Betriebsrat der Filiale am Jungfernstieg beklagt Kameraüberwachung, nicht genehmigte Seminare und ein fensterloses Büro. Unternehmen schweigt
Hamburg. Kaum jemand versteht es besser als der Computerhersteller Apple, die eigenen Produkte in Szene zu setzen. Der zweitgrößte deutsche Store am Hamburger Jungfernstieg ist ein wahrer Tempel für iPhones, iPads und MacBooks. Wie kleine Kostbarkeiten ruhen die Geräte auf schlichten, hellen Holztischen. Die breite, gläserne Freitreppe und das raffinierte Beleuchtungskonzept verleihen dem Raum ein fast sakrales Ambiente.
Mitarbeiter in einheitlichen blauen T-Shirts erläutern den Kunden die wichtigsten Features des gerade erschienenen Betriebssystems iOS 7 oder erklären, wie der neue Fingerabdrucksensor am jüngsten Modell iPhone 5S zu bedienen ist. Alles im lockeren Plauderton und mit einem persönlichen „du“ auf den Lippen, mit dem jüngere und ältere Kunden gleichermaßen angesprochen werden.
Unter der Oberfläche aber rumort es in der Filiale, denn der notorisch verschwiegene US-Konzern tut sich schwer mit den deutschen Arbeitnehmerrechten. Gleich drei Verfahren vor dem Hamburger Arbeitsgericht hat der seit März amtierende Betriebsrat des Apple Stores angestrengt, um Standards durchzusetzen, die bei anderen Unternehmen im Einzelhandel gang und gäbe sind. Es geht um die Teilnahme an Seminaren, ein genügend großes Büro für den Betriebsrat und Auskunft über das Überwachungssystem im Geschäft. Außerdem wird über eine fairere Verteilung der Arbeitszeiten für die insgesamt 160 Beschäftigten verhandelt.
Ein Apple-Sprecher wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht zu den Auseinandersetzungen äußern, einen Fragenkatalog per E-Mail ließ das Unternehmen unbeantwortet.
„Wir bemühen uns bereits seit dem Frühjahr, konkrete, schriftliche Informationen über das installierte Kamerasystem in der Filiale zu bekommen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Apple Stores, Sebastian Thiel, 26. „Wir wüssten beispielsweise gern, an welchen Stellen genau die Kameras installiert sind, zu welchem Zweck sie eingesetzt werden, ob alle aktiv sind und wer Zugriff auf die Bilder hat.“ Diese Informationen benötige man, um mit dem Arbeitgeber eine betriebliche Vereinbarung über den Einsatz des Systems abschließen zu können.
Entsprechende Auskünfte wurden nach Thiels Worten von Apple bislang aber verweigert. Daher habe man das Hamburger Arbeitsgericht angerufen, das seinerseits eine Einigungsstelle in der Angelegenheit eingeschaltet habe. Zuvor hatte auch schon der Betriebsrat der Münchner Apple-Filiale versucht, ähnliche Informationen zu bekommen.
Die Skepsis der Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber kommt nicht von ungefähr. So berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ Anfang des Jahres über Anschuldigungen in einem anonymen Blog, wonach in einigen deutschen Apple Stores Kameras in den Pausenräumen und sogar vor den Toiletten installiert sein sollen und die Bilder via Webstream in einer Sicherheitszentrale in England zusammenlaufen.
Diese Art der Kontrolle von Mitarbeitern ist in Deutschland nicht erlaubt, wohl aber die offene Überwachung der Verkaufsräume mit Kameras, um Ladendiebstählen vorzubeugen. Zumindest im Pausenraum des Apple Stores am Jungfernstieg war nach Informationen des Abendblatts tatsächlich zeitweilig eine Kamera installiert, die mittlerweile aber abgebaut wurde. „Wir wollen hier einfach Klarheit für die Beschäftigten haben“, sagt Thiel.
Auch die Teilnahme an einem Seminar über die Grundlagen der Betriebsratsarbeit müssen die Arbeitnehmervertreter vor Gericht durchsetzen. Konkret geht um einen einwöchigen Kursus, der sich mit sozialen Angelegenheiten der Beschäftigten und rechtlichen Themen wie Betriebsvereinbarungen, dem Arbeitszeitgesetz oder der Aufstellung eines Sozialplans beschäftigt. „Das ist ein ganz übliches Grundlagenseminar, das allen Betriebsräten angeboten wird, damit sie die Mitarbeiter auf angemessene Weise vertreten können“, sagt Milka Perovic von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die das noch junge Gremium bei seiner Arbeit unterstützt.
Eine zeitgleiche Teilnahme aller sieben Betriebsratsmitglieder lehnte Apple mit dem Hinweis ab, dass durch das Fehlen so vieler Mitarbeiter der betriebliche Ablauf in der Filiale nicht mehr gewährleistet sei. Der Vorschlag, die Betriebsräte in zwei Gruppen auf das Seminar zu schicken, wurde von der Geschäftsleitung aber ebenfalls mit einem Hinweis auf die dann zu hohen Kosten verworfen. Laut Betriebsrat geht es um eine zusätzliche Zahlung von rund 3000 Euro. Offenbar zu viel für einen Konzern, der allein in Mai und Juni dieses Jahres einen Nettogewinn von 6,9 Milliarden Dollar und eine Rendite von fast 37 Prozent erzielte. Nachdem ein Gütetermin in der Angelegenheit scheiterte, soll nun das Arbeitsgericht am kommenden Freitag über den Fall entscheiden.
Drittes Streitthema zwischen Betriebsrat und Unternehmen ist die Bereitstellung angemessener Räumlichkeiten. „Bislang hat uns die Geschäftsleitung nur ein fensterloses, etwa sechs Quadratmeter großes Büro zur Verfügung gestellt, obwohl eigentlich ein größerer Raum zugesagt wurde, in dem sich auch Konferenzen abhalten lassen“, sagt Thiel. Auch in diesem Fall hat der Betriebsrat nun einen Termin vor dem Arbeitsgericht.
„Bei den Forderungen geht es uns nicht um persönliche Privilegien, sondern lediglich darum, unsere Arbeit für die Beschäftigten vernünftig erledigen zu können“, betont Thiel. Einsetzen will sich der Betriebsrat unter anderem für eine fairere Einteilung der Schichten in der Filiale oder das Recht auf zumindest einen arbeitsfreien Sonnabend im Monat. „Wir haben auch vorgeschlagen, die Reparatur-Schichten für Apple-Rechner, die bislang bis 23 Uhr angesetzt sind, in die normalen Öffnungszeiten zu verlegen.“ Probleme bei der Bezahlung von Überstunden, über die in der Vergangenheit auch vereinzelt berichtet wurde, gebe es im Apple Store am Jungfernstieg hingegen nicht.
Konflikte wie jene bei Apple sind insbesondere in US-Konzernen, die im deutschen Handel operieren, kein Einzelfall. Die Unternehmen tun sich schwer mit Mitbestimmungsrechten und dem Einfluss der Gewerkschaften, weil sie aus der Heimat andere Machtverhältnisse gewohnt sind. So ist etwa in den Versandzentren des Onlinehändlers Amazon mittlerweile ein offener Konflikt mit Ver.di und den Beschäftigten über die Bezahlung und die Anerkennung von Tarifverträgen ausgebrochen. Tagelange Streiks sind die Folge.
Auch bei der hippen US-Modekette Abercrombie & Fitch lassen sich die Beschäftigten längst nicht mehr alles gefallen. Die Kette erzürnte Mitarbeiter nicht nur mit absurden Bekleidungsvorschriften wie einem Flip-Flop-Zwang, sondern auch mit einer selbstherrlichen Änderung der Arbeitszeiten. In Hamburg sollen die Angestellten, die 9,50 Euro pro Stunde verdienen, künftig ab 4 Uhr morgens T-Shirts, Hemden und Jeans in die Regale sortieren. Da sie dies für unzumutbar halten, klagten auch sie vor dem Arbeitsgericht. Ein erster Gütetermin ist hier ebenfalls gescheitert.
Die weltgrößte Supermarktkette Wal-Mart musste vor ein paar Jahren sogar den Rückzug aus dem deutschen Markt antreten – auch, weil man die deutschen Arbeitnehmerrechte unterschätzte. Die Kette wollte mit sogenannten Ethik-Richtlinien die Mitarbeiter dazu verdonnern, private Kontakte untereinander zu vermeiden. Nach Intervention des Betriebsrats kippte das Arbeitsgericht Wuppertal schließlich das Flirtverbot. Der Ruf von Wal-Mart war da aber schon kräftig ramponiert.
Der Computerkonzern Apple scheint zumindest bis zu einem gewissen Grad lernfähig zu sein. Bei vielen Themen befinde man sich mit der Filialleitung durchaus in einem konstruktiven Dialog, sagt der Betriebsratsvorsitzende. „Wegen der zentralen Organisationsstruktur dauert es in manchen Fällen aber sehr lange, bis eine konkrete Entscheidung fällt.“