Landwirte in Lateinamerika und Asien haben wegen fallender Kaffeepreise Existenzsorgen. Deutsche Verbraucher profitieren durch Preissenkungen von der Entwicklung. Auch 2014 dürften die Preise niedrig bleiben.
Hamburg. Nelson Ramírez ist erbost. Der Kaffeebauer aus der Ortschaft Santa Bárbara in Costa Ricas Provinz Heredia schuftet jeden Tag auf seinen Plantagen, aber die harte Arbeit lohnt sich kaum noch für ihn und seine Familie. „Man muss kein Genie sein, um auszurechnen, dass ich noch nicht mal mehr die Produktionskosten decken kann“, sagt Ramírez leicht verbittert. Er fühlt sich um den Lohn seiner Arbeit gebracht, nachdem nach Angaben der International Coffee Organization (ICO) der Preis für Rohkaffee auf dem niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren gefallen ist. Der kombinierte ICO-Korbpreis aus den Durchschnittswerten verschiedener Kaffeesorten lag Mitte November bei 98 US-Cent pro Pfund. Vor gut zwei Jahren waren es noch deutlich mehr als 200 Cent.
Seit dem 14-Jahreshoch im Jahr 2011 bewegt sich die Preisspirale für die braunen Bohnen inzwischen auch für die Kunden im Supermarkt nach unten. Allein die hochwertige Sorte Arabica ist seit Anfang des Jahres um 27 Prozent günstiger geworden, der Preis für die Sorte Robusta ist immerhin um 19 Prozent gesunken. Die deutschen Verbraucher profitierten davon, während die Bauern in den Anbauländern um ihre Existenz fürchten müssen. Seit 2012 hat der Marktführer Tchibo bereits zweimal seinen Preis um 50 Cent pro Pfund gesenkt – zuletzt im Oktober. Derzeit kosten 500 Gramm der Tchibo-Sorte Feine Milde beispielsweise 3,99 Euro als Aktionspreis und 4,99 Euro im Normalverkauf. Einige Discounter folgten und reduzierten ihre Ware um 20 Cent pro Pfund. Der günstigste Preis für das Pfund beträgt bei Aldi sogar 2,79 Euro. Ob es zu weiteren Senkungen kommen wird, ließen die Firmen offen.
Vor allem Überkapazitäten am Markt drücken die Preise in den Keller. Alle exportierenden Kaffee-Länder produzierten in der Erntesaison 2012/2013 mehr als 145 Millionen Sack voller Bohnen (je rund 60 Kilogramm), wie die ICO in ihrem jüngsten Marktbericht mitteilte. Das war ein Anstieg von fast zehn Prozent gegenüber der Ernte im Jahr zuvor. Gleichzeitig ging jedoch der weltweite Verbrauch leicht zurück und lag zuletzt nur noch bei 142 Millionen Sack. In den Lagern der Branche türmten sich deshalb hohe Bestände auf. Hinzu kommt, dass die derzeit guten Anbaubedingungen die Landwirte belasten. „Der weltweit größte Kaffeeproduzent Brasilien mit einem Marktanteil von 25 Prozent hat in diesem Jahr eine Rekordernte eingefahren“, sagt Commerzbank-Analystin Michaela Kuhl. Obwohl die Bauern in den Anbauländern traditionell in einem Jahr auf eine hohe Ernte setzten und im nächsten auf Niedrigerträge schätzt Kuhl, dass auch im kommenden Jahr die Ausbeute auf den Anbauflächen weiter massiv steigen wird. „Zwischen beiden Jahren gibt es inzwischen nicht mehr so hohe Differenzen wie früher“, so die Kaffee-Expertin. „Ich glaube, das Angebot hat die weltweite Nachfrage bereits hinter sich gelassen“, meint auch der frühere Vorsitzende des vietnamesischen Kaffee- und Kakao-Verbandes (Vicofa), Doan Trieu Nhan. „Länder wie Brasilien und Indonesien haben in den vergangenen Jahren sehr gute Ernten eingefahren, der Konsum hat aber nachgelassen.“
Die Vietnamesen, die zuletzt eine Rekordernte von Robusta-Bohnen hatten, überlegen laut Kuhl bereits, ob sie einen Teil ihrer Ernte in staatliche Lagerhäuser bringen und sie somit vom Markt nehmen. Das wäre ein Mittel, um die niedrigen Preise wenigstens zu stabilisieren. Hoffnungen auf eine echte Trendwende gebe es aktuell aber noch nicht. „Niemand weiß, wie lange der Preisverfall noch andauert“, sagte kürzlich der Vorsitzende der kolumbianischen Vereinigung der Kaffee-Exporteure (Asoexport), Carlos Ignacio Rojas. „Auch 2014 werden die deutschen Verbraucher nicht mit deutlichen Preiserhöhungen rechnen müssen“, meint auch Kuhl. Die Lage werde sich erst mittelfristig ändern, wenn die Bauern ihre Anbauziele heruntergefahren haben.
Doch dies zeichnet sich laut der Kaffee-Analystin noch nicht flächendeckend ab – obwohl die Landwirte immer weniger an den braunen Bohnen verdienen, und gleichzeitig mit steigenden Kosten zu kämpfen haben. „Um einen Zentner Kaffee zu produzieren, muss ein Bauer durchschnittlich 150 Dollar investieren. Auf dem Weltmarkt kann er ihn derzeit aber nur für 113 Dollar verkaufen“, sagte der Präsident des guatemaltekischen Kaffee-Verbandes (Anacafé), Nils Leporowski der Zeitung „Prensa Libre“. Auch in Brasilien macht das Wort von der „Crise do Café“ die Runde. „Die niedrigen Preise führen zur Entkapitalisierung der Kaffeeanbauer“, warnt der Präsident des Anbauerverbandes „Conselho Nacional do Café“ (CNC), Silas Brasileiro.
Doch statt die Felder zu verkleinern pochen die „Cafeicultores“ auf staatliche Interventionen, denn viele kommen wegen ausbleibender Einnahmen mit ihren Krediten in die Bredouille. In Kolumbien gingen die Kaffeebauern im März und August auf die Straße und forderten mehr staatliche Unterstützung, um die fallenden Preise, die Verluste durch die Peso-Aufwertung und die Verteuerung von Düngemittel und Pestiziden zu kompensieren. Um über die Runden zu kommen, schlagen in Brasilien derzeit viele Händler zudem ihre Lagerbestände los. Mehr Geld spült das allerdings nicht in die Kassen.
„Die Einnahmen der Händler sanken im Oktober um 24,8 Prozent verglichen mit dem Vorjahresmonat“, sagt Brasileiro. Gleichzeitig steigert der Weltmarktführer die Produktion: 2012 ernteten die Bauern auf über zwei Millionen Hektar Fläche 50,8 Millionen Sack Kaffee und damit laut CNC 16,9 Prozent mehr als 2011 mit 43,5 Millionen Sack.
Während Brasilien immer mehr Kaffee in den Markt drückt, haben die Bauern in Mittelamerika mit eklatanten Ernteausfällen zu kämpfen. In der Region wütet die schwerste Kaffeerost-Epidemie seit 1976. Der Pilz hat nach Angaben der ICO bislang über die Hälfte aller Pflanzen befallen. Der regionale Kaffeebauerverband Promecafe rechnet mit Verlusten von fast 500 Millionen US-Dollar (374 Millionen Euro) für die Landwirte. Das ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern auch ein soziales. Zahleiche Dörfer in der Region leben ausschließlich vom Kaffeeanbau. In Honduras könnte der Ernteausfall sogar zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um zwei Prozent führen, heißt es in einer Analyse von Promecafe.
Selbst der Ausfall der mittelamerikanischen Ernte konnte den Preis bislang nicht stabilisieren. Kaffee ist eine der wichtigsten Handelswaren der Welt, von der mehr als Hunderttausend Menschen in den Anbauländern leben. Im Kaffeejahr 2011/12 führte Deutschland 545.000 Tonnen Rohkaffee ein und lag damit hinter den USA auf Platz zwei der großen Verbraucherländer. Der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch beträgt aktuell 6,4 Kilogramm im Jahr.