsrelevante Einbauten in der Privatvilla des Managers hätte zahlen sollen. Die Forderung soll bei den Aktionärsvertretern für böses Blut gesorgt haben, und der Ärger soll ein Grund dafür sein, dass Heitmann bei seinem Abgang im Februar auf seine Abfindung verzichtete.
Solch umstrittene Praktiken dürften selten sein in den Vorstandsetagen der DAX-Unternehmen. Trotzdem zeigt ein Blick in die Geschäftsberichte der aktuellen Berichtssaison, die gerade zu Ende gegangen ist, dass sich offenbar nicht alle DAX-Vorstände mit ihren ohnehin hohen Gehältern zufrieden geben. Stattdessen gibt es in der Riege der wichtigsten börsennotierten Unternehmen hierzulande eine ganze Reihe, die den Vorständen neben üppigen Grundgehältern und hohen erfolgsabhängigen Vergütungen noch weitere Boni zustecken. Das ist das Ergebnis einer Analyse der Geschäftsberichte, die Experten der Managementberatung Kienbaum für die „Welt“ erstellt haben.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Vorstandsvergütungen inzwischen internationales Niveau erreicht haben und dass sich deutsche Manager nicht hinter ihren angelsächsischen Kollegen verstecken müssen. „Im internationalen Vergleich sind die hierzulande gezahlten Vergütungen absolut konkurrenzfähig“, sagt etwa Alexander von Preen, Geschäftsführer und Partner von Kienbaum. Trotzdem fanden die Experten von Kienbaum unter der ersten Riege der börsennotierten Unternehmen noch viele Fälle, in denen die Konzerne den – ganz überwiegend – Männern an der Spitze noch zusätzlich hohe Summen zukommen ließen.
Zu diesen „sonstigen“ Vergütungen gehören in der Regel die private Nutzung von Dienstwagen und Fahrer, die versteuert werden müssen. Hinzu kommen in vielen Fällen aber noch Zuschüsse zu Sicherheitseinrichtungen am eigenen Haus oder der eigenen Wohnung, Prämien für die Unfallversicherung oder die häufig sehr teuren Haftpflichtversicherungen für Manager.
Teilweise ersetzen die Firmen auch Kosten für Rechtsanwälte und Steuerberater, für Umzüge und zahlen bei doppelter Haushaltsführung Mieten und Fahrtkosten. Bei Bayer, BMW, E.on und Siemens sind beispielsweise auch Kosten für gesundheitliche Check-ups enthalten, die mehrere Tausend Euro kosten. Teilweise kommen dabei erkleckliche Summen zusammen. So fallen etwa bei Michael Diekmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz, neben fast sechs Millionen Euro Grundgehalt und variablen Zuschlägen noch einmal 291.000 Euro an zusätzlichen Leistungen an. Ein Grund: Zu den Nebenleistungen gehörte auch eine Jubiläumszahlung, weil Diekmann 2013 insgesamt 25 Jahre Mitarbeiter der Allianz war. „Die Allianz SE zahlt wie andere DAX30-Unternehmen entsprechende Nebenleistungen und bewegt sich hierbei im marktüblichen Bereich“, heißt es bei der Allianz. Die Berater von Kienbaum haben für die Gesamtsummen der sonstigen Bezüge alle in den Geschäftsberichten als Sach-, Neben- oder Zusatzleistungen ausgewiesenen Beträge zusammengezählt. Häufig erklären die Unternehmen in ihren Geschäftsberichten, wie diese Summen zustande kommen.
Während amerikanische Firmen vom Gärtner bis zur Ausbildung der Kinder minutiös aufführen, wofür die Chefs Geld bekommen haben, finden sich in den deutschen Geschäftsberichten häufig nur pauschale Erklärungen, die zudem häufig nur für den ganzen Vorstand gelten. Für die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, heißt es beispielsweise allgemein, dass darin neben Wagen und Fahrer und Versicherungen auch geschäftsbezogene Repräsentationsaufwendungen und Sicherheitsmaßnahmen enthalten seien. Zudem würden den Vorständen die Steuern ersetzt, die sie auf geldwerte Leistungen eigentlich selbst zahlen müssten.
Anshu Jain kommt dabei auf mehr als 800.000 Euro an sonstigen Vergütungen – und das, obwohl er ohnehin bereits rund 7,5 Millionen Euro an fixen und variablen Bezüge bekommt. Auf Nachfrage nach den Details bleibt die Deutsche Bank vage: „Die Höhe des Betrags für Anshu Jain hat hauptsächlich mit seinen vielen internationalen Reisen zu tun, des Weiteren mit hierauf gegebenenfalls anfallenden Steuern.“ Spitzenreiter ist allerdings Bill McDermott, einer der beiden Vorstandsvorsitzenden von SAP, der im letzten Bilanzjahr neben fixem Grundgehalt und variablen Bezügen zusätzlich 1,5 Millionen Euro kassierte. Darin enthalten war eine große Zahlung, die den Amerikaner für Währungsschwankungen entschädigen sollte.
Bei solchen Beträgen frage man nach und lasse sie sich erklären, sagt Christiane Hölz von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz. Die Zahlungen mögen legal sein und mit den Anteilseignern abgestimmt; Fragen werfen sie trotzdem auf. Managementberater raten denn auch ihren Kunden, auf solche Zahlungen zu verzichten: „Sonstige Vergütungsbestandteile passen nicht mehr in eine moderne Vergütungswelt und sorgen nur für Diskussionen auf der Hauptversammlung, in der Öffentlichkeit und in den Medien“, sagt Kienbaum-Partner von Preen. „Ob ein Vorstandsvorsitzender 600.000 Euro oder 700.000 Euro verdient, macht in der öffentlichen Diskussion praktisch keinen Unterschied. Aber wenn er noch zusätzlich 200.000 Euro an sonstigen Vergütungen bekommt, das sorgt für Unmut. Die Unternehmen sollten auf solche Zuwendungen deshalb komplett verzichten.“
Tatsächlich stammen die Sonderzuwendungen aus Zeiten, als die Gehälter der Spitzenmanager häufig noch hinter den Vergütungen in anderen Ländern hinterherhinkten. Typisch dafür war die Dienstvilla: Immerhin vier Prozent der Vorstände und rund acht Prozent der Geschäftsführer bekamen damals von ihrem Unternehmen eine Dienstwohnung.
Ein Zurückfahren der Sonderzuwendungen wäre auch aus Sicht der Spitzenmanager selbst eine wünschenswerte Entwicklung, glaubt der Headhunter Heiner Thorborg. Die Spitzenmanager kämpften ohnehin mit Imageproblemen und sollten deshalb bei ihren Vergütungen auf möglichst klare Verhältnisse achten. „DAX30-Vorstände verdienen heute so viel Geld, dass sonstige Vergünstigungen nicht mehr relevant sind“, sagt Thorborg. „Das war früher anders. Ein Vorstandsvorsitzender verdient heute im Schnitt fünf Millionen Euro und ein Vorstandsmitglied immer noch drei Millionen Euro. Das ist mehr als genug, um alle möglichen Dinge, die von der Firma gestellt werden könnten, selbst zu finanzieren.“