Wie sich ein Mittelständler gegen die Übernahme von Großkonzernen stemmt. Lutz Aufzüge aus Reinbek hat sich als Spezialanbieter einen Namen gemacht. Das Unternehmen investiert kräftig.
Reinbek. Der Hans im Namen ist ein „Muss“. Sie heißen alle so. Hans Martin Lutz, heutiger Chef der Reinbeker Firma Lutz Aufzüge, sein Vater Hans-Jürgen Lutz und Felix Lutz, der im Jahr 1927 in Hamburg das Familienunternehmen gründete. Seit 1963 sitzt die Firma in Reinbek – weil es damals in der Hansestadt kein passendes Grundstück für die Erweiterung des Unternehmens gab. Auch bei Lutz hat sich vieles verändert, nur eines ist gleich geblieben – der Hans.
„Vor 20 Jahren wurde der Aufzugsmarkt in Deutschland zu 70 Prozent von Mittelständlern geprägt. Heute beträgt ihr Anteil nur noch 30 Prozent“, sagt Hans Martin Lutz. „Die meisten Hersteller wurden von großen Konzernen übernommen, viele Namen verschwanden vom Markt.“ Auch der Norden war betroffen. Jüngstes Beispiel ist die Glinder Firma Hütter, die unter das Dach vom weltweiten Marktführer Otis kroch. Der Hersteller Leichsenring wurde zuvor von ThyssenKrupp geschluckt, genauso wie zuletzt die Firma Eggert Lift. Lutz nennt noch weitere Namen wie Koch, Grako oder die Hanseatische Aufzugsbau, die alle von großen Firmen in der Branche gekauft wurden.
Das Thema Übernahmen beschäftigt den Unternehmer, der das Unternehmen als geschäftsführender Gesellschafter leitet sehr. Im Familienbetrieb arbeitet er zusammen mit seiner Frau, der Schwester und dem Schwager. „Unser Ziel ist es, das Unternehmen der vierten Generation zu übergeben“, sagt er. Doch das ist angesichts von einem Preisdruck und den Überkapazitäten am Markt gar nicht so einfach. Lutz hat darauf reagiert, sich mit Erfolg nach neuen Märkten umgesehen und sich neben dem Massengeschäft in Nischen eingerichtet, in denen Innovationen gefragt sind. „Bereits 2008, haben wir damit begonnen, unserer Führungsstruktur neu aufzustellen“, sagt Lutz. Damit würden Aufgaben im Führungsteam auf breitere Schultern gestellt, um Bereiche wie Vertrieb, Produktion, Finanzen oder Materialwirtschaft vom Management besser betreuen zu können. Das Unternehmen hat sich in der Branche zum führenden Mittelständler im Norden Deutschlands hochgearbeitet. „In vielen unserer Geschäftsfelder sind wir im Vergleich zu unseren Wettbewerbern auch der Leistungsführer sagt Lutz.“
Das bedingt einen großen Willen zur Veränderung. Während die Firma früher alle Aufzüge in Reinbek herstellte, werden inzwischen die Standardaufzüge von der spanischen Partnerfirma Orona bezogen. Homelifte, die Menschen den Verbleib in Ihren vier Wänden ermöglichen, wurden ins Programm aufgenommen. Lutz ist dazu eine strategische Partnerschaft mit einem schwedischen Hersteller eingegangen. Die Eigenproduktion konzentriert sich auf die hochwertigen und technisch anspruchsvollen Anlagen. Hier investiere ich systematisch in die Kompetenz des Unternehmens“, so Lutz.
Die hohen Produktionskosten in Deutschland hätten ohne diese Massnahmen dazu geführt, dass die Firma künftig nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen wäre. Die 20 Mitarbeiter im Werk und die fünf Auszubildenden mussten umdenken. Um den steigenden Anforderungen der Aufzugstechnik gerecht zu werden, hat Lutz hat eine Akademie gegründet, in der jeder der insgesamt 80 Monteure des Unternehmens mindestens zweimal im Jahr auf neue Herausforderungen in der Branche geschult wird.
Inzwischen werden in Reinbek, wo rund 100 der 220 Mitarbeiter beschäftigt sind, nur noch die Perlen hergestellt, Aufzüge für große Luxusjachten, ein Bereich, in dem Lutz sogar weltweiter Marktführer ist. Auch Offshore-Inseln oder hohe Containerbrücken beliefert das Unternehmen. Oft handelt es sich bei den Aufzügen um Unikate, schließlich sind nicht alle Containerbrücken oder Schiffe gleich. „Wir haben in Südkorea gerade einen Aufzug für das größte Schiff der Welt, eine schwimmende Fabrik, abgeliefert“, sagt Lutz, dessen Techniker den Auftrag von der Herstellung in Reinbek bis hin zur Inbetriebnahme des Schiffs begleiten.
„Unser Trumpf ist unser Know-how“, sagt Lutz, dessen Unternehmen kürzlich in Südkorea eine 40 Meter hohe und bewegliche Containerbrücke mit einem Fahrstuhl ausgestattet hat. „Das erfordert ein hohes Maß an Ingenieurskunst.“ Und das bringt eine bessere Rendite als die Massenprodukte. Auch Kreuzfahrtveranstalter wie die Aida-Gruppe oder die Bundesmarine verlassen sich auf die Präzession des Unternehmens, genauso wie der Deutsche Bundestag. So wird derzeit das Marie-Elisabeth-Lüders als Parlamentsneubau mit elf Lutz-Aufzügen bestückt – das sind genauso viele wie in dem Neubau der Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung, die von dem Reinbeker Unternehmen in Wilhelmsburg installiert wurden.
„Mit diesem breiten Produktprogramm können wir den gesamten Markt, vom einfachen Wohnhaus, über die Nachrüstung in historischen Treppenhäusern, Bürohäusern bis hin zum Marineschiff beliefern“, sagt Lutz. Derzeit arbeitet das Unternehmen zusammen mit der TU Harburg an einem Modell der Modularisierungstechnologie. In dem vom Bund geförderten Smart Price Projekt geht es darum, Baukastensysteme zu entwickeln, damit der Produktionsprozess effizienter und flexibler gemacht werden kann. „Innovation ist unsere Zukunft“, sagt er. „Wir müssen ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis erzielen, um mit den Großen mithalten zu können.“
Eine neue Herausforderung ist die Digitalisierung. Lutz, der seinen Umsatz zwischen 35 und 40 Millionen beziffert, investiert derzeit in den Standort und den Service. Allein 1,5 Millionen Euro gehen in den IT-Bereich. „Der Megatrend Digitalisierung verlangt von uns, die Verfügbarkeit von zahlreichen Informationen im gesammten Prozessablauf. Gefordert sind in Zukunft zum Beispiel Aufzüge, die sich selbst melden, wenn sie defekt sind,“ sagt Lutz. „Wir müssen den Informationsfluss besser beherrschen.“ Zudem organisiert er die Versorgung mit Ersatzteilen neu, um einen noch schnelleren Zugriff auf die Teile zu haben und Ausfallzeiten zu minimieren. Das birgt wieder eine große Herausforderung für die Mitarbeiter, die geschult werden müssen.
In punkto Service und Preis hat das Unternehmen, das im Norden einige Tausend Kunden hat, offenbar ein gutes Händchen. „Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Aufträge für die Wartung von Aufzügen gewonnen, die von anderen Firmen gebaut wurden“, so Lutz. In diesem Bereich bietet der Mittelständler den großen Wettbewerbern die Stirn. Doch das reicht dem Unternehmer nicht. Lutz arbeitet ständig an weiteren Projekten. „Schließen wollen wir trotz der massiven Konkurrenz auf dem Markt ein Familienunternehmen bleiben.“