Unternehmensserie: Loll Feinmechanik aus Tornesch fertigt für Luftfahrtindustrie, Medizinlabors und Prothesenhersteller. Angefangen hat alles 1946 in einer kleinen Werkstatt mit Wappentellern.
Tornesch. Wenn ein Airbus durch die Lüfte fliegt, ist immer ein Stück Tornesch mit dabei. Denn mehrere Komponenten, die für den Bau der Flugzeuge unerlässlich sind, kommen aus Tornesch, genauer - aus den Werkshallen von Loll Feinmechanik. „In jedem Flieger von Airbus sind wir mit Strukturkomponenten für die Rumpfproduktion vertreten“, sagt Jens Loll, Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens. Wenn in Finkenwerder beispielsweise ein Rumpf für einen Airbus A320 zusammengebaut wird, dann kommen tragende Bauteile für die Verstärkung des Rumpfes, sogenannte Spanten, aus der Kleinstadt vor den Toren Hamburgs. Denn Loll ist ein Spezialist, wenn es darum geht, auf tausendstel Millimeter genau gearbeitete Komponenten zu fertigen.
Der Begriff der Feinmechanik, sagt Loll, sei etwas irreführend, denn viele Menschen würden mit Feinmechanik immer noch kleine Bauteile, wie etwa bei Uhren, verbinden. „Die von uns gefertigten Produkte sind zwischen drei Millimeter und drei Meter lang“, sagt der Geschäftsführer. Das „Fein“ bei Feinmechanik beziehe sich also weniger auf die Größe der Produkte, als auf die Genauigkeit, mit der gearbeitet wird. Bei Flugzeugrümpfen, die enormen Belastungen standhalten müssen, sei es beispielsweise wichtig, dass Bauteile exakt ineinanderpassen, damit die beim Flug entstehenden Kräfte gleichmäßig auf den Flugzeugrumpf verteilt werden. Wenn dies nicht geschieht, drohen Risse im Material - der Albtraum nicht nur eines jeden Flugzeugherstellers.
Doch nicht nur in der Luftfahrt werden Bauteile benötigt, die auf einen tausendstel Millimeter genau gefräst oder geschleift werden müssen. Auch im medizinischen Bereich werden solche Produkte immer stärker gebraucht. So sind zum Beispiel Kernteile spezieller Sonden, die für die Analyse der Dopingproben bei der Winterolympiade in Sochi benötigt wurden, in Tornesch gefertigt worden. „Die sind sehr komplex zu fertigen“, sagt der Firmenchef. Denn diese Sonden müssen ein gleichmäßiges Magnetfeld später ermöglichen, damit Gase punktgenau für die Analysen abgelegt werden können. Wenn nicht bis ins letzte Detail genau gearbeitet werde, sei der Einsatz von Hightech-Dopingmitteln im Sport kaum bis gar nicht mehr nachweisbar.
„Wir stellen auch aus Titan gefräste Elemente für Hüftgelenksprothesen her“, sagt Jens Loll. Diese müssten ebenfalls akribisch genau gearbeitet sein, damit die Kugelköpfe passgenau sitzen und keine Metalle durch Schleifbewegungen in den menschlichen Körper gelangen. Aufgrund der enormen Verantwortung, die die Feinmechanik für den Alltag mit sich bringe, sei auch die Qualitätssicherung von enorm hoher Bedeutung.
Die Zeiten, in denen per Hand gearbeitet, geschliffen, gefräst wurde, die sei schon längst vorbei in der Feinmechanik, sagt Christina Bichel, Betriebswirtin bei Loll Feinmechanik. Heutzutage werde die Arbeit von Maschinen erledigt. Nicht unbedingt, weil diese genauer arbeiten, erklärt Loll, sondern weil nur mittels eines Maschineneinsatzes eine absolut gleichbleibende Qualität, also eine hohe Prozesssicherheit bei hohen Stückzahlen garantiert werden könne. „Das bedeutet aber nicht, dass Handarbeit nichts mehr zählt“, sagt Bichel. Im Gegenteil: In der Ausbildung werde noch das althergebrachte Handwerk gelehrt, wo per Hand gefräst, gefeilt und geschliffen wird. Dies, damit die Mitarbeiter ein Gefühl für die Werkstoffe bekommen und die Produktionsprozesse nachvollziehen können. „Die Materialien zu kennen, ist nach wie vor wichtig“, sagt Bichel.
Der Faktor Mensch zählt im Produktionsprozess ohnehin nach wie vor. Die Arbeit, die heutzutage von Hightech-Maschinen, etwa aus Japan oder Deutschland, erledigt wird, muss von von den Mitarbeitern nämlich gesteuert werden. „Es hat sich einfach nur die Arbeitsweise in den vergangenen Jahrzehnten stark verschoben“, sagt Loll. Feinmechaniker seien heutzutage hochqualifizierte Mitarbeiter, die die komplexen Maschinen verstehen, programmieren und zielgerichtet einsetzen. Auch bei der Qualitätsprüfung. Hier müssen Komponenten genau vermessen werden. Die Vorbereitungen hierfür leisten die Mitarbeiter, bevor eine Maschine die Produkte mit Sonden abtastet.
220 Mitarbeiter hat das Unternehmen derzeit, davon sind 33 Auszubildende. 20 Mitarbeiter sind im Engineering tätig, etwa 40 im Bürobereich inklusive Systemprogrammierung, etwa 160 Mitarbeiter sind in der Fertigung tätig. Das macht unter dem Strich aber mehr als 220 Mitarbeiter - ein Kuriosum, dass Loll sogleich aufklärt. „Wir haben in vielen Bereichen fließende Übergänge, somit sind manche Mitarbeiter mehr als einem Bereich zuzuordnen“, so der Geschäftsführer.
Rund 5000 Produkte für knapp 50 Kunden, der Großteil ist aus Deutschland, umfasst das Portfolio von Loll Feinmechanik. Alle Produkte sind das Ergebnis von Aufträgen anderer Firmen, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechend umsetzt werden. Dazu zählen auch Universalsteckdosen für Boeing oder Embraer und Prüfgeräte für Atemmasken, die von Feuerwehrleuten im Brandfall eingesetzt werden. Damit bei der Vielzahl der Produkte nicht der Überblick verloren geht, ist eine genaue Dokumentation unumgänglich. Dafür hat die Firma ein umfangreiches Online-Dokumentenmanagementsystem, dass es den Mitarbeitern erlaubt, alle wichtigen Dokumente schnell abzurufen.
Vor knapp 70 Jahren war das alles noch ein wenig kleiner und einfacher strukturiert. 1946 gründete Siegfried Reinhard in Elmshorn das Feinmechanikunternehmen. In einer kleinen Werkstatt wurden Broschen, Ringe und Wappenteller aus Metall gefertigt. Das Unternehmen florierte, trotz der wirtschaftlich schweren Nachkriegszeit. 1954 erfolgte der Umzug nach Pinneberg, wo erste Aufträge für Präzisionsteile aus der Forschung und der Industrie einliefen. 1977 übernahm Klaus Jürgen Loll den Betrieb mit seinen sechs Mitarbeitern zunächst auf Pachtbasis. Der Kundenstamm wurde gezielt ausgebaut, so dass 1982 erneut ein Umzug anstand. In Tornesch wurde zunächst ein etwa 1000 Quadratmeter großes Firmengelände erschlossen, eine Werkstatt mit modernen Maschinen erreichtet sowie ein Bürohaus. Das Unternehmen firmierte von nun an unter dem Namen Loll Feinmechanik GmbH.
1988 wurde der Platz wieder zu klein. Die Firma kaufte weitere Flächen hinzu, weitere Mitarbeiter wurden eingestellt. 1996 trat Jens Loll in die Geschäftsführung ein, die er 2001 von seinem Vater übernahm, nachdem sich dieser nach 30 Jahren Arbeit aus den Geschäftsleben zurückzog. Der Ausbau des Standortes wurde unter Jens Loll fortgesetzt: Weitere Werkhallen entstanden, ein Ausbildungszentrum und eine Entwicklungsabteilung wurden eingerichtet. Heute beschäftigt das Unternehmen knapp 220 Mitarbeiter auf 8000 Quadratmetern Fläche und generiert einen jährlichen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich.