Vorstandschef Michael Behrendt plant seinen letzten großen Coup. Schon in wenigen Wochen könnten Hapag-Lloyd und CSAV ihren Zusammenschluss bekannt geben. Die Chilenen sollen zwischen 25 und 30 Prozent der Anteile erhalten.
Hamburg. Über Weihnachten und den Jahreswechsel ruhten die Verhandlungen über die weltweit größte Reedereifusion seit Jahren. Doch nun nehmen die Gespräche zwischen der Hamburger Hapag-Lloyd AG und der chilenischen Compania Sud Americana de Vapores (CSAV) wieder Fahrt auf. Nach Informationen des Abendblatts soll bereits in den nächsten zwei bis drei Wochen von den Unternehmensleitungen grünes Licht für den Zusammenschluss gegeben werden. So lautet zumindest der ehrgeizige Plan aus den Firmenzentralen. „Es sieht insgesamt gut aus“, sagt ein Insider dem Abendblatt.
Nach den aktuellen Überlegungen würden die Chilenen zwischen 25 und 30 Prozent an der neuen Hapag-Lloyd AG erhalten. Allerdings sind noch zahlreiche betriebswirtschaftliche Details zu klären. Offenbar müssen sich die Hamburger intensiver mit der tatsächlichen finanziellen Situation der Chilenen auseinandersetzen. „Das ist nicht ganz einfach“, so der Insider. Das Unternehmen ist in der Schifffahrtskrise in Schieflage geraten und konnte nur mit finanzieller Hilfe überleben. CSAV hat in den ersten neun Monaten einen Vorsteuerverlust von 112,8 Millionen Dollar (83 Millionen Euro) verbucht.
Für Michael Behrendt wäre es ein letzter großer Coup als Hapag-Lloyd-Chef. Der 62-Jährige verlässt den Posten Mitte des Jahres und soll Aufsichtsratschef werden. Behrendts Nachfolger auf dem Sessel des Vorstandsvorsitzenden wird der niederländische Logistikmanager Rolf Habben-Jansen.
Sollte die Fusion tatsächlich vollzogen werden, würden Hapag-Lloyd und CSAV gemeinsam auf Rang vier der größten Reedereien weltweit aufsteigen, hinter den Branchengiganten Maersk aus Dänemark, der Schweizer MSC und der französischen CMA CGM. Derzeit ist Hapag-Lloyd mit 152 Schiffen und einer Kapazität von 730.000 Standardcontainern die Nummer fünf der Welt, CSAV liegt mit 54 Frachtern und 260.000 Standardcontainern auf Rang 20. Der Zusammenschluss könnte – wenn alles nach Plan läuft – von den Kartellbehörden im dritten Quartal 2014 endgültig abgesegnet werden.
Noch im Frühjahr 2013 war der Versuch von Hapag-Lloyd gescheitert, gemeinsam mit dem Lokalrivalen Hamburg Süd aus dem Oetker-Konzern einen großen deutschen Schifffahrtskonzern zu schmieden. Ziel war es, über den gemeinsamen Einsatz von Frachtern Kosten zu senken. Von rund einer halben Milliarde Euro war damals die Rede. Diese Kosteneinsparungen sollen nun möglichst mit den Chilenen erreicht werden, die Marktführer in Lateinamerika sind.
Die Branche steht mit Blick auf Überkapazitäten und hohe Treibstoffkosten gewaltig unter Druck. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres verbuchte die Hamburger Reederei unter dem Strich einen Verlust von 56,1 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum: 94,1 Millionen Euro). Dass das Minus geringer ausfiel als im Vorjahr, lag vor allem an dem Sparkurs im Konzern und an dem auf hohem Niveau leicht gesunkenen Preis für Schweröl, dem Schiffsbrennstoff. Zwar wurden von Januar bis September mit rund 4,1 Millionen Containereinheiten 3,6 Prozent mehr Boxen transportiert als im Vorjahr, das Unternehmen kassierte dafür aber auch weniger Geld. Die durchschnittliche Frachtrate über alle Fahrtgebiete sank um 4,3 Prozent auf 1506 Dollar. Der Umsatz ging um 2,7 Prozent auf 5,022 Milliarden Euro zurück.
Insbesondere der Zusammenschluss von Maersk, MSC und CMA CGM zur sogenannten Allianz P3 setzt alle Schifffahrtsunternehmen unter Druck. Der Aufsichtsratschef von Hapag-Lloyd, Jürgen Weber, hatte vor Kurzem in einem Abendblatt-Interview das Verhalten in der Branche als „selbstmörderischen Wettbewerb mit gewaltigen Überkapazitäten“ bezeichnet. Um sich für die Zukunft zu wappnen, setzt er auf Wachstum: „Wir als Hapag-Lloyd müssen durch Zukäufe, Mergers und Übernahmen unseren Firmenkern vergrößern, um damit mehr Stärke im Einkauf und im Vertrieb zu erreichen.“ Auch einem Beitritt von Hamburg-Süd zu der Allianz mit den Chilenen ließ er eine Hintertür offen. „Zu dritt wären wir noch stärker“, sagte Weber und drückte damit seine Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Fusionsgespräche mit dem Lokalrivalen aus.
Doch während das Dreierbündnis noch Zukunftsmusik ist, könnte das deutsch-chilenische Duo schon bald Realität sein. Ihm dürfte es zwar leichter fallen, höhere Frachtraten durchzusetzen. Ein Erfolgsgarant ist Größe allein aber auch nicht: Sie hilft nur dabei, in dem harten Wettbewerb erfolgreicher zu agieren.