Mit einem ungewöhnlichen Konzept will der Verband Deutscher Reeder afrikanische Jugendliche davon abhalten, sich Piratenbanden anzuschließen. Statt Handelsschiffe zu kapern, sollen sie ein Ausbildungszentrum besuchen.
Hamburg. Das Lernzentrum, das von den SOS-Kinderdörfern betreiben wird, entsteht in einem Slum von Dschibuti, in dem vor allem Flüchtlinge aus Äthiopien, Eritrea und Somalia unter ärmlichsten Bedingungen leben. „Mangelnder Rechtsstaat, Armut und schlechte wirtschaftliche Bedingungen sind der Nährboden für Piraterie. Deshalb müssen wir die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort verbessern“, sagte der Präsident des VDR, Michael Behrendt, bei der Vorstellung des Pilotprojekts am Freitag.
Zugleich machte er deutlich, dass sich die Gefahr von Piratenangriffen vor dem Horn von Afrika in den vergangenen Monaten stark verringert habe. „Seit mehr als einem Jahr hat es keine erfolgreiche Kaperung mehr gegeben“, sagte Behrendt. Dies sei zum einen dem Einsatz der Bundesmarine und anderer Soldaten zu verdanken. Als die wirksamste Abschreckung hätten sich aber die Eigenschutzmaßnahmen der Reedereien erwiesen, die private Sicherheitsdienste zur Bewachung der Handelsschiffe angeheuert hätten. Dabei sei der Einsatz von Schusswaffen nur zum Eigenschutz erlaubt: „Rambos haben auf unseren Schiffen kein Platz“, stellte Behrendt klar.
Sollten die Reedereien diese Sicherheitsmaßnahmen, die sehr viel Geld kosten, wieder lockern, würde die Piraterie wieder schnell zunehmen, glaubt Behrendt. „Wirksam eindämmen lässt sich das Problem in der Region nur, wenn sich die Berufs- und Lebensperspektiven der jungen Menschen verbessern. Bildung ist der Schlüssel dafür“, so Behrendt. Deshalb unterstütze der VDR den Bau des Lernzentrums und übernehme einen Großteil der laufenden Kosten. Insgesamt investiert der Reederverband 660.000 Euro bis zum Jahr 2017. Der Bau umfasse drei Klassenräume sowie eine digitale Bibliothek. Alle Räume werden mit modernen Computerarbeitsplätzen und Internetzugang ausgestattet.
Das neue Lernzentrum in den Armenvierteln von Dschibuti werde positiv auf seine Umgebung wirken, sagte Wilfried Vyslozil, Vorstand der SOS-Kinderdörfer weltweit. „Das Zentrum für E-Learning wird Vorbildcharakter für die ganze Region haben.“ Das in Modulen aufgebaute Ausbildungskonzept sei auf den lokalen Arbeitsmarkt zugeschnitten und vermittele Kenntnisse aus gefragten Bereichen wie etwa Buchhaltung oder Logistik. Zum Bildungsangebot zählten auch EDV- und Sprachkurse. Das Zentrum richte sich vorwiegend an Kinder und Jugendliche sowie ältere Schüler und Studenten. Der Lehrbetrieb soll im Oktober 2014 zunächst mit etwa 100 Schülern starten.
Besonders erfreut über das Reederengagement zeigte sich Aden Mohamed Dileita, Botschafter der Republik Dschibuti in Deutschland, der extra nach Hamburg gereist war. Er schilderte anschaulich die zweigeteilte Entwicklung seines Heimatlandes: Einerseits sei Dschibuti stark prosperierend und wichtiger Handelsstandort in Ostafrika. Vier neue Häfen würden derzeit geplant oder gebaut. Da benötige man dringend gut ausgebildete junge Menschen. Andererseits gebe es jenen hohen Anteil an Flüchtlingen aus den umliegenden Staaten, die ohne Perspektive in dem Armenviertel Balbala leben. Das beträfe etwa die Hälfte der Einwohner Dschibutis. 40 Prozent der dort Lebenden sei jünger als 16 Jahre.