Fehlende Nachfrage könnte Airbus zum Handeln zwingen. Auftragspolster des A380 ist in den zurückliegenden beiden Jahren nicht mehr gewachsen. Großes Interesse an kleineren, sparsamen Maschinen.

Aschau . Auch in diesem Jahr ist Airbus wieder auf Kurs zu einem neuen Rekord – bei den Flugzeugauslieferungen. Und der Standort Hamburg leistet dazu einen erheblichen Beitrag. „Die Schallmauer von 600 Auslieferungen werden wir mit größter Wahrscheinlichkeit knacken“, sagte Günter Butschek, Vizechef des Flugzeugbauers und Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Deutschland, vor Journalisten in Aschau (Chiemgau). Nahezu die Hälfte dieser Flieger werde in Hamburg endmontiert. Bis Ende August wurden bereits insgesamt 394 Maschinen an die Kunden übergeben, im gesamten Vorjahr waren es 588 Jets.

Doch auch auf der Verkaufsseite läuft es hervorragend: Selbst das bereits zweimal nach oben angepasste Ziel von 1000 Neubestellungen dürfte bis Ende Dezember übertroffen werden, nachdem schon bisher gut 900 Aufträge verbucht werden konnten. Damit hat sich das Orderbuch auf 5190 Maschinen erhöht. „Das entspricht bei aktuellen Fertigungsraten einem Produktionsvolumen von mehr als sieben Jahren“, so Butschek.

Derartige Verkaufszahlen hätten zu Anfang des Jahres nur wenige Branchenbeobachter erwartet. „Airbus ist überraschend gut unterwegs“, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Ein Großteil des Markterfolgs ist dem Modell A320neo zu verdanken. Diese modernisierte Variante der bewährten Typenfamilie von Kurz- und Mittelstreckenjets soll dank neuer Triebwerke 15 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen als die bisherige Flugzeuggeneration. Im Jahr 2015 sollen die ersten A320neo gebaut werden – zunächst in Hamburg.

Zwar hat Boeing mit dem Modell 737 Max, das zwei Jahre später fertig sein soll, ein Konkurrenzmodell mit ebenfalls neuen Motoren nachgeschoben. „Es sieht aber so aus, als behielte der A320neo gegenüber dem direkten Wettbewerber im Markt die Nase vorn“, sagte Großbongardt.

Am anderen Ende der Produktpalette, beim doppelstöckigen A380, hat Airbus dagegen Probleme. „Dieses Flugzeug ist dramatisch hinter den Prognosen zurückgeblieben“, urteilte der Experte. Bisher hat der Hersteller seit dem Projektstart gerade einmal 282 Exemplare abgesetzt, 108 davon sind schon ausgeliefert – und manche der Kunden wollen ihre Megajets erst in etlichen Jahren abnehmen. Im Jahr 2014 sei die Produktionslinie noch gut ausgelastet, „aber 2015 wird es schon dünner“, sagte Großbongardt. Dabei klingt das Verkaufsargument von Airbus für das Flaggschiff des Konzerns theoretisch durchaus überzeugend: Weil der Ausbau der Flughäfen mit dem weltweit stetig zunehmenden Luftverkehr nicht Schritt hält, spreche alles für sehr große Jets, die möglichst viele Menschen mit nur einem Flug befördern können.

In der Praxis jedoch ist das Auftragspolster des A380 in den zurückliegenden beiden Jahren nicht mehr gewachsen, wie Butschek einräumt. Offensichtlich werde das gesamte Segment der Passagiermaschinen mit deutlich mehr als 400 Sitzen von den Kunden derzeit „neu bewertet“.

Bei Airbus überlege man nun, wie man darauf reagieren solle, sagte der Vizechef. Dieser „Findungsprozess“ sei noch nicht abgeschlossen. Butschek schloss aber nicht aus, dass man den A380 „modifizieren“ werde. Branchenkenner Großbongardt hat eine Vermutung, was das konkret bedeuten könnte: „Man wird spätestens im Jahr 2015 über einen ‚A380neo‘ mit moderneren Triebwerken nachdenken müssen, um die Maschine für die Kunden wieder attraktiver zu machen.“ Zwar geht es Boeing mit dem Jumbojet 747 nicht besser, für ihn kamen zuletzt kaum noch neue Aufträge herein. Doch einen der Gründe dafür liefert Boeing selbst. Der Konzern sondiert derzeit den Bedarf nach einem Flugzeug mit dem Projektnamen 777-X, das gegen Ende des Jahrzehnts an die Kunden gehen könnte. Dabei handelt es sich um eine vergrößerte und modernisierte Version des zweistrahligen Langstreckenjets 777, dessen älteste Ausführung in den 1990er-Jahren in den Liniendienst ging.

„Die 777-X als erste zweistrahlige Maschine in der Klasse oberhalb von 400 Sitzen wird der 747 den Todesstoß versetzen, sie wird aber auch den A380 noch stärker in Bedrängnis bringen“, glaubt Großbongardt. „Flugzeuge mit zwei Triebwerken bieten gegenüber solchen mit vier Triebwerken einen enormen Kostenvorteil, schon weil der Wartungsaufwand geringer ist.“ Zudem hätten die sehr großen Jets in der Kategorie des A380 und der Boeing 747 den Nachteil der geringeren Flexibilität: Man kann solche Giganten nur auf den wenigen Routen einsetzen, auf denen man auch wirklich immer Bedarf für die immense Kapazität hat. „Manche Airlines fliegen daher lieber zweimal täglich mit einer etwas kleineren Maschine als einmal mit der ganz großen.“

Tatsächlich hat auch Airbus auf diesen Wunsch schon reagiert: 2017 kommt der A350-1000 auf den Markt, der Platz für 350 Gäste bietet. Dies ist das größte Modell der A350-Reihe; ein kleineres Exemplar dieser Typenfamilie, die weitgehend aus leichten Kohlefaserwerkstoffen gefertigt wird, hatte Mitte Juni zum Jungfernflug abgehoben. Ein Boeing-Jet mit ähnlich fortschrittlicher Technologie, das Modell 787 „Dreamliner“, ging bereits im Herbst 2011 in den Liniendienst, musste Anfang 2013 aber monatelang wegen brandanfälliger Batterien am Boden bleiben.

Zwar ist die Produktpalette im Bereich der modernen, zweistrahligen Langstreckenjets bei Boeing künftig breiter gestaffelt als bei Airbus: Während das Angebot der Amerikaner von 240 bis 410 Sitzen reicht, deckt der europäische Flugzeugbauer gemessen an der typischen Drei-Klassen-Bestuhlung nur die Spanne von 270 bis 350 Plätzen ab. Dafür tue Airbus dies mit nur einer Flugzeugfamilie, während Boeing dafür zwei – die 787-Reihe und die 777-Jets – benötige: „Das bringt zusätzliche Komplexität.“ Trotz der Vorteile der flexiblen mittelgroßen Flugzeuge will Airbus am A380 aber auf jeden Fall festhalten. Es handele sich dabei um ein Produkt, das „strategisch positioniert“ ist. Denn schließlich habe sich der weltweite Luftverkehr in der Vergangenheit alle 15 Jahre verdoppelt, sagte Butschek, „und wir haben keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass das auch in Zukunft so sein wird“.