Die Zahl der Ausbildungsplätze in Hamburg ist weiter hoch. Dennoch schaffen nur 25 Prozent der Jugendlichen direkt den Sprung von der Schule in eine Lehrstelle.

Hamburg. Immerhin 1425 der 15.040 Schulabgänger in der Hansestadt haben sich nach dem Schuljahr 2011/12 für eine Ausbildung im Einzelhandel entschieden. Damit schneidet die Branche in der Hansestadt als beliebtester Lehrstellenanbieter ab. Allein 831 Schulabgänger wollen Kaufleute im Einzelhandel werden, 594 wollten Verkäufer oder Verkäuferin. Wohl auch weil Hamburg eine Handels- und Dienstleistungsmetropole ist, steht an zweiter Stelle der beliebtesten Ausbildungsberufe der Kaufmann im Groß- und Einzelhandel. Bei den eher handwerklichen Berufen liegt in der Beliebtheit der Kraftfahrzeugmechatroniker mit 357 neuen Azubis noch vor dem Friseur (348) auf Platz zwei.

Der Bedarf nach Fachkräften in Supermärkten, Warenhäusern und Boutiquen ist offenbar groß. Allein Budnikowsky hat im vergangenen Jahr 50 neue Azubis eingestellt und damit zehn mehr als im Vorjahr. In diesem Jahr will das Unternehmen sogar 55 jungen Menschen eine Ausbildung ermöglichen. Bei Edeka waren es in 2011 und 2012 im Gesamtverbund jeweils 7000 Auszubildende. Die Gründe für den Lehrstellenboom liegen auf der Hand. Filialisten wie Edeka und Budni expandieren kräftig und sichern sich damit neue Fachkräfte, die auch eine Chance zum Aufstieg haben.

Beim Thema Ausbildung gehört Hamburg laut Schulsenator Ties Rabe (SPD) zu den besten Bundesländern. Zwar sank die Zahl der Lehrstellen in der Stadt um 1,8 Prozent auf 14.148, aber laut Rabe steht die Metropole damit wesentlich besser da als die anderen Bundesländer. Im Durchschnitt aller Länder sank die Zahl der Lehrstellen um 3,2 Prozent. Obwohl in Hamburg genügend Ausbildungskapazitäten vorhanden sind, ist es für manche Bewerber oft noch ein Glücksfall, eine Stelle zu bekommen.

Denn neben den Haupt- und Realschülern drängen auch Abiturienten auf den Markt, die Schüler mit anderen Abschlüssen manchmal verdrängen. Hamburgs Ausbildungsmarkt weist mit 37,7 Prozent den höchsten Anteil von Abiturienten auf und ist damit bundesweit (23,1 Prozent) an der Spitze. „Der hohe Anteil liegt wohl in den zahlreichen besonders anspruchsvollen Ausbildungsplätze in der Stadt“, so Rabe. Der Trend zu anspruchsvollen Lehrstellen zeigt auch im Handwerk. Dort stieg der Anteil von Abiturienten auf den Rekordwert von 15 Prozent.

Nicht alle Schulabgänger hatten im vergangenen Jahr Glück. Nur 25 Prozent der Absolventen bekamen im Sommer sofort einen Ausbildungsplatz. Ein Grund ist, dass sie in Konkurrenz mit Kandidaten aus den anderen nördlichen Bundesländern stehen. Laut Rabe kamen im Schuljahr 2011/12 rund 43 Prozent der Bewerber aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Die meisten (54 Prozent) der auswärtigen Bewerber konnteneinen Abiturabschluss aufweisen und damit den einen oder anderen Hamburger Bewerber übertrumpfen. Inzwischen konnte die Zahl der Kandidaten, die nach dem Schulabschluss keinen Ausbildungsplatz bekamen um 50 Prozent gesenkt werden – auch, weil die Stadt zahlreiche Erzieher einstellen will. So werden in diesem Schuljahr 926 Fachschüler zu Erzieherinnen sowie 536 Anwärter zu an staatlichen Fachschulen für den Beruf Sozialpädagogische Assistenz ausgebildet.

Rund 4000 Schulabgänger haben sich weder bei den Jugendberufsagenturen noch beim Arbeitswelt gemeldet. Sie will die Behörde einfangen genauso wie die 993 Hamburger Absolventen, die sich im vergangenen Schuljahr ohne Hauptschulabschluss verabschiedet haben. Sie und andere Lernschwache sollen weiter in beruflichen Schulen gefördert werden. „Die Schulbehörde setzt mit den neuen Angeboten Berufsqualifizierung und Ausbildungsvorbereitung auf gezielte Maßnahmen mit umfangreichen Praktika in den Betrieben. So lernen die jungen Menschen von Anfang an die betriebliche Realität kennen, bekommen eine klarere Vorstellung von ihren beruflichen Möglichkeiten und knüpfen Kontakte zu Ausbildungsbetrieben“, so Rabe.

Der Senator hat gleichzeitig an die Wirtschaft appelliert, auch vermeintlich ungeeigneten Schülern eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu geben. Die Firmen sollten überprüfen, ob die Anforderungen nicht an die Auzubis angepasst werden könnten, sagte er. „Wir haben Anlass zu glauben: Da geht noch was.“ Rabe verwies dabei etwa auf Praktikanten, die sich während ihrer Arbeit in den Firmen so gut angestellt hätten, dass sie trotz schlechter Noten übernommen worden seien. So sagten Betriebe durchaus: „Mit dem Zeugnis hätte ich den nie genommen, aber so wie sich dieser junge Mensch hier präsentiert, sieht die Sache ganz anders aus.“

Eine weitere Maßnahme des Senators richtet sich an die Schulen selbst und an die Eltern. Rabe will unter anderem Jugendliche künftig bereits von der achten bis zehnten Klasse in Sachen Berufs- und Studienorientierung fit machen. Dazu kann es auch Schnuppertage geben in Hamburger Betrieben – vielleicht auch im Einzelhandel. Interessenten können sich schon heute umschauen. In der Handelskammer findet eine Lehrstellenbörse statt.