Guido Oelkers führt künftig BSN Medical in Hamburg. Sein Vorgänger Claus-H. Wiegel wechselt in den Aufsichtsrat
Hamburg. Er geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Erst war er Vorstand, danach fast sechs Jahre Chef des Hamburger Unternehmens BSN medical. Jetzt wechselt Claus-H. Wiegel in den Aufsichtsrat des Unternehmens. Im Januar übernimmt sein Nachfolger Guido Oelkers das Ruder bei dem Hersteller von medizinischen Produkten unter anderem für die akute Wundversorgung (darunter Leukoplast) oder Jobst-Kompressionsstrümpfe. Oelkers ist beruflich schon viel in der Welt herumgekommen. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre absolvierte er in Mainz, danach studierte er in London Volkswirtschaftslehre. „Promoviert habe ich in Australien“, sagt er. Dort arbeitete er tagsüber für den deutschen Chemiekonzern Hoechst, der inzwischen Sanofi heißt. Nachts schrieb er zudem an seiner Doktorarbeit. Danach ging er unter anderem nach China, Singapur und Indonesien in verantwortliche Managerpositionen. Aktuell lebt der 48-Jährige mit seiner Frau und den beiden Kindern in der Schweiz. Oelkers war zuletzt Chef von Gambro, einem führenden Hersteller von Produkten und Therapien für die Dialyse von Nieren und Leber.
Mitte 2012 hat der Finanzinvestor EQT den Hamburger Leukoplast-Hersteller für knapp 1,8 Milliarden Euro übernommen. „BSN medical ist sehr gut aufgestellt. Meine Aufgabe ist jetzt, die nächste Wachstumsphase einzuleiten“, sagt Oelkers. Tatsächlich hat BSN seit 2006, als sich Beiersdorf von seinem Medizingeschäft trennte, jedes Jahr beim Gewinn und Umsatz zugelegt. „Wir wachsen seit Jahren stärker als der Wettbewerb“, sagt Wiegel. Unter seiner Regie wurde der Konzern in vielen Bereichen Weltmarktführer, zum Beispiel bei Gipsverbänden und in der akuten Wundversorgung.
BSN medical ist auch führend in der Kompressionstherapie, also bei medizinischen Strümpfen und ähnlichen Produkten zur Verhütung von Thrombosen, bei Venenleiden oder lymphologischen Indikationen, also Erkrankungen der Lymphdrüsen. Stark wachsend ist momentan die moderne Wundversorgung zur Behandlung chronischer Wunden. Unter Wiegel wurden zahlreiche Innovationen von BSN angestoßen. Inzwischen sind 20 Prozent der Produkte, die BSN herstellt und verkauft, jünger als fünf Jahre.
Nachdem die Hamburger früher überwiegend Krankenhäuser belieferten, wurde das Geschäft nach der Trennung von Beiersdorf sehr stark für weitere Absatzkanäle ausgeweitet. Mit rund 40 Prozent sind die Kliniken zwar immer noch der größte Kunde, aber immerhin schon 22 Prozent der Produkte gehen inzwischen an Apotheken und 15 Prozent sind in Sanitätshäusern zu haben. Im Jahr 2012 legte der Umsatz auf 714 Millionen Euro zu, nach 665 Millionen im Vorjahr. „Auch 2013 sind wir weitergewachsen“, sagt Wiegel, ohne allerdings genaue Zahlen zu nennen. Die Mitarbeiterzahl liegt aktuell bei rund 5100, wovon etwa 350 Menschen in der Zentrale und dem Werk in Hamburg arbeiten.
„Für 2014 haben wir uns eine weitere Umsatzsteigerung in die oberen 700er-Millionen-Regionen vorgenommen“, sagt Oelkers. Unter anderem soll dies durch organisches Wachstum und Zukäufe geschehen. Schon im September haben die Hamburger in Brasilien das Unternehmen Neve Gruppe mit 550 Mitarbeitern übernommen. „Wir ergänzen uns gut“, sagt BSN-Chef Wiegel. „Genau wie wir ist Neve in der Wundversorgung und Orthopädie aktiv.“ Der Einstieg in den Medizinsektor in Brasilien ist laut Wiegel für europäische Firmen nicht einfach. Der Markt sei eher abgeschottet.
Das einzige Hindernis für den schnell wachsenden Konzern ist derzeit der Mangel an passenden Spezialisten. Aktuell sind bei dem Unternehmen zehn Stellen ausgeschrieben. Gesucht werden unter anderem IT-Experten, Entwicklungsingenieure und Projektmanager.
„Wir brauchen bundesweit auch neue Vertriebsmitarbeiter“, sagt Wiegel. Derzeit muss BSN medical für diesen Bereich gelegentlich Leiharbeiter anheuern. „Sobald wir die Chance haben, übernehmen wir die Mitarbeiter“, so der Chef, der nach seinem Ausscheiden im Alter von 60 Jahren mit seiner Frau „in aller Ruhe“ verreisen will. Viel Zeit will er auch dafür aufwenden, sich an seinem Zweitwohnsitz im Ammerland um seine Oldtimer zu kümmern. Unter anderem besitzt er einen Austin Healey und einen Landrover. „Ich habe in meinem beruflichen Leben viele Länder besucht, in denen wir Niederlassungen haben und möchte jetzt noch mehr von der Welt sehen. Am Machu Picchu haben wir leider keine Tochtergesellschaft, die ich besuchen musste. Jetzt kann ich ohne berufliche Verpflichtungen dorthin reisen“, sagt er.
Neben den geplanten Übernahmen von Unternehmen deren Produktportfolio zu BSN passt, will Oelkers auch für weiteres organisches Wachstum sorgen. Im Januar sollen weitere Innovationen auf den Markt kommen. Bessere Geschäfte erhofft sich der neue Chef auch in Spanien, Portugal, auf den Philippinen, in Malaysia, Singapur und Thailand. In diesen Ländern war das Unternehmen bislang nur mit Handelspartnern vertreten. Jetzt wurden dort eigene Niederlassungen aufgebaut.